Antrag der Fraktion der FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Umwelt und Verkehr – Personenverkehrskonzeption des Landes bei Streichung von Interregio-Zugverbindungen durch die Deutsche Bahn AG – Drucksache 13/55
Dazu liegt der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP, Drucksache 13/373, vor, den ich am Schluss zur Abstimmung stellen werde.
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: fünf Minuten für die Begründung des Antrags und fünf Minuten je Fraktion für die Aussprache.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Interregioverbindungen sind ein bewährtes Zwischenglied zwischen ICE/IC-Fernverkehr und den Nahverkehrsverbindungen. Sie sind allerdings eindeutig noch dem Fernverkehr zuzuordnen, weil sie neben Innerlandesverbindungen wie zum Beispiel der Süd- und der Schwarzwaldbahn auch länderverbindende Relationen beinhalten, zum Beispiel Stuttgart – Saarbrücken, Stuttgart – Nürnberg oder sogar Stuttgart über Würzburg nach Erfurt.
In unserem Antrag geht es uns um eine schlüssige Personenverkehrskonzeption im Land, damit Bahnfahren in Baden-Württemberg eine gute Zukunft hat.
Kurz nachdem wir unseren heute zur Debatte stehenden Antrag eingereicht hatten, fand hier im Haus eine von der CDU-Fraktion beantragte Aktuelle Debatte statt, in der es ebenfalls um die Gefährdung des Interregioverkehrs in Baden-Württemberg durch die restriktive Haltung der Bundesregierung und die Streichungen der Deutschen Bahn AG ging. Schon damals hat die FDP/DVP die Position vertreten, dass das Land rechtzeitig Sorge dafür tragen muss, dass Interregioverbindungen auch künftig bestehen, ja vermutlich sogar eher aufgewertet und ausgebaut werden müssen, wenn wir das Ziel „Mehr Verkehr auf die Schiene“ erreichen wollen.
Erfreulicherweise hat sich inzwischen einiges bewegt, und auch das baden-württembergische Verkehrsministerium hat im Gegensatz zur damaligen Aussprache deutlich gemacht, dass es bereit ist, diesen Verkehr gegebenenfalls selbst zu organisieren und zu bestellen. Herr Staatssekretär Mappus ging sogar so weit, dass er ankündigte, nötigenfalls beim Bund das dafür erforderliche Geld einzuklagen.
Nun war das Thema Anfang Oktober auf der Tagesordnung der Länderverkehrsministerkonferenz, die mit großer Mehrheit einen ebenfalls in diese Richtung weisenden Beschluss gefasst hat. Wir legen Ihnen deshalb heute gemeinsam mit dem Koalitionspartner einen Antrag vor, der übrigens genau ein Jahr – es war tatsächlich genau am 25. Oktober 2000 – nach dem seinerzeit einstimmig gefassten Beschluss jetzt einen weiteren Weg in Richtung Sicherung der qualitativen Weiterentwicklung und des Wettbewerbs bei den überörtlichen Bahnverbindungen weist.
Es geht darum, dass der Landtag die Forderung der Länderverkehrsminister unterstreicht und unterstützt, dass der Bund entweder seine nach Artikel 87 e des Grundgesetzes bestehende Verpflichtung zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs erfüllt oder aber, wenn er dazu nicht willens oder nicht in der Lage ist, die Länder rechtlich und finanziell in die Lage versetzt, die bisherigen Interregioverkehre in eigener Zuständigkeit zu bestellen. Dazu brauchen wir aber vom Bund eine gesetzliche Regelung, die dem Land die Zuständigkeit für den Betrieb von Interregiozügen überträgt, sowie natürlich einen entsprechenden finanziellen Ausgleich.
Wenn der Entschließungsantag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP/DVP angenommen wird, fordert der Landtag den Bund auf, für einen diskriminierungsfreien und fairen Netzzugang für alle zugelassenen Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie für unternehmens- und wettbewerbsneutrale Regelungen bei den Eisenbahntarifen zu sorgen, damit der Faktor Wettbewerb im deutschen Bahnverkehr wieder einmal ein gewaltiges Stück weiterkommt. Das ist dringend notwendig.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Am 18. Juli hat die CDU-Landtagsfraktion in der Aktuellen Debatte die Position der Landesregierung, wie sie in der Stellungnahme zum Antrag der FDP/DVPFraktion zum Ausdruck kommt, geteilt. Der Interregioverkehr auf den bisherigen Strecken soll und kann erst dann ausgeschrieben werden, wenn er als Fernverkehr auf die Länder übertragen und das Geld dazu den Ländern zur Verfügung gestellt wird. Das haben nicht alle verstanden. Es wurde kritisiert, und es wurden andere Vorschläge gemacht, sowohl in dieser Debatte als auch bei anderen Diskussionen und bei Auftritten an den Strecken.
