Deswegen kann der Staat letztlich nur äußere Handlungen bewerten und nicht in die Gesinnung von Menschen eindringen.
Das ist ein unsinniges Verfahren. Die Verwaltungsvorschrift gibt das selber zu. Es steht nämlich in dieser Verwaltungsvorschrift: Der Fragebogen soll nicht veröffentlicht werden, denn sobald er veröffentlicht ist, hat er sein Ziel schon verfehlt. Das steht wörtlich in der Verwaltungsvorschrift drin. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Böhmer hat richtig gesagt: Wir haben aus den Befragungen von Wehrdienstverweigerern die Erfahrung, dass diese Befragungen nur zu einem geführt haben: zu einer Kultur der Vorbereitung, wie man diese Fragen richtig beantworten muss, damit man auch Erfolg hat.
oder ein Test für Gerissene und Gescheite. Er ist ein Test für Dumme und Naive, also für solche, die gar nicht verstehen, was da überhaupt gemeint ist. Wer wird im Ernst, wenn er eingebürgert werden will, sagen: „Ja, ich halte die Terroristen für Freiheitskämpfer; ich schlage meine Frau, wenn es darauf ankommt, ich sperre sie ein; ich bin gegen Gleichberechtigung“, und Ähnliches? Wer wird wohl so etwas in einem solchen Test sagen? Das zeigt schon die ganze Unsinnigkeit dieser Art von Fragerei.
Das heißt, es wird eigentlich geprüft, ob jemand entweder gerissen ist, also sich so vorbereitet, dass er sich sagt: „Wie muss ich diese Fragen beantworten, damit ich diese Hürde überwinde?“, oder ob er gescheit und intellektuell ist und das eh kann. Diese Erfahrung haben wir aus der McCarthyÄra in den USA. Da wurde genau das versucht. Solche brillanten Köpfe wie Bert Brecht konnten da natürlich leicht kontern und diesen Gesinnungstest locker überstehen.
Sie sehen also: Diese Mischung aus Gesinnungsaufsatz, Fang- und Suggestivfragen und Fragen zur persönlichen Lebensführung kann das Ziel, Verfassungsfeinde und Leute, die nicht auf dem Boden unserer Rechtsordnung stehen, davon abzuhalten, bei uns Staatsbürger zu werden, gar nicht erreichen.
zumal es eigentlich, glaube ich, ganz schamlos ist, Leute zu befragen, die selber gar nicht wissen können, was ihre Antworten bedeuten, etwa wenn sie gefragt werden, was für eine Reaktion sie zeigen, wenn sie erfahren, dass ihr Sohn schwul ist.
(Abg. Drexler SPD: Auf Deutsch: Gar nicht! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das hätte ich auch ma- chen sollen!)
Der Test diskreditiert in seiner ganzen Zusammensetzung die Werte, die er abfragen möchte, vor allem den Gleichheitsgrundsatz als fundamentales Prinzip unserer Rechtsordnung, weil Muslime generell unter Zweifel gestellt werden.
Das steht in der Presseerklärung drin. Es steht aber auch im Leitfaden drin, den das Innenministerium erstellt hat.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wiederholen Sie doch nicht den falschen Eindruck, der am Anfang ent- standen sein mag! – Weitere Zurufe – Unruhe)
Da steht drin: Muslime unterliegen grundsätzlich dem Zweifel. Später wird das noch einmal untermauert, indem gesagt wird: Der Arbeitsaufwand beträgt 60 %. Das ist also genau der Prozentsatz des Anteils von Einwanderern aus islamischen Staaten. Das steht eindeutig in der Presseerklärung und im Gesprächsleitfaden drin. Sie wollen hier nur Nebelkerzen werfen. Das ist ganz klar. Sie setzen Muslime unter Generalverdacht und verletzen damit den Gleichheitsgrundsatz.
Sie verletzen den Grundsatz der Freiheit des Denkens. Sie verletzen den Grundsatz, dass sich der Staat nicht in die persönliche Lebensführung einmischt und auch keine Fragen dazu zu stellen hat. Welche Arztwahl Menschen etwa treffen, wie sie zur Berufswahl ihrer Kinder stehen und was für Konflikte sie da in der Familie austragen, das alles geht den Staat nichts an.
(Abg. Mappus CDU: Quatsch! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die Gedankenfreiheit, seine Frau umzu- bringen, auch?)
Das bedeutet die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Deswegen ist das, was Sie da tun, verfassungsrechtlich
höchst bedenklich. Sie müssen sich einmal vorstellen, welche Wirkung es auf die einbürgerungswilligen Einwanderer haben muss, wenn Sie eine Religionsgemeinschaft kollektiv unter Verdacht stellen. Auch das widerspricht dem Geist unserer Verfassung diametral. Unsere Verfassung prüft den Einzelfall. Sie geht von der Einzelperson aus. Unsere Verfassung nimmt niemals ganze Gruppen in Kollektivverdacht und Kollektivhaft.
Es gibt Kritik auf breiter Front – das hat der Kollege Birzele schon dargestellt –, von mit Ihnen befreundeten Regierungen in anderen Bundesländern bis hin zu den Kirchen und der Presse. Fast ausschließlich wird das, was Sie da machen, vollkommen abgelehnt.
Es kommt noch hinzu: Unter diesem Druck lassen Sie völlig im Unklaren, was eigentlich der Charakter dieses Leitfadens ist. Ist er nun verbindlich? Wenn er nicht verbindlich ist, was Sie auf einmal behaupten, warum weisen Sie dann die Heidelberger Oberbürgermeisterin an, ihn anzuwenden? Oder ist es so, wie Sie gesagt haben, Herr Kollege Mappus – ich zitiere sinngemäß –, dass dafür jetzt das Handwerkszeug zur Verfügung gestellt wurde, das sie anwenden können, aber nicht müssen? Das ist Ihre Äußerung zu diesem Gesprächsleitfaden.
(Abg. Drexler SPD: Das ist aber etwas ganz ande- res als das, was der Ministerpräsident gesagt hat! – Unruhe und weitere Zurufe, u. a. Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Jeder sagt etwas anderes!)
Muss er jetzt angewandt werden oder nicht? Warum gibt es die Anweisung an die Oberbürgermeisterin? Welchen Charakter hat dieser Fragebogen überhaupt?
und mit einem solchen Gesinnungstest den rechten und konservativen Rand zu beruhigen und einzufangen, ist gescheitert.
der in irgendwelchen Interviews etwas herummäkelt, aber in der Sache überhaupt keinen Einfluss auf den Gang der Dinge nimmt, wie es ja bei der FDP/DVP in dieser Koalition üblich ist. Man motzt ein bisschen zwischen den Entscheidungen herum, aber man hat nichts zu sagen.
(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dass heute noch vom Fragebogen die Rede ist und nicht vom Gesprächs- leitfaden!)
Als Liberaler und Ausländerbeauftragter sollten Sie sich wirklich einmal überlegen, was eigentlich Ihre Funktion in dem Amt überhaupt noch ist und welche Wirkung es haben soll.
Erinnern wir uns noch einmal daran, was Kollege Mappus zu Renner gesagt hat, als dieser die Schirmherrschaft über die Schwulenparade übernommen hat.
Er hat die Schirmherrschaft übernommen, und Sie sagen, man solle da nicht hingehen, das sei ein abstoßendes Spektakel.