Protocol of the Session on November 9, 2005

Dadurch, dass wir im Rahmen der Regierungsumbildung die Zuständigkeit für den Kindergarten als Bildungsstätte an das Ressort des Kultusministeriums übertragen haben, haben wir auch ein Zeichen gesetzt und genau das nachvollzogen, was uns alle Wissenschaftler und was uns auch viele aus ihrer persönlichen Erfahrung sagen: Wir haben die frühkindlichen Potenziale des Lernens, der Bildung bisher nicht in ausreichendem Maß in den Blick genommen. Deswegen halte ich es für wichtig, dass wir unter der Federführung des Kultusministeriums den Orientierungsplan entwickelt haben.

Ich bitte auch darum, die Sprachförderung von Anfang an als integrativen Teil dieser Erziehungs- und Bildungsaufgabe des Kindergartens zu sehen. Da stimme ich ja mit Ihnen ein Stück weit überein. Auch für den Übergang vom Kindergarten in die Schule schreiben wir ja nicht vor, wie das im Modell „Schulreifes Kind“ gestaltet werden muss. Wir – auch ich – favorisieren den Weg, die zusätzlichen Fördermaßnahmen, die auch bei der Integration von Anfang an individuell immer notwendig sein werden, nach Möglichkeit nicht in gesonderten Einrichtungen vorzunehmen.

(Zuruf der Abg. Marianne Wonnay SPD)

Es ist nach diesem Konzept ja auch möglich, das in der eigenen Einrichtung zu machen, um nicht schon wieder zu trennen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Fleischer CDU – Zuruf der Abg. Marianne Wonnay SPD – Abg. Drexler SPD: Welches Kon- zept? Sie haben doch gar kein Konzept!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, beim Thema Orientierungsplan wird meiner Meinung nach übrigens Folgendes auch immer wieder falsch dargestellt: Bei der Zahl 30 handelt es sich ja nur um die wissenschaftlich begleiteten Modelle. Jeder Erzieher und jede Erzieherin kann schon heute nach dem neuen Orientierungsplan seine bzw. ihre Arbeit orientieren und gestalten.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Ohne die entspre- chende Fortbildung! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Ja, ist schon klar. Jedenfalls sollte man nicht so tun, als sei die Zahl 30 viel zu wenig. Natürlich kann man immer mehr tun.

(Zurufe der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE und Ma- rianne Wonnay SPD)

Aber im Grunde genommen sind wir da zumindest auf einem konkreten Weg, den Erziehungs- und Bildungsauftrag des Kindergartens stärker in den Vordergrund zu stellen. Ich glaube, wir dürfen auch beim Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht nur auf die intellektuellen Fähigkeiten schauen. Ich höre immer wieder, dass manche Eltern auch ein Stück weit Angst haben, da würde wieder eine Vorschule klassischen Stils mit dem Lernen von Lesen und Schreiben eingeführt. Nein, es geht darum, damit einen umfassenden Begriff von Bildung und Erziehung zu verwirklichen. Das betrifft Gesundheit, Bewegung, Sport – überhaupt keine Frage –, aber auch Toleranz, Akzeptanz, Integration. Wir wollen übrigens nicht nur für Migrantenkinder, sondern zum Beispiel auch für behinderte Kinder viel mehr Möglichkeiten schaffen, dass der gesamterzieherische Auftrag im Kindergarten stärker in den Fokus genommen wird.

(Beifall des Abg. Theurer FDP/DVP – Abg. Fi- scher SPD: Warum habt ihr es bisher nicht ge- macht?)

Überhaupt ist Bildungspolitik – der Titel heißt ja „Integrierte Bildungs- und Familienpolitik“ – natürlich eine ganzheitliche Politik, die auch Gesellschaftspolitik bedeutet. Das ist überhaupt keine Frage.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Da braucht man nicht erst nach Frankreich zu schauen, wenn wir wissen, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch in demografischer Hinsicht zwar nicht der ausschließliche Schlüssel, aber ein wichtiger Baustein für junge Familien, für Eltern mit Kindern ist.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Eben deshalb darf man es nicht madig machen! – Abg. Drexler SPD: Eben! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Herr Map- pus, Sie müssten jetzt zuhören!)

In Baden-Württemberg können wir uns im Bundesvergleich tendenziell durchaus sehen lassen, dürfen aber natürlich nicht nachlassen. Dazu bekennen wir uns.

(Beifall der Abg. Drexler SPD und Brigitte Lösch GRÜNE)

Es geht nicht darum, Rabenmütter anzuklagen, sondern Wahlfreiheit zu ermöglichen.

(Abg. Drexler SPD: So ist es! – Abg. Fischer SPD: Das sagen wir die ganze Zeit schon!)

Bei manchen ist es wirtschaftliche Notwendigkeit, dass beide arbeiten.

(Abg. Drexler SPD: Manche wollen auch!)

Manche wollen auch, weil wir gut qualifizierte Leute haben. Wir dürfen niemandem, der seinen Beruf liebt und da

rin gut ist – egal, ob Mann oder Frau –, zumuten oder ihn gar zwingen, zwischen Kind und Beruf zu wählen. Es muss beides möglich sein. Genau dazu dient es.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Schef- fold CDU)

In unserer Konzeption hatten wir bisher im Kindergartenbereich weitgehend eine Angebotsstruktur mit einem Versorgungsgrad von über 100 %. Man kann den Kommunen nur dafür danken, dass sie das geschafft haben, obwohl ihnen damals vom Bund das Geld nicht gegeben worden ist. Es gab aber einen extremen Bruch an der Nahtstelle vom Kindergarten zur Schule, da zunächst nur im Kindergarten Ganztagsbetreuung möglich war. Mit der verlässlichen Grundschule haben wir ein Stück weit vorgearbeitet, aber es ist uns schon klar, dass das Thema Ganztagsschule der Punkt sein wird – deswegen ist das ja der zentrale Baustein dieser gemeinsamen Vereinbarung –, wo wir mit einem nahtlosen Übergang zwischen den Betreuungsmöglichkeiten den Eltern in diesem Land die Chance geben müssen, beides zu vereinbaren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Lassen Sie mich ein zweites Thema ansprechen. Ich glaube, dass wir mit diesem neuen Konzept, vereinbart mit den Kommunen, ein Stück weit ein ganz neues Denken auf allen Seiten bekommen werden. Mit dem Stichwort Jugendbegleiter, das Sie sehr kritisch, meiner Meinung nach zu kritisch beleuchten,

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Überhaupt nicht!)

verbindet sich doch die Idee, dass Schule sich öffnet und es nicht mehr so ist, dass Eltern sagen: „Ich gebe mein Kind ab; die werden es schon richten.“ Die Lehrer sind frustriert. Sie haben das Gefühl, dass alles immer nur von ihnen erwartet wird. Nein, es ist unsere gemeinsame Sache. Jede und jeder, die Kommunen, die Verbände, die Vereine, die Eltern, die Großeltern sind gefragt, sich mit der Schule zu beschäftigen. Wenn Schule sich öffnet und das zulässt, sehe ich darin einen ganz großen Motivationsschub.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Unsere Grundüberlegung ist, dass subsidiär und dezentral Vor-Ort-Lösungen möglich sein sollen. Deswegen ist die Kommune als Schulträger unserer Meinung nach genau der richtige Ort, der als Kristallisationspunkt all dies, den professionellen Pädagogen, aber auch das Ehrenamt, die Verbände, den Sportbereich und übrigens auch bürgerschaftliches Engagement mit einbeziehen soll.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Ja!)

Kommunen haben ja in aller Regel diese Netzwerke und haben auch Zugriff auf Menschen, die vielleicht nicht unbedingt einem Sportverein angehören wollen und trotzdem etwas beitragen können.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Angesichts der Notwendigkeit, dies verlässlich zu organisieren, sind wir bereit, wiederum gemeinsam mit den Kom

munen, einen schlanken Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen man vor Ort entscheiden kann, auf welche Angebote man zurückgreift und was vor Ort sinnvoll ist. Ich halte es auch für richtig, dass die letzte Entscheidung der Schulleiter hat; denn wir wollen doch mehr Eigenverantwortung, mehr Profilbildung bei den Schulen zulassen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das lassen Sie doch gar nicht zu!)

Es muss doch möglich sein, in das System nur das einzubauen, was letztlich dem eigenen Profil entspricht. Eine kleine Anmerkung am Rande: Wir werden uns mit dem Thema Schulbezirke natürlich auch befassen müssen, wenn wir Profilbildungen und Wettbewerb wollen.

(Abg. Drexler SPD: Und Schülerbeförderung ist das nächste!)

Wir werden auch, wenn wir die Eigenverantwortung ernst nehmen, genau das tun, was uns die Kommunen vorgemacht haben, nämlich an den Schulen weitgehend über Budgets arbeiten und nicht immer diese unselige Zahl von Lehrerstellen und Deputatstunden vor Augen haben, sondern wirklich einmal überlegen: Wie können wir, beginnend bei den Jugendbegleitern, über Budgets versuchen – –

(Abg. Theurer FDP/DVP: Richtig! – Abg. Drexler SPD: Das ist doch unser Vorschlag!)

Richtig, wir sind ja auf dem Weg dazu, Herr Drexler.

(Abg. Drexler SPD: Ach was?)

Wir geben also den Schulen vor Ort die Entscheidung, ob sie eher zusätzliches pädagogisches Fachpersonal oder aber Sozialarbeiter brauchen, oder ob sie mit Ehrenamtlichen arbeiten können.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Also! Herr Drexler sagt: Alles wunderbar.

(Abg. Drexler SPD: Aber ihr macht es nicht!)

Genau so haben wir das. Im Grunde genommen müssten Sie dann sagen: „Wir haben jetzt nicht immer nur im Blick, dass es noch nicht voll verwirklicht ist, sondern wir sehen gemeinsam die Chance, auf diesem Weg zu mehr Eigenverantwortung vor Ort und zur Öffnung von Schule als Lebenswelt und nicht nur als Lernwelt zu kommen.“

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich denke, das ist ein Ziel, für das es sich lohnt, sich zusammenzuschließen.

Abschließend vielleicht noch ein paar Worte zum Thema Finanzierung. Sie suchen natürlich immer bloß die Zahlen, die Ihnen in den Kram passen. Ich will mich aber überhaupt nicht darum drücken. Es ist überhaupt keine Frage, dass wir, wenn wir Erziehung, Bildung und Chancen für junge Menschen und für Familien zur Verfügung stellen und Prioritäten setzen wollen, bereit sein müssen, ein Stück weit auch umzuschichten – ganz konkret. Frau Lösch, dabei schaue ich Sie an: Jeder von uns weiß, dass man nicht mit der Brechstange an Programme herangehen kann, weder an