Protocol of the Session on March 6, 2002

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich erlebe heute erstmals eine Aktuelle Debatte in diesem Landtag, in der der Antragsteller zu dem von ihm selbst beantragten Thema überhaupt nichts sagt.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abge- ordneten der SPD)

Das Thema der Debatte lautet: „Verantwortung der Bundesregierung für die aktuellen Finanzdaten des Landes und der Kommunen in Baden-Württemberg“. Dazu haben Sie, Herr Oettinger, schlichtweg nichts gesagt.

(Abg. Fleischer CDU: Haben Sie nicht zugehört?)

Sie verlangen jetzt von uns, dass wir einen Job machen nämlich die Frage beantworten, ob Eichel seine Versprechungen einhalten kann , der gewiss nicht unser Job ist. Dazu gibt es eine Opposition im Bundestag.

(Beifall bei den Grünen und der SPD Abg. Heike Dederer GRÜNE: Sehr gut! Abg. Hauk CDU: Mehr noch die Bundesregierung!)

Wenn man allerdings die Forderungen der Opposition im Bundestag in den Bereichen der Bundeswehr und des Familiengelds sowie ihre Forderung nach Vorziehen der Steuerreform nimmt, ergibt das mit Sicherheit ein Paket, Herr Kollege Oettinger, das allein in diesen Kernbereichen mit weniger als 30 Milliarden € überhaupt nicht zu realisieren ist.

(Abg. Hauk CDU: Haben Sie schon einmal etwas von Wachstumsdynamik gehört?)

Das bedeutet: Wenn man Ihrer eigenen Opposition im Bundestag folgen würde, würde die Staatsverschuldung in unerreichbare Höhen rasen. Jetzt verlangen Sie von uns, die wir gar nicht im Bundestag sind, das zu leisten, was Sie in Berlin noch nicht einmal in Ansätzen zustande bringen. Das finde ich schon ein bisschen ein starkes Stück.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Es ist ja bekannt, dass Ihr Kanzlerkandidat Stoiber natürlich unter dem Druck, dass man im Wahlkampf doch nicht ganz ohne Fakten auskommt, von diesen Zielen der Opposition im Bundestag abrücken muss.

Jedenfalls wirkt sich die Steuerreform des Bundes auf die Finanzen der Kommunen und der Länder aus.

(Abg. Fleischer CDU: Sehr negativ!)

Aber das kann doch nicht jemand wie Sie kritisieren, der gesagt hat, die Steuerreform gehe nicht weit genug und sie komme nicht schnell genug. So einer kann doch diese Kritik überhaupt nicht vorbringen. Wären wir Ihnen gefolgt, dann wären die Ausfälle noch größer, als sie ohnehin schon sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Lasotta CDU)

Auch dem fehlt also jede Logik.

Zu den UMTS-Lizenzen: Erst einmal: Es ist klar, dass das Einnahmen sind, die dem Bund zustehen. Aber Sie klagen ja gerade dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht. Man wird sehen, was dabei herauskommt.

Was hat der Bund mit den Einnahmen gemacht? Er hat diese Gelder praktisch ausschließlich für die Schuldentilgung eingesetzt sonst könnte man die Stabilitätskriterien gar nicht erreichen , und mit den Zinsersparnissen hat er ein Investitionsprogramm von 2,5 Milliarden € jährlich aufgelegt, das ja bekanntlich nicht im Bundeskanzleramt verbaut wird, sondern in den Ländern und Kommunen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Die Mittel fließen in den Ausbau der Schiene, in den Ausbau der Straße, in den Ausbau von Forschung und Lehre, in die Altbausanierung. Das sind doch, bitte schön, alles Investitionsprogramme, die bei den Ländern und den Kommunen zu Steuereinnahmen führen. Ich glaube, seriöser und rationaler kann man Politik nicht machen, als die Zinsersparnisse so einzusetzen, dass sie unten ankommen.

(Beifall bei den Grünen Zurufe von der CDU)

Was machen aber Sie? Sie haben mit den Geldern aus dem EnBW-Verkauf eine Stiftung organisiert, mit der man zwar viele schöne Dinge finanzieren kann, die aber jedenfalls nicht zu den Kernaufgaben des Landes gehören; sonst würden sie ja schon im Haushalt stehen. Also haben Sie die Gelder nicht eingesetzt, um Schulden zu tilgen und damit auch das erstrebte Ziel, 2006 zu einer Nullnettoneuverschuldung zu kommen, überhaupt zu erreichen, sondern Sie haben sie in eine dubiose Stiftung gegeben. Der einzige Grund war, dem Bund die Steuern, die ihm zustehen würden, nicht zu zahlen. Ja, wer so eine Politik macht, dass ein Verfassungsorgan Steuersparmodelle gegenüber einem anderen Verfassungsorgan macht, darf sich hinterher nicht beschweren, wenn das andere Verfassungsorgan so aus dem Wald herausruft, wie man hineingeschrien hat.

