Mit Rücksicht auf die kommunale Selbstverwaltung schlagen Sie von der SPD – Herr Birzele hat es ausgeführt – ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vor. Auch für uns ist die kommunale Selbstverwaltung ein hohes Gut. Wir halten unseren Vorschlag für juristisch vertretbar und sehen keinen Eingriff in die Personalhoheit bzw. die konkrete Personalwirtschaft. Es handelt sich nur um eine allgemeine gesetzliche Regelung über Beschäftigungsvoraussetzungen. Solche Regelungen enthält § 7 des Kindergartengesetzes bereits, etwa Voraussetzungen für das pädagogische Personal, die Zulassung von Ausnahmen auf Antrag beim Jugendamt oder Voraussetzungen für die Leitungsfunktionen.
Für uns bleibt es aber dabei, dass der Erlaubnisvorbehalt, Herr Kollege Birzele, aus anderen juristischen Gründen problematisch ist. Wir gehen davon aus, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Fall Ludin eine Abwägungsentscheidung durch den Gesetzgeber notwendig macht und gerade keine Öffnung für eine Einzelfallentscheidung im Gesetz zulässt.
Über diese juristische Argumentation hinaus halten wir aber auch politisch eine Entscheidung vor Ort für falsch, im Übrigen aus den Gründen, die auch Sie von der SPD bei der Regelung im Schulgesetz durch Ihren Redner Wintruff genannt haben. Ich zitiere aus der Zweiten Beratung:
Deshalb halten wir … ein grundsätzliches Verbot mit Erlaubnisvorbehalt weder für praktikabel noch für gerechter …
Herr Wintruff bestätigt dabei die Einschätzung des Ebersbacher Bürgermeisters, dass der Streit um Frau Ariöz das soziale Klima in der Stadt belastet hat.
ist … kontraproduktiv und führt zu unlösbaren Konflikten vor Ort … Die Verantwortung nach unten durchzureichen und sich ihrer zu entziehen zeigt unserer Ansicht nach keine Stärke von Parlamentariern …
Dem ist in der politischen Argumentation auch für den Bereich des Kindergartens aus unserer Sicht nichts hinzuzufügen.
Aus den genannten juristischen und politischen Erwägungen legen wir Ihnen unseren Gesetzentwurf vor und laden Sie, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dazu ein, den Konsens einer großen Mehrheit dieses Hauses zum Kopftuch in öffentlichen Einrichtungen aufrechtzuerhalten.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der von CDU und FDP/DVP gemeinsam eingebrachte Gesetzentwurf enthält mehrere Teile. Ich werde mich in der Begründung zunächst auch auf die Regelung zum Kopftuchverbot beziehen.
Für uns war, glaube ich, die Frage, ob wir den Kindergarten künftig als Bildungseinrichtung definieren wollen, gemeinschaftlich von zentraler Bedeutung. Deshalb haben wir den Kindergarten in den Verantwortungsbereich des Kultusund damit des Bildungsministeriums gegeben, sodass sich daraus logischerweise ableiten lässt, dass das, was für die Schule in großer Einmütigkeit beschlossen wurde, selbstverständlich in gleichem Maße für die Bildungseinrichtung Kindergarten zu gelten hat.
Wenn argumentiert wird, dass durch ein Kopftuchverbot möglicherweise die Integration beeinträchtigt würde, drehe ich den Spieß um und sage
jetzt sind wir auf die liberale Aussage gespannt –, dass die Kopftuchträgerinnen, insbesondere die, die so sehr auf dem Kopftuch bestehen, damit nicht nur eine religiöse, sondern auch eine weltanschauliche, gesellschaftliche Bekundung abgeben wollen, die nach unserer Meinung intolerant ist, insbesondere auch gegenüber Frauen in der Gesellschaft.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Kretschmann GRÜNE: Dazu genügt bei euch schon der Verdacht!)
Lieber Herr Kretschmann, ich weiß, dass Sie sich an dieser Stelle besonders echauffieren. Sie wissen, dass das Tragen eines Kopftuchs kein absolutes Gebot des Korans ist.