Es gibt jetzt diesen schon erwähnten einstimmigen Beschluss der Länderverkehrsministerkonferenz. Darin ist festgehalten, dass es erstens für die Länder die Zuständigkeit und Geld für Interregiostrecken geben soll und dass zweitens die Regionalisierungsmittel ab 2002 weiter dynamisiert werden sollen, einschließlich der Mittel für die Interregioverkehre. Das kann sich sehen lassen. Wir hätten aber keine Aussicht, diese Forderung umzusetzen, wenn wir der Forderung gefolgt wären, den Interregioverkehr sofort auszuschreiben und danach beim Bund um Geld für diese Maßnahme zu bitten.
Jetzt muss es weitergehen. Deshalb müssen wir diese Forderung der Länderverkehrsminister unterstützen.
In einer Erklärung des Staatssekretärs im Bundesverkehrsministerium heißt es, dass keine Einigung zwischen Bund und Ländern erzielt sei. Damit geht es darum, dass es jetzt zu einer Einigung über diese Forderung, die die Länderverkehrsminister einstimmig erhoben haben, kommt, dann ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet und dieses Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen wird.
Meine Damen und Herren, der Bund ist am Zug. Und wir alle sollten dieses Ergebnis, über das bei den Länderverkehrsministern Einigkeit bestand, jetzt auch wieder auf dem Boden der Einmütigkeit des Beschlusses im Landtag vom Oktober vergangenen Jahres unterstützen. Wir sollten davon ausgehen, dass der Interregio Fernverkehr ist. Wir brauchen den Interregioverkehr. Wir brauchen ihn für den Integralen Taktfahrplan, für den Einstundentakt. Wir brauchen diesen Verkehr auf den verschiedenen Strecken, nicht in abgespeckter Form, sondern in dem Bestand wie vor dem Fahrplanwechsel 2001. Wenn der Bund das nicht kann, dann soll er den Ländern die Zuständigkeit und das Geld dafür geben. Das ist der Inhalt dessen, wofür wir in
unserem gemeinsamen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen um Unterstützung bitten. Wir wollen die Einmütigkeit vom Oktober vergangenen Jahres auch für die Forderung nach mehr Mitteln für die Länder bei der Verkehrsbestellung und damit die Möglichkeit und Zuständigkeit für die Interregioverkehre. Das wollen wir unterstützen und bitten um Zustimmung dafür. Das ist genau die Position, die wir jetzt brauchen, um den Bund in das Boot dieser Beschlüsse der Länderverkehrsminister zu bringen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Plenum liegen zwei Anträge vor, darunter ein Antrag, der soeben kurzfristig eingegangen ist. Ich weiß noch nicht, ob er in dieser Form auch tatsächlich abstimmungsfähig ist.
Ich möchte aber doch noch auf den Antrag Drucksache 13/55 zurückkommen, in dem die Frage aufgeworfen wird, wie das Land auf die angedrohte Streichung von Interregioverbindungen reagieren soll. Diese Frage hat auch unserer Meinung nach durchaus ihre Berechtigung. Denn offensichtlich waren die Ziele, die Optionen und auch die Prioritäten der Landesregierung in dem angefragten Bereich auch nach Meinung der Antragsteller noch nicht ausreichend erkennbar, sodass in der Tat Erklärungsbedarf durch die Landesregierung besteht.
Mit der vorliegenden Stellungnahme der Landesregierung kann man allerdings nicht zufrieden sein. Abgesehen davon, dass in der Drucksache die Fragen zum Teil wesentlich umfangreicher und präziser sind als die Antworten, bleiben die verkehrskonzeptionellen Ansätze und die damit verbundenen Optionen und Prioritäten der Landesregierung undeutlich und sind, soweit dargestellt, noch nicht schlüssig genug. Ich will daher auf drei mir besonders wichtige Punkte eingehen.
Punkt 1: Es ist nur schwer nachvollziehbar, weshalb sich die Landesregierung bislang geweigert hat, eine eigene Zukunftskonzeption für ein integriertes Verkehrskonzept für den Nah- und Fernverkehr vorzulegen. Stattdessen will man abwarten – so wird es in der vorliegenden Stellungnahme zu dem Antrag begründet –, bis die Deutsche Bahn ein bis Mitte des Jahres zugesagtes und damit längst überfälliges Konzept für Baden-Württemberg für die Jahre 2003 ff. vorlegt. Meine Damen und Herren, bei diesem Thema ist es falsch, passiv abzuwarten und damit bei der Bahn den Eindruck zu erwecken, man könne mit uns machen, was man will.
Immerhin ist das Land einer der besten Kunden der Bahn, und man sollte diese Marktposition auch entsprechend nutzen.
Zweitens: Zur Sicherstellung des notwendigen Fernverkehrsangebots verweist die Landesregierung in der vorliegenden Drucksache auf Artikel 87 e des Grundgesetzes, auf die – Sie haben das zitiert – damit verbundenen Zuständigkeiten, auf die gemeinsam mit dem Land Bayern gestartete Bundesratsinitiative und dann noch auf eine angedrohte Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Dazu möchte ich Folgendes anmerken:
Zunächst ist nach dem Grundgesetz der Bund für den Personenfernverkehr zuständig. Nahverkehrsleistungen sind seit der Bahnreform Sache des Landes. Aber der Bund, obwohl er für den Fernverkehr zuständig ist, ist nicht in der Lage – und er soll es auch nicht –, in das operative Geschäft der Bahn einzugreifen, und er soll auch nicht Unternehmensentscheidungen der Bahn AG treffen. Das war politisch gewollt, um den Fernverkehr wirtschaftlich zu betreiben. Es besteht daher, meine Damen und Herren, auch wenn dies gelegentlich anders formuliert wird, weder ein Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen, noch kann die Bahn AG einfach aufgefordert werden, bestimmte Züge fahren zu lassen, wenn deren Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist.
Das war seinerzeit politisch gewollt. Das waren, Herr Scheuermann, die wesentlichen Ziele der Bahnreform, wenn ich mich richtig erinnere, seinerzeit von der – –
Darauf komme ich gleich noch. – In dieser allgemeinen Form enthält das Grundgesetz in der Regel Zielsetzungen. Aber aus diesen lässt sich nicht automatisch das ableiten, was Sie hier gelegentlich gefordert haben.
Wenn Sie jetzt entsprechende unpräzise Vorgaben monieren, sage ich, das sind Dinge, die man seinerzeit bei der Bahnreform verschludert hat und die jetzt Nachbesserungen erfordern.
Ich möchte auch gerne auf die Bundesratsinitiative der Länder Bayern und Baden-Württemberg – ich glaube, das Saarland hat sich auch angeschlossen – verweisen und darf Sie daran erinnern, dass diese Bundesratsinitiative im Deutschen Bundestag pikanterweise nur bei der PDS auf ungeteilte Zustimmung gestoßen ist.
Bei der FDP, Ihrem Koalitionspartner hier im Land, fand das keine Unterstützung. Ich kann mir auch denken, warum die PDS diesen Antrag wörtlich abgeschrieben und im Bundestag eingebracht hat. Denn mit Ihren Vorgaben „Eingriff in das operative Geschäft, Vorschreiben bestimmter Kilometerleistungen der Bahn“, quasi Staatseingriffen in ein Unternehmen, ist die PDS sicher bestens vertraut gewesen.
Im zuständigen Ausschuss des Bundestags fand dieses Anliegen allerdings wenig Resonanz. Insbesondere seitens der
FDP wurde festgestellt, dass die Vorlagen der CDU/CSU und der PDS ein Rückschritt in die Zeiten vor der Bahnreform darstellen, in denen sich der Staat in den Betrieb der Bahn eingemischt hat.
Stimme man den... Vorlagen zu, so signalisiere man der Bahn, dass der Staat zur Alimentation von bahneigenen Aufgaben bereit sei. Dann werde nicht mehr nur die Infrastruktur subventioniert, sondern auch der Betrieb. Dies wolle man nicht. Der DB AG fehle in einigen Bereichen der Zwang des Wettbewerbs. Sie lege erst dann eigene Konzepte vor, wenn Wettbewerber sich interessiert zeigten.