Also, Herr Kollege Oettinger: Bitte geben Sie uns die Chance, in der zweiten Runde etwas zum Thema zu sagen. Dann gehen wir gern darauf ein.

(Beifall bei den Grünen Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

(Abg. Birzele SPD: Will der Minister nach der ers- ten Runde nicht sprechen?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst, meine verehrten Kollegen: Ein nationaler Stabilitätspakt wird an Baden-Württemberg nicht scheitern.

(Abg. Birzele SPD: Sehr gut! Abg. Pfister FDP/ DVP: So ist es!)

Aber klar ist: Lasten und Rechte gehören gerecht verteilt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Ich nehme Bezug auf das aktuelle Haushaltsjahr. In diesem Jahr gehen wir von einem Bruttoinlandsprodukt in Höhe von etwa 2 100 Milliarden € aus. Unterstellt, wir kämen hin mit 2 % statt mit 2,7 % neuen Schulden: 2 % von 2 100 Milliarden € sind 42 Milliarden €. Baden-Württemberg erwirtschaftet 15 % des Bruttoinlandsprodukts. Wir rechnen die Hälfte dem Bund zu, die Hälfte dem Land zu. Mit den im Haushaltsplan stehenden neuen Schulden von 1 Milliarde € bei den Kommunen gehen wir von etwa 0,6 Milliarden € aus; insgesamt sind es in Baden-Württemberg also 1,6 Milliarden € liegen wir deutlich unter dem, was uns bei 2 % neuen Schulden zustünde.

Wir hätten mit der vertraglichen Unterzeichnung eines nationalen Paktes für die Stabilität der Währung kein Problem.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Pfister FDP/ DVP)

Ich kann ergänzen: Bayern hätte kein Problem, Sachsen hätte kein Problem, auch Hessen käme hin. Das heißt, die Mehrzahl der Körperschaften, die gemeinsam mit der FDP von der Union verantwortet werden Bayern nicht; warum auch? ,

(Heiterkeit bei der CDU)

jedenfalls die Mehrzahl der von uns gemeinsam verantworteten Körperschaften bekäme einen nationalen Stabilitätspakt sauber hin, der Bund und die von Rot und Grün verantworteten Länder liegen aber weit daneben. Das heißt, der Pakt ist eine Aufgabe für Sie. Unsere Unterzeichnung ist kein Problem.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens: Mit 0,6 % Wachstum kann man keinen Staat machen. Wenn Deutschland beim wirtschaftlichen Wachstum Schlusslicht bleibt, wenn die Prognosen bei 0,5 %, 0,6 %, 0,7 % liegen, haben wir keine Chance, die Ausgaben zu finanzieren. In diesem Jahr wird der Gehaltszuwachs bei 2,5 bis 3 % liegen. Über ver.di schlägt dies automatisch auf Angestellte, Arbeiter und Beamte durch. Wir brauchen also eine Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik auf Bundesebene, von den Ländern mitgetragen, die zu höherem Wachstum in Deutschland führt. Erst dann besteht die Chance, dass unsere Ausgaben, die Dienstleistungen des Staates,

den Einnahmen angeglichen und die Schulden gegen null geführt werden können.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage ganz konkret an Sie: Ich lese mit Interesse, was Gerster will, der neue Mann, die Rakete von Mainz. Zu seinem Vorschlag kann ich nur sagen: alle Achtung!

(Abg. Fleischer CDU: A la bonne heure!)

Jenseits von Blüm tragen wir in der CDU das Ganze mit. Ich glaube nur Folgendes

(Abg. Birzele SPD: Wie viel Prozent sind das?)

Im Landtag von Baden-Württemberg sind das eigentlich alle ohne Sie und Ihre Fraktion. Ich glaube, die Grünen kriegen die Kurve leichter als Sie.

(Beifall bei der CDU)

Damit das deutlich wird: Die Bundesregierung hat bei der Steuerreform einiges richtig gemacht abgehakt , hat bei der Haushaltspolitik nicht alles falsch gemacht abgehakt , aber beim Arbeitsrecht, bei der Deregulierung des Arbeitsmarkts hinsichtlich der Beziehungen von Arbeitgebern und Unternehmern einerseits und Arbeitnehmern, Betriebsräten und Gewerkschaften andererseits hat sie das Gegenteil richtiger Reformen gemacht und damit den deutschen Arbeitsmarkt blockiert statt liberalisiert.

(Beifall bei der CDU Abg. Birzele SPD: 1,1 Mil- lionen Arbeitsplätze neu!)

Deswegen kann ich nur sagen: