Protocol of the Session on December 13, 2001

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Witzel.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Eine Neufassung des Landesentwicklungsplans ist überfällig. Der derzeit gültige Plan stammt noch aus dem Jahre 1983, und seither gab es zahlreiche Veränderungen, die in einem neuen Plan berücksichtigt werden müssen. Das reicht von der neuen demographischen Entwicklung über eine Neuorientierung beim Verhältnis der Geschlechter, also dem Gender Mainstreaming, bis hin zu der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die zunehmend Bedeutung erlangt. Alle diese Veränderungen werden im Entwurf der Landesregierung zwar angesprochen, aber nicht genügend berücksichtigt. Hier muss nachgearbeitet werden. Wir Grünen unterstützen daher ausdrücklich das, was in der Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses zu diesen Querschnittsthemen gefordert wird.

(Beifall bei den Grünen)

Wir Grünen teilen auch die Kritik am Verfahren, die von der SPD teilweise schon geäußert wurde, wie der Entwurf des Landesentwicklungsplans im Landtag beraten wurde.

(Zuruf des Abg. Dr. Birk CDU)

Wir hatten vor der Beratung des Landesentwicklungsplans im Ausschuss einen Bericht darüber angefordert, welche Konsequenzen die Landesregierung aus der Anhörung ziehen will. Aber offensichtlich war die Landesregierung auch neun Monate nach dem Abschluss der Anhörung noch nicht in der Lage, diese Konsequenzen zu ziehen und dem Landtag einen Bericht darüber vorzulegen.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist zugesagt gewesen!)

Sie konnte nicht sagen, was für Änderungen sie tatsächlich übernehmen will. In letzter Minute kam zwar ein Bericht, in dem zusammengefasst wurde, was gesagt wurde, aber Konsequenzen daraus wurden noch nicht gezogen. Das hat den Ausschuss unter Zeitdruck gesetzt. Insbesondere stocherten wir irgendwo im Nebel, weil wir nicht wussten, wohin die Landesregierung will.

Wir Grünen hatten dagegen schon in der letzten Legislaturperiode mit verschiedenen Anträgen nachgefragt und Konsequenzen im Landesentwicklungsplan gefordert. Was aber die SPD gemacht hat, liebe Genossinnen und Genossen,

(Heiterkeit bei der SPD – Abg. Nagel SPD: Jetzt gehen Sie aber auf dünnes Eis!)

das versetzt mich zumindest in Erstaunen. Im Ausschuss kamen von Ihrer Seite drei einfache Berichtsanträge, und nun, am Plenartag, kommt eine Viertelstunde nach Beginn der Sitzung und zwei Stunden vor dieser Debatte ein dreiseitiger Beschlussantrag. Sie werden doch wohl nicht im Ernst erwarten, dass wir uns jetzt hier in dieser Debatte Punkt für Punkt mit diesen Forderungen auseinander setzen können. Liebe Genossen, so geht es nicht.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Damit jetzt aber nicht alles nur auf die SPD geht, muss man auch klar sagen, dass die Landesregierung auch noch etwas tun muss. Es ist nämlich absolut unverständlich, dass das Landesplanungsgesetz bisher noch nicht novelliert wurde.

(Abg. Dr. Birk CDU: Machen wir ja! Im Früh- jahr!)

So kommt jetzt der neue Landesentwicklungsplan auf der Basis eines in Teilen überholten Gesetzes zustande. Herr Staatssekretär, ich fordere Sie als Vertreter der Landesregierung auf, dem Landtag einen neuen Entwurf für ein Landesplanungsgesetz vorzulegen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Birk CDU: Machen wir im Frühjahr!)

Neben dieser Kritik am Verfahren sehen wir Grünen im Entwurf des Landesentwicklungsplans aber auch zahlreiche inhaltliche Defizite. Diese haben wir bereits in unserem umfangreichen Antrag dargelegt. Es geht uns dabei zum einen um die Bewahrung der Funktionsfähigkeit der Städte, wo wir striktere Regelungen beim großflächigen Einzelhandel einfordern.

(Abg. Dr. Birk CDU: Das hätten Sie alles fragen können!)

Es geht uns zum anderen um die Perspektiven für die regionale Entwicklung, wo wir die Eigenständigkeit der Regionen betonen und ihnen bei aller Vielfalt gleiche Entwicklungschancen ermöglichen wollen.

Zum Dritten geht es uns um eine nachhaltige Entwicklung hier in Baden-Württemberg.

Unsere Forderungen können Sie im Detail nachlesen. Unser Antrag liegt Ihnen vor. Angesichts der beschränkten Redezeit möchte ich mich hier aber nur auf einen Aspekt beschränken, bei dem unsere Forderung lautet: Der Landesentwicklungsplan muss mit der Forderung nach Nachhaltigkeit Ernst machen.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, wir begrüßen es ausdrücklich, dass die nachhaltige Entwicklung als ein Leitziel in den Landesentwicklungsplan aufgenommen werden soll. Diese Forderung darf jedoch kein hehres Ziel bleiben, das sich nur in der Einleitung findet, in den einzelnen Plansätzen aber nur durch unverbindliche Empfehlungen berücksichtigt wird. Genau dies tut aber der Entwurf. Wir sagen dazu: Wenn die Landesregierung es ernst meint mit dem Ziel der

Nachhaltigkeit, dann müssen klare Umweltqualitätskriterien in den Landesentwicklungsplan aufgenommen werden.

(Beifall der Abg. Heike Dederer GRÜNE)

Andernfalls wird die Forderung nach Nachhaltigkeit zu einem zahnlosen Tiger.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Ich möchte diesen einen Punkt am Beispiel des Flächenverbrauchs erläutern. Seit Rio 1992 bezeichnen wir eine Entwicklung dann als nachhaltig, wenn sie die Aspekte der Ökologie, der Ökonomie und des Sozialen zu einem guten Dreiklang zusammenfügt. Was wir aber derzeit beim Flächenverbrauch, also beim Verbrauch einer zentralen Ressource der Landesentwicklung erleben, wird diesen Kriterien in keiner Weise gerecht. Derzeit ist die Situation doch so: Bei Industrie und Gewerbe hat sich im Gegensatz zu früher die Tendenz durchgesetzt, alle Gebäude möglichst eingeschossig zu errichten. Das steigert den Verbrauch von bis dahin nicht versiegelter Fläche. Aber auch im Bereich des Sozialen, also im Bereich der Haushalte steigen die Ansprüche: größere Wohnungen, mehr Mobilität, zusätzliche Anlagen für Freizeitaktivitäten. All das fördert den Flächenfraß.

In der Summe führt das zu einer erschreckenden Bilanz: Pro Tag wird in Baden-Württemberg eine Fläche von ca. 11 Hektar versiegelt; das sind ca. 20 Fußballfelder pro Tag. Für ganz Deutschland bedeutet das: Jedes Jahr wird eine Fläche halb so groß wie der Bodensee für Siedlung und Verkehr neu in Anspruch genommen, und – das ist das Problematische – eine Trendwende ist derzeit nicht absehbar. Wenn wir so weitermachen, wird rein rechnerisch in 80 Jahren die gesamte Fläche der Bundesrepublik zugebaut sein. Wer hier Nachhaltigkeit fordert, darf sich deshalb nicht auf Appelle zu sparsamem Flächenverbrauch beschränken.

(Abg. Dr. Birk CDU: Richtig!)

So etwas haben wir nämlich schon seit Jahren, und getan hat sich nichts.

(Abg. Dr. Birk CDU: Nicht nichts, zu wenig!)

Alle Bemühungen um einen sparsamen Flächenverbrauch werden auch torpediert, wenn der Ministerpräsident und andere, wie geschehen, die Kommunen wiederholt auffordern, großzügig Bauland auszuweisen, um die Preise für Bauland zu senken. So etwas ist schlicht und einfach kontraproduktiv.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Rech CDU: Eine alte Forderung der Bausparkassen!)

Abhilfe können wir nur erreichen, wenn beim Konfliktthema „Flächenverbrauch“ der Faktor Ökologie gegenüber der Ökonomie und dem Sozialen gestärkt wird, und zwar nicht durch irgendwelche wachsweichen Empfehlungen, sondern durch klare Umweltqualitätsziele.

Wir haben daher in unserem Antrag eine Forderung aus dem ersten Entwurf des Umweltplans der Landesregierung aufgegriffen. Wir wollen als Ziel festlegen, dass die Inan

spruchnahme zusätzlicher, bislang unbebauter Flächen bis zum Jahr 2010 auf die Hälfte des heutigen Wertes zurückgeführt wird. Ein solches Qualitätsziel schafft eine Verbindlichkeit im Landesentwicklungsplan, die den Forderungen nach flächensparendem Bauen, nach intensiverer Nutzung von Gewerbeflächen und nach ernsthafter Überprüfung neuer Straßen den notwendigen Nachdruck verleiht.

Im Bereich der Energie begrüßen wir natürlich den neu eingeführten Grundsatz, verstärkt erneuerbare Energien zu nutzen. Aber warum wird in den Landesentwicklungsplan nicht auch das von der Landesregierung verfolgte Ziel aufgenommen, den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2010 zu verdoppeln? Das Fehlen dieses Ziels zeigt einmal mehr, wie halbherzig das Prinzip der Nachhaltigkeit in diesem Plan umgesetzt wird.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt ansprechen. Der Plansatz 4.2.3 lautet in dem Entwurf: „Die Leistungsfähigkeit der bestehenden Kraftwerke ist zu erhalten.“ Dieser Satz aber steht im krassen Widerspruch zur Novellierung des Atomgesetzes, die gerade auf Bundesebene die letzten Hürden nimmt. Damit wird das Abschalten der Atomkraftwerke hier im Lande zeitlich festgeschrieben. Das beginnt bekanntlich in BadenWürttemberg Ende des Jahres 2002 mit dem AKW Obrigheim. Wer wie die Verfasser des Plans die Fortschreibung der Kraftwerke postuliert, hat entweder aus lauter Provinzialität die Entwicklung auf Bundesebene verschlafen,

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Das wird der Grund sein!)

oder er setzt sich damit über das hinweg, was bei der Verabschiedung des Landesentwicklungsplans geltendes Bundesrecht sein wird. Beides ist eigentlich unmöglich. In jedem Fall bedarf dieser Punkt der Korrektur. Im Ausschuss fanden wir mit diesem Antrag jedoch keine Mehrheit.

(Abg. Dr. Birk CDU: Bedauerlich!)

Meine Damen und Herren, die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses wird, wie ich ausgeführt habe, längst nicht den Änderungen am Landesentwicklungsplan gerecht, die wir fordern. Daher wäre eine Ablehnung gerechtfertigt. Gleichzeitig können wir aber zahlreichen Punkten folgen, die in der Empfehlung auftauchen, zum Beispiel der Berücksichtigung der Regionalmessen im Landesentwicklungsplan, der Verbesserung der Schienenverbindung entlang der Rheinschiene und einigem anderen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir konnten im Ausschuss sogar erreichen, dass zwei Punkte unseres Antrags von der Mehrheit gebilligt wurden. Aus diesem Grunde werden wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Fleischer.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Schmiedel, Sie haben vorhin vier Kritikpunkte angeführt. Sie hätten besser daran getan, einen einzigen Kritikpunkt anzuführen; er betrifft Sie und die Arbeit der SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)