Wir wollen uns auf diesen Weg machen, und ich bitte Sie: Geben Sie den Schulen die Freiheit. Denn dann wird es
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Offensichtlich ist es das Anliegen der Grünen, aber auch der SPD, den Versuch zu unternehmen, mit dieser letzten bildungspolitischen Debatte hier im Landtag die Strukturdebatte zu einem Wahlkampfthema zu machen.
(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Weil die Men- schen darüber reden! Das ist nicht mein Thema! – Zuruf von der CDU: Das schaffen die nicht! – Abg. Seimetz CDU: Ein untauglicher Versuch!)
Natürlich! Wir werden uns in der Sache auch darüber unterhalten. Aber es ist legitim, Frau Kollegin Rastätter, dass wir auch den Nachweis erbringen, dass es der Opposition schwer fällt, griffige bildungspolitische Themen zu wählen und der Regierung Defizite vorzuwerfen.
Deswegen versuchen Sie es heute zum Abschluss noch einmal mit einer üblichen Strukturdebatte, wie wir sie hier seit vielen Jahren erleben.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einige wenige Zitate von renommierten Forschern und Wissenschaftlern im Zusammenhang mit den letzten PISA-Studien, die ich Ihnen einfach auch vor Augen halten möchte.
Beispielsweise hat Professor Prenzel, der Chef des PISAKonsortiums 2003, am 17. Februar 2005 in der Zeitung „Die Zeit“ Folgendes gesagt:
Die Schule kann … an der Aufgabe, soziale Gerechtigkeit herzustellen, nur scheitern. … Eine Debatte über die Gesamtschule drängt vielmehr die Themen in den Hintergrund, über die nach PISA gesprochen werden muss: den Unterricht, die Lehrerbildung, die Leseförderung.
Es lassen sich noch viele andere Zitate aufführen. Ich erinnere an Professor Bos, der im Zusammenhang mit der IGLU-Studie auf einer großen Veranstaltung im Weißen Saal des Neuen Schlosses sinngemäß sagte, aufgrund dieser Studie lasse sich kein Nachweis erbringen, dass die sechsjährige Grundschule für die Kinder besser sei als die vierjährige Grundschule.
Ich darf daran erinnern, dass wir gemeinsam – ich damals noch in meiner Funktion als bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion – Anhörungen zu den Ergebnissen der PISA-Studie durchgeführt haben,
in denen keiner der Experten, die wir gemeinsam eingeladen hatten, den Nachweis erbracht hat, dass eine strukturelle Veränderung Sinn macht.
Ich darf weitere Zitate bringen. Professor Heinz-Elmar Tenorth, Erziehungswissenschaftler an der Humboldt-Universität zu Berlin, sagte am 29. August des vergangenen Jahres in der „Frankfurter Rundschau“:
Die Daten aus PISA stellen keinen zwingenden Zusammenhang zwischen einer längeren gemeinsamen Beschulung und besseren Leistungen her.
Dass gleiche schulische Behandlung ungleicher individueller Lern- und Leistungsvoraussetzungen nachweislich zur Vergrößerung und nicht zur Verringerung von unerwünschten Begabungs- und Leistungsunterschieden in der Schule führt, ist inzwischen eine psychologische Binsenweisheit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich noch präziser formulieren: Wir stehen zur Grundschulempfehlung und zur begabungsgerechten Förderung der Kinder nach der vierten Grundschulklasse. Deswegen darf ich mir auch den Hinweis erlauben, dass SPD und Grüne bei den letzten Landtagswahlkämpfen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen nachweislich mit einer Strukturdebatte gescheitert sind.
Ich darf Ihnen Weiteres anführen: Nicht zuletzt auch die Spitzenkandidatin der SPD für diesen Landtagswahlkampf hat in der „Welt“ vom 25. Januar 2006 gesagt:
Die Bildungspolitik in Baden-Württemberg bedrückt die Menschen, denn weil wir insgesamt gut dastehen, werden eben umso bessere Ergebnisse erwartet.
Wir wollen natürlich an noch besseren Ergebnissen arbeiten. Darauf konzentrieren sich unsere bildungspolitischen Bemühungen. Aber offensichtlich haben führende SPD-Politiker kein Interesse daran, die Strukturdebatte in den Vor
(Abg. Ursula Haußmann SPD: Sie argumentieren unredlich, Herr Staatssekretär! Sie reißen Zitate aus dem Zusammenhang!)
Meine Damen und Herren, als Argument für eine längere gemeinsame Schulzeit wird oft ins Feld geführt, dass bei vielen Kindern aus entwicklungspsychologischen Gründen eine Eignung für Realschule oder Gymnasium zu einem späteren Zeitpunkt besser prognostiziert werden könne. Diese Aussage entbehrt jeder empirischen Grundlage.
So haben Franz E. Weinert und Andreas Helmke in der 1997 veröffentlichten SCHOLASTIK-Studie festgestellt, dass sich spätestens ab der vierten Jahrgangsstufe die individuelle Leistungsfähigkeit im Vergleich zur gleichaltrigen Bezugsgruppe bei der Mehrzahl der Schüler nur noch unwesentlich verändert.
Beim innerdeutschen Vergleich im Rahmen von PISA 2000 und PISA 2003 haben zudem die Länder mit einem ausgeprägten gegliederten Sekundarschulsystem bessere Leistungen erzielt als Länder mit hohem Gesamtschulanteil. Diese Argumente haben wir schon oft ausgetauscht, Frau Kollegin Rastätter.
Insofern würde ich nur das wiederholen, was wir hier immer wieder gesagt haben: dass im PISA-Vergleich diejenigen Länder, die einen hohen Anteil von Gesamtschulen bzw. eine sechsjährige Grundschule haben, deutlich schlechter abgeschnitten haben als die Länder Baden-Württemberg und Bayern, die das dreigliedrige Schulsystem haben – mit der Trennung nach der vierten Klasse.
Meine Damen und Herren, das Grundprinzip des gegliederten Schulsystems, die Orientierung an Leistungsfähigkeit und Begabung, wird allerdings nur dann konsequent verwirklicht, wenn einmal getroffene Schullaufbahnentscheidungen bei entsprechender Leistungsentwicklung des Kindes bzw. des Jugendlichen später auch korrigierbar sind.
Deswegen ist ein starkes Element der beruflichen Bildung auch so wichtig, und darauf konzentrieren wir unsere ganze Kraft.