Protocol of the Session on October 5, 2000

(Abg. Weiser CDU: Sehr gut!)

Wir müssen im Parteienkampf darauf verzichten, Beispiele zu liefern, die es diesen Herrschaften dann ermöglichen, ihr Süppchen zu kochen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kretschmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schlierer, Sie haben hier den Versuch gemacht, als Gegenentlarver aufzutreten, aber ich finde, Sie haben sich mit Ihrer Rede durchaus selbst entlarvt. In einer Situation, in der ein Ruck durch Deutschland geht, weil Brandanschläge auf Synagogen verübt werden, weil Brandanschläge auf Asylantenheime verübt werden, in der Leute gejagt und totgeschlagen werden, in solch einer Situation sprechen Sie von einer hysterischen Diskussion. Dies sagt, finde ich, schon alles. Andere sind aufgerüttelt; Sie nennen es eine hysterische Diskussion und finden zur Sache kein einziges Wort.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Dann haben Sie nicht zu- gehört!)

Dann fahren Sie fort, und das ist nun wirklich die Schule der Nazis:

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen: Ja! – Abg. Deuschle