Protocol of the Session on October 25, 2000

Herr Abgeordneter, Sie haben gerade geäußert, es sollte im Wirtschaftsausschuss weiterdiskutiert werden. Ihre Redezeit ist ohnehin schon abgelaufen.

Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident.

Die entscheidenden Impulse für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes kommen aber von der Investitions- bzw. von der Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft. Als Beispiel darf ich noch nennen, Herr Präsident: erstens innovationsfreundliche, konkurrenzfähige Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Gesellschaft, zweitens eine effizientere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, öffentlich geförderten Forschungsinstitutionen

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

und der Wirtschaft, ein einfaches und für jedermann durchsichtiges Fördersystem mit einer zentralen Anlaufstelle.

Ich darf noch ein Zitat loswerden.

(Heiterkeit)

Aber nur noch das eine.

Nur noch das eine, jawohl.

(Heiterkeit des Abg. Brechtken SPD)

Denn selbst Wirtschaftsminister Döring, der heute leider nicht bei uns sein kann,

(Heiterkeit)

nahm zu einer Initiative der SPD mit folgendem Satz Stellung – ich zitiere –:

Es fehlt dem Land, insbesondere aber seiner Zentralregion, ein unverwechselbares Dienstleistungsprofil, wie es andere deutsche und europäische Ballungsräume zum Teil längst besitzen.

Weiter sagt er:

Das Land weist ein Defizit an größeren, international operierenden Dienstleistungsunternehmen auf.

Es wäre schön gewesen, wenn dieser Gesetzentwurf nach dem Abschluss der Arbeit der Mittelstandsenquete eingebracht und mit uns abgesprochen worden wäre. Die Vorsitzende der Mittelstandsenquete stimmt mir mit einem Nicken zu. Das freut mich.

Ich denke, wir werden im Wirtschaftsausschuss die weiteren Beratungen miteinander führen.

Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Heiler SPD)

Das Wort hat Frau Abg. Schlager.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist unbestritten: Ein Mittelstandsförderungsgesetz, das aus dem Jahr 1975 stammt, muss aktualisiert werden. Es muss neueren Entwicklungen und neuen Herausforderungen angepasst werden. In groben Zügen wird der vorgelegte Entwurf zum neuen Mittelstandsförderungsgesetz dieser Anforderung gerecht. In Einzelpunkten haben wir allerdings Kritik.

Gleich vorweg: Ein Mittelstandsförderungsgesetz schafft aber nur den Rahmen für bedarfsgerechte Förderstrukturen. Es kann nur der Anfang und nicht das Ende der notwendigen Reformen der Mittelstandspolitik in Baden-Württemberg sein. Das Ziel einer möglichst effektiven und zielgenauen Mittelstandsförderung ist damit noch lange nicht erreicht.

Mittelstandsförderung, meine Damen und Herren, brauchen wir ja nicht deshalb, weil der Mittelstand im Land schwächelt oder aufgepäppelt werden muss. Im Gegenteil, wir brauchen ein Mittelstandsförderungsgesetz, um den Mittelstand in seinen Stärken zu stärken.

Es geht darum, den fairen Wettbewerb für den Mittelstand zu sichern, damit er seine Innovationskraft erhalten kann. Es gibt größenbedingte Nachteile dieser kleinen und mittelständischen Betriebe im Wettbewerb, die durch geeignete Instrumente der Mittelstandspolitik ausgeglichen werden müssen. Der unregulierte Markt ist eben nicht automatisch ein fairer Markt.

Mittelständische Betriebe haben zum Beispiel keine eigenen Forschungseinrichtungen. Sie brauchen deshalb Unterstützung beim Technologietransfer und bei der Anwendungsforschung. Sie haben keine eigene Exportabteilung und brauchen deswegen Unterstützung beim Zugang zu Auslandsmessen. Sie können die Anforderung „Alles aus einer Hand“ in der Regel schlechter erfüllen und brauchen deswegen geeignete Unterstützung bei der Kooperation.

Diesen Anforderungen trägt der vorliegende Entwurf des Mittelstandsförderungsgesetzes Rechnung.

Eine wichtige Neuerung und eine von uns oft gestellte Forderung ist es, dass die freien Berufe im sozialen Bereich und im Gesundheitsbereich mit aufgenommen werden sollen. Damit wird für Baden-Württemberg endlich das Potenzial anerkannt, das in den freien Berufen im Gesundheitsbereich und im sozialen Bereich steckt.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen)

Die zentrale Aussage des Gesetzentwurfs bezieht sich auf die Änderung des Vergaberechts. Hierzu wurden in der Mittelstandsenquete die entsprechenden Empfehlungen verabschiedet, die nun im Gesetz umgesetzt werden sollen.