Das ist jetzt mehrfach gesagt worden. Aber wenn Sie das nicht hören wollen, dann frage ich Sie: Haben Sie nachgelesen, dass eine muslimische Erzieherin aus Stuttgart gefragt wurde, was sie denn tun würde, wenn dieses Kopftuchverbot hier gelten würde? Darauf hat sie gesagt: Selbstverständlich hätte ich dann kein Problem, das Kopftuch abzulegen.
Von daher kann man sagen: Das scheint mir eine aufgeklärte Muslima zu sein, die im Übrigen auch weiß, dass man sich vor Kindern – auch nach dem Koran, selbst nach dem strengen Koran – nicht verhüllen muss.
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Es gibt auch Leute, die halten das Sonntagsgebot streng ein, andere nicht! Wer legt das jetzt aus? Der Herr Noll? Frü- her war das der Pfarrer von der Kanzel aus! – Hei- terkeit)
(Abg. Kretschmann GRÜNE: Das ist mir todernst! Da irren Sie sich! – Gegenruf des Abg. Dr. Schef- fold CDU: Das ist ja das Schlimme!)
Natürlich ist uns das auch todernst. Wir legen – im Gegensatz zu Ihnen – Wert darauf, dass Erzieherinnen und Erzieher, die eine Vorbildfunktion und einen Erziehungsauftrag haben, die Erziehungswerte vermitteln, die unserem christlich-abendländischen Bild entsprechen. Dies sollte nicht – auch nicht in Teilen – missdeutbar sein. Auch soll nicht möglicherweise dadurch, dass man darauf besteht, dass man nicht gezwungen werden kann, das Kopftuch abzulegen, die eigene Gesinnung noch deutlicher zum Ausdruck gebracht werden können.
Ich darf auf einen weiteren Punkt verweisen. Vor wenigen Tagen ist über die berufliche Situation insbesondere von muslimischen Schulabgängerinnen ein Artikel erschienen, der Folgendes zum Inhalt hatte: Er handelte von Familien, die von ihren weiblichen Kindern verlangen, dass sie ein Kopftuch tragen. Von diesen Familien werden den Kindern
Berufschancen in dieser Gesellschaft genommen, weil die Familien schlicht und einfach – aus ihrer Sicht, aber nicht aus unserer Sicht – den Kontakt mit Männern im Beruf als problematisch ansehen. Wo leben wir denn, wenn wir das als Integrationsförderung betrachten
und wenn wir solche Bilder, die in Familien transportiert werden, dann auch noch in den Kindergarten transportieren lassen und damit eben für diese jungen Mädchen schlicht und einfach ein völlig negatives, falsches Signal setzen?
Etwas Weiteres meine ich jetzt ganz ernst: Wenn man einmal Prozesse verfolgt hat wie den in Berlin – ein Fall, bei dem angeblich die Familienehre gerettet werden sollte –, dann sieht man auch den schlimmen Ausgang. Da hat einer der Täter wörtlich gesagt: „Ich habe ihr gesagt: Deine letzte Chance: nimm das Kopftuch!“ Wer jetzt noch Zweifel hat, wofür das Kopftuch auch stehen kann, den bitte ich, einfach noch einmal darüber nachzudenken, ob das Motto „Keine Toleranz der Intoleranz“ hier nicht tatsächlich angebracht ist – gerade im Kindergarten, gerade in einer sehr sensiblen Phase.
Die einzige Differenz, die unser Gesetzentwurf zum Gesetzentwurf der SPD aufweist, betrifft den Erlaubnisvorbehalt. Aber wenn wir sagen, wir wollten das wie in der Schule – und zwar genau deshalb, um Rechtsfrieden vor Ort herzustellen – in einem Verbot regeln,
(Abg. Birzele SPD: Aber was machen Sie in Stutt- gart? Sie machen doch in Stuttgart genau das Ge- genteil!)
dann verlagern wir das natürlich genau mit der Ausnahmemöglichkeit im Einzelfall auf die Ebene vor Ort. Man kann sich dann vorstellen, was da wieder im Einzelnen passiert.