Das ist eine wichtige Erkenntnis von PISA, weil es Konsequenzen für die Frage haben muss, wie Leseförderung funktioniert. In Deutschland gibt es mittlerweile ungewöhnlich viele Initiativen zur Leseförderung, aber viele wirken überhaupt nicht. Deshalb muss auf der Grundlage von PISA noch einmal genauer darüber nachgedacht werden, was die Förderung von Lesekompetenz bedeutet
und was Förderung eines besseren Verständnisses von Texten bedeutet. Was bedeuten im Umgang mit Sprache und Schrift ein besseres Verstehen und eine bessere Anwendung?
weil ich Ihre Zeit nicht überstrapazieren will. Ich will Ihnen nur sagen: In Baden-Württemberg wird nicht „reingeschlagen“ – das möge tun, wer will. Aber in diesem Land wird das Bildungswesen konsequent weiter modernisiert. Vielleicht entscheidet sich auch die SPD irgendwann noch einmal, bei dieser Modernisierung mitzuwirken,
Der sozialdemokratische Ministerpräsident Clement hat als erste Reaktion auf PISA bekannt gegeben, er werde jetzt endlich dafür sorgen, dass in Nordrhein-Westfalen das Abitur nach zwölf Jahren möglich wird.
Das ist eine tolle Erkenntnis. Was haben wir hier für Debatten geführt, bis Sie dann vor einiger Zeit endlich die Kurve gekriegt und diese Möglichkeit eingeräumt haben!
In diesen Tagen wird gesagt: Spezialwissen vermindern, Grundlagen stärken! Wie oft habe ich hier in den letzten sechs Jahren gestanden und habe gesagt: Spezialwissen vermindern, Grundlagen stärken, beginnen in der gymnasialen Oberstufe, die ein Paradebeispiel für verkorkstes Bildungsangebot in den Gymnasien war, völlig verkopft, völlig überfrachtet mit Spezialwissen, viel zu wenig Grundlagen, Abbau von naturwissenschaftlichem Verständnis und von Anwendung. Wir haben das, was Clement will, hinter uns. Wir haben es auf den Weg gebracht –
unter großem Protest der Sozialdemokraten. Sie haben jede öffentliche Veranstaltung, jede Veranstaltung mit Schülern genutzt, um das kaputtzureden, um das schlechtzureden.
viele sehr engagierte Lehrer und Lehrerinnen haben. Wer immer glaubt, er könne die Antworten auf PISA gegen
Lehrer und Lehrerinnen geben und er könne ein Bildungswesen modernisieren ohne Lehrer und Lehrerinnen, der ist auf dem Holzweg.
Deshalb halte ich es für einen ziemlichen Skandal, dass eine Kultusministerin in einem so großen und bedeutenden Land wie Nordrhein-Westfalen über die Zeitungen ihren Lehrern erklären lässt, sie seien halt weisungsresistent.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Christine Rudolf SPD: Und Herr Oet- tinger?)
Meine Damen und Herren, ich habe in Berlin gesagt und wiederhole hier: Alle sind betroffen; jeder hat seinen Anteil; wenn sich jeder um seinen Anteil kümmert, sieht es besser aus. Ich sage aber auch: Jeder möge jetzt seine Rede nach Möglichkeit so halten, dass er sie im Frühsommer guten Gewissens nachlesen kann.
Dann kommt der zweite Teil von PISA. Jetzt sind 5 000 Schüler und Schülerinnen getestet worden. Dann sind es 50 000, und dann wissen wir, welches Konzept in Deutschland wie wirkt. Dann wissen wir, welche Weichenstellungen in den letzten Jahren in welchem Land in die richtige Richtung weisen und was im Grunde die Problemlage verstärkt.
Deshalb führen wir in den nächsten Wochen den ersten Teil der Debatte. Dann kommt der zweite Teil der Debatte. Der wird sehr viel konkreter werden. Der wird auch zur Auseinandersetzung führen. Die Auseinandersetzung mit allen beteiligten Gruppen gehört dazu. Unverzichtbare Voraussetzung, bevor ich über irgendwelches bildungspolitische Handeln rede, muss sein: Diese Gesellschaft muss erkennen, dass Spaßgesellschaft allein keine Zukunft hat. Diese Gesellschaft muss von ihrer Behäbigkeit wegkommen und eine lernende Gesellschaft werden, in der Lernen und Leistung etwas bedeutet.
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU – Bei- fall bei der FDP/DVP – Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Mehr als sechs Minuten!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! PISA ist ein internationaler Vergleich, aber ich muss auch kritisch hinzufügen: Man kann nur Äpfel
mit Äpfeln und Birnen mit Birnen vergleichen. Wenn Sie einmal Kapitel 2.7 der Studie nachlesen, wo das Thema Lesekompetenz aufgegriffen wird, sehen Sie eine Tabelle, die ausweist, dass mehr als die Hälfte derjenigen Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die die unterste Kompetenzstufe nicht erreichen, Schüler mit Migrationshintergrund sind. Wir lösen also die Integrationsaufgabe schlecht, so das Resultat bei PISA. Bei PISA werden aber – deshalb kann man, wie gesagt, nicht unbedingt alles miteinander vergleichen – auch solche Länder herangezogen, die diese besondere Situation der Migranten entweder nicht in vergleichbarem Umfang oder – ich erinnere an Finnland – überhaupt nicht haben.
Ich versuche nicht, irgendetwas schönzureden, aber dies ist methodisch fragwürdig, vor allem, weil noch hinzukommt: PISA stellt an verschiedenen Stellen ausdrücklich fest, dass es in Deutschland am schlechtesten gelinge, soziale Schichtunterschiede in der schulischen Bildung auszugleichen. Dass zwischen Schichtzugehörigkeit und Migrationshintergrund in Deutschland wiederum ein enger Zusammenhang besteht, möchte ich hier ausdrücklich hervorheben.
Noch gravierender ist, meine Damen und Herren – ich empfehle Ihnen wirklich einmal die Lektüre –, dass PISA auf Seite 36 sieben Länder namentlich benennt, in denen bis zu 50 % der 15-Jährigen überhaupt nicht mehr in der Schule sind, weil sie als Leistungsschwache vorzeitig aus dem Schulsystem herausfallen. Bei ihnen handelt es sich, wie ausdrücklich festgestellt wird, fast immer um Kinder aus den unteren sozialen Schichten. Diese bemerkenswerte Lösung der Schichtproblematik wird laut PISA in Australien, Korea und Österreich praktiziert; diese Länder schneiden in der Untersuchung besser ab als Deutschland. Aber auch die am Ende der Skala liegenden Länder Lettland, Mexiko und Brasilien bewirken mit dieser Praxis natürlich eine Verfälschung nicht nur ihrer eigenen Resultate, sondern insbesondere auch der OECD-Durchschnittswerte und damit der gesamten Skalierung der durch PISA ermittelten Ergebnisse.
Meine Damen und Herren, Herr Röhm hat vorhin einige grundsätzliche Ausführungen zur Schulpolitik der CDU gemacht. Ich erlaube mir, dies auch für die FDP/DVPFraktion zu tun.
Zweitens: Es ist wiederholt gesagt worden, dass Erziehung nicht erst in der Schule beginnt, sondern auch wesentlicher Bestandteil der Familie ist. Dies muss immer wieder betont werden. Wenn man feststellt, dass viele Mädchen und Jungen nicht mehr in der Lage sind, einfache Gesellschaftsspiele zu spielen, ist das alarmierend. Es kann nicht sein, dass dieser Mangel, der in der Familie besteht und aufkommt, anschließend von der Schule ausgeglichen werden muss. Dafür kann die Schule nicht da sein.
Ich stimme Ihnen zu, Frau Ministerin – auch ich bin der Meinung und habe das in meiner Fraktion wiederholt gesagt –: Während Kinder früher an einer Hand geführt wur
den, ist es heute so, dass wir die Kinder oft an zwei Händen führen und sie überbehüten, um ihnen ja keinen großen Druck oder Stress oder sonst etwas zukommen zu lassen, und uns dann wundern, dass sie, wenn wir sie loslassen, gar nicht in der Lage sind, eigenständig zu gehen.
Frau Ministerin, wir sollten uns darauf konzentrieren: Ich bin der Meinung, dass heutzutage zu viele Einzelheiten an Stoff vermittelt werden, so nach dem Motto: Je mehr Einzelheiten, desto besser. Umgekehrt ist es meiner Ansicht nach sinnvoller. Wir brauchen mehr vernetzten Unterricht. Wir brauchen Denken in Zusammenhängen, fachbezogen und fächerübergreifend.