Protocol of the Session on February 1, 2006

Herr Abg. Dr. Noll, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Fischer?

Abg. Dr. Noll FDP/DVP (nach kurzem Zögern): Ja.

(Heiterkeit)

Ja, ich schaue auf die Uhr.

Bitte schön, Herr Fischer.

Herr Kollege Dr. Noll, Sie haben jetzt die ganze Zeit erzählt, was Sie anders machen wollen.

Ihre Fraktion ist ja einer der beiden Koalitionspartner. Ich habe jetzt die konkrete Frage: Was sind Sie am Fragebogen zu verändern bereit, und wo sind Sie bereit, im Bereich Härtefallkommission Veränderungen einzuführen, um zu vermeiden, dass das passiert, was Kollege Birzele erwähnt hat, dass nämlich, auch wenn sich die Härtefallkommission für ein Bleiberecht entscheidet, das Ministerium dies trotzdem ablehnt? Wo konkret sind Sie bereit, in der Regierung auf eine Veränderung hinzuwirken?

(Beifall bei der SPD)

Das Problem Härtefallkommission hat sich schon weitgehend geregelt, weil wir alle gemeinsam der Meinung sind, dass es nicht sein kann, dass, wenn zwei Drittel der Mitglieder der Härtefallkommission dafür sind, das Innenministerium eine andere Entscheidung fällt, und an einer Veränderung gearbeitet haben.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Bis auf ganz wenige Fälle – es gibt angeblich nur noch einen Fall; da ist es einmal passiert – ist es – –

(Unruhe – Zuruf von der SPD: Nein, nein!)

In der Vergangenheit! Wir reden aber über die Zukunft. Hier sitzt ein Mitglied der Härtefallkommission.

(Lachen bei der SPD und den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Was wollen Sie denn eigentlich? Natürlich muss man die Vergangenheit aufarbeiten, und man muss Lehren ziehen. Genau das wollen wir tun – aber nicht so wie Sie, indem man alles für verfassungswidrig erklärt, was im Sinne der Integrationsfähigkeit unserer Bevölkerung durchaus geprüft werden muss. Anderen „Blödsinn“ schmeißen wir dann halt irgendwann hinaus.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Homosexualität abfragen! – Unruhe)

Ich glaube, dass derjenige am meisten der Integration dient, der auch in Wahlkampfzeiten nicht ausschließlich Vergangenheitsbewältigung macht, sondern den Integrationswillen der Bevölkerung vor Ort stärkt. Dazu kann tatsächlich auch beitragen, wenn die Bevölkerung weiß: Es ist nicht beliebig, wer zu uns kommt. Wer zu uns kommt, muss auch nachweisen, dass er von sich aus bereit ist, etwas dafür zu tun und Integrationswillen zu beweisen.

(Abg. Drexler SPD: Ja, keine Frage!)

In diesem Sinne sollten wir das Angebot aufnehmen, gemeinsam darüber nachzudenken, wie wir auch aus diesem bisher rein formalen Akt künftig – selbstverständlich unter Prüfung, ob der Integrationswille vorhanden ist – in einer vernünftigen Form im Rahmen eines Gesprächs, das sich keineswegs im Abhaken irgendwelcher Fragebögen er

schöpfen kann – – Das wird, glaube ich, der Integration mehr dienen,

(Abg. Fischer SPD: Aber wie wollen Sie den Fra- gebogen verändern? – Abg. Drexler SPD: Der Mi- nisterpräsident hat heute etwas ganz anderes ge- sagt!)

als wenn wir uns in Wahlkampfzeiten gegenseitig Medienzitate aus der Vergangenheit, die keiner überprüfen kann, vorhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zurufe von der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dass heute alle Parteien, auch die Union, anerkennen, dass wir ein Einwanderungsland sind, und sich nach vielen Jahren von der Gastarbeiter-Lebenslüge verabschiedet haben, gehört zu den großen Erfolgen meiner Partei in den letzten Jahren.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe der Abg. Mappus CDU und Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ja, man merkt es ganz deutlich, schon an der Sprache. Solche Reden von Ihnen wären vor zehn Jahren gar nicht möglich gewesen. Da haben Sie nur von Ausländern geredet. Heute reden Sie – wie wir schon immer – selbstverständlich von Migranten. Daran sieht man, dass sich etwas geändert hat.