Die Anwendung der VOB auch bei kommunalen Unternehmen in privater Rechtsform ist gut für den Mittelstand und – das betone ich – gut für die Kommunen. Sie sichert faire Wettbewerbschancen für den Mittelstand durch Vergabe in Fach- und Teillosen. Sie wirkt Günstlingswirtschaft entgegen, ist transparent und in aller Regel nicht teurer. Es ist auch für die Kommunen von Vorteil, wenn es nicht nur einige wenige große Bauunternehmen gibt, sondern eine Vielzahl kleiner, miteinander im Wettbewerb stehender Unternehmen.

Allerdings hat die vorgesehene Form des Vergaberechts aus unserer Sicht den entscheidenden Makel, dass Ausbildungsbereitschaft, Frauenförderung und Tariftreue bei der Vergabe in Baden-Württemberg auch künftig nicht positiv bewertet werden dürfen.

Nun möchte ich eine Anmerkung zu § 1 Abs. 2 machen. Herr Mehrländer hat dies als Programmsatz bezeichnet. Ich würde es eher als platte Ideologie bezeichnen. Ich bin der Meinung, dass diese Aussage so wenig komplex und so undifferenziert ist, dass ich mich frage, wie sie in den Entwurf eines sonst guten Mittelstandsförderungsgesetzes hineingeraten ist.

Es geht um die Rahmenbedingungen für die mittelständische Wirtschaft. Wir teilen die Auffassung, dass sie ein wichtiger Aspekt sind. Aber die gesamte Standortdebatte wird hier auf die beiden Begriffe Deregulierung und Privatisierung verengt. Es gibt aber weit mehr wichtige Standortfaktoren, zum Beispiel Qualifizierung oder Infrastruktur. Darüber wird kein Wort verloren. Außerdem ist längst klar: Es gibt gute und schlechte Regelungen; es gibt sinnvolle wirtschaftliche Betätigungen der Kommunen, und es gibt Auswüchse. Falls es in Baden-Württemberg Vorschriften gibt, die keinen anderen Sinn haben, als Investitionen zu hemmen, dann schaffen Sie sie ab. Wir sind dabei.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Aber so einfach liegen die Dinge in der Regel eben nicht. Es ist zum Beispiel längst belegt, dass es sinnvolle Umweltstandards gibt, obwohl sie an der einen oder anderen Stelle eine Investition hemmen. Zugleich provozieren sie aber das Beschreiten neuer technologischer Pfade, und es werden wiederum neue Dienstleistungen entwickelt. In manchen Regulierungen steckt also gerade auch ein Innovationspotenzial.

(Beifall des Abg. Scheuermann CDU)

Gewässerschutz ist beides: innovationsfördernd und innovationshemmend. Lärmschutz in Wohngebieten ist natürlich eine Regulierung, aber sie dient der Gesundheit. Wir Grünen sind sofort dabei, unsinnige Vorschriften abzubauen und zu vermeiden. Aber wir wollen sinnvolle Standards erhalten. Das müsste auch im Gesetz seinen Niederschlag finden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich will es ganz deutlich sagen: Die Deregulierungs- und Privatisierungsfahne, die Sie in diesem Gesetzentwurf hissen, ist eine ideologische Duftmarke, die für die Praxis untauglich ist. Trotz dieses Ausrutschers in § 1 Abs. 2 bewerten wir Grünen den Gesetzentwurf insgesamt als positiv.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth und Drautz FDP/DVP)

Der heute vorgelegte Entwurf muss jedoch der Anfang einer sinnvollen Neustrukturierung der Mittelstandsförderung sein. Die Enquetekommission wird dazu weit reichende Vorschläge machen. Als Ausblick darauf, was nun im Land folgen muss, möchte ich einen Aspekt nennen: Wir Grünen werden unser Augenmerk ganz besonders darauf richten, dass die Eigenarten der unterschiedlichen Wirtschaftsregionen im Land gestärkt und die regionalen Netzwerke gefördert werden.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Mit einem Straßen- bauprogramm!)

Eine Stärkung der Regionen und der regionalen Kooperationen nützt vor allem dem Mittelstand. Hier sehen wir noch eine ausgesprochene Zögerlichkeit, vor allem bei der CDU. Wir fordern, diese Zögerlichkeit abzulegen und die Regionen als bedeutende Ebene stärker in den Blick zu nehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort hat Herr Abg. Drautz.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Zentrum liberaler Wirtschaftspolitik steht der Mittelstand.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Pfister FDP/DVP: Bravo! Ein Satz wie in Stein gemeißelt!)

Besonders wichtig war es uns deshalb, dass das Mittelstandsförderungsgesetz noch in dieser Legislaturperiode novelliert wird.

(Abg. Capezzuto SPD: Er glaubt es noch! – Zuruf des Abg. Wintruff SPD)

Das Mittelstandsförderungsgesetz wurde 1975