Wenn Menschen sich einbürgern lassen möchten, sollten wir uns darüber freuen, dass sie dieses Gemeinwesen so gut und attraktiv finden, dass sie sich in ihm beheimaten wollen. Wir sollten grundsätzlich davon ausgehen, dass diejenigen Menschen, die sich einbürgern lassen wollen, auch die hiesige Rechtsordnung und Verfassungsordnung anerkennen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Birzele SPD: Sehr richtig! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ohne Prü- fung?)

Ich darf dazu aus einer dpa-Meldung zitieren:

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet, CDU, lehnt Einbürgerungstests mit Fragen zur politischen Gesinnung wie in Baden-Württemberg ab. „Wir haben nicht zu viele, wir haben zu wenige Einbürgerungen. Denn jede Einbürgerung ist ein Integrationserfolg.“

(Abg. Mappus CDU: Was lehnt er ab? – Gegenruf des Abg. Birzele SPD: Gesinnungstests!)

Er sagte weiter, die Neudeutschen seien schließlich bereit, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben und Deutsch zu sprechen, statt in Parallelwelten zu leben.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Mappus CDU: Wir machen keinen Test! Es gibt keinen Test!)

Herr Ministerpräsident, im Zusammenhang mit Einbürgerung noch Polemiken von Parallelgesellschaften gegen uns aufzufahren, ist schon ein starkes Stück, nachdem Sie sich jahrzehntelang geweigert haben, Deutschland als Einwandererland anzuerkennen und rechtzeitig die integrationspolitischen Voraussetzungen zu schaffen. Die Schwierigkeiten, die wir heute haben, kommen daher, dass Sie jahrzehntelang nichts gemacht haben und erst jetzt auf den Trichter gekommen sind, nachdem es schon an vielen Ecken brennt. Das ist die Wahrheit!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)

Die Voraussetzungen, die jemand erfüllen muss, der sich hier einbürgern lassen will, sind bekannt: Er muss sich länger als acht Jahre hier aufhalten. Er muss schriftlich ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablegen. Er muss unterschreiben, dass er an keinen verfassungsfeindlichen Tendenzen beteiligt ist. Er muss seinen Lebensunterhalt verdienen. Er muss ausreichende Sprachkenntnisse haben. Das alles haben wir durchgesetzt, und wir haben auch durchgesetzt, dass es generell eine Anfrage beim Verfassungsschutz gibt, denn der Staat muss Taten erforschen, aber nicht Gesinnung.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Wir wollen keine Verfassungsfeinde einbürgern. Wir wollen Menschen einbürgern, die loyal zu unserer Verfassungsund Rechtsordnung stehen.

Jetzt ist die Frage: Ist der Gesinnungstest das richtige Mittel, um das zu erreichen? Das ist die erste Frage, die ich untersuchen möchte. Die zweite Frage lautet dann: Was bedeutet der Gesinnungstest eigentlich für Integration und Desintegration?

(Abg. Mappus CDU: Es gibt keinen Gesinnungs- test! Kapieren Sie das doch mal!)

Zur ersten Frage: Grundsätzlich ist es nicht möglich, die Gesinnungen von Menschen durch den Staat zuverlässig zu erfragen. Das ist eine Erkenntnis, die wir aus der Aufklärung schon längst haben.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Geben Sie Gedankenfrei- heit!)

Wäre es möglich, dass der Staat unsere Gesinnungen erforschen kann, dann wären wir keine freien Menschen mehr. Denn jeder weiß, der Mensch kann lügen, betrügen und sich verstellen. Das alles ist möglich.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wir versuchen zu prü- fen, ob jemand sich verstellt!)

Wir sind logischerweise nicht automatisch gut, sondern wir müssen uns darum bemühen. Das ist keine philosophische Sonntagsrede, sondern das hat in grundlegender Weise Eingang in unsere Rechtsordnung gefunden. Seit Immanuel Kant trennen wir zwischen Moralität und Legalität.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das ist richtig, ja!)

Das bringen wir schon unseren Kindern bei, indem wir sie das Lied lernen lassen, das aus der 48er-Revolution stammt: „Die Gedanken sind frei“,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das sind sie auch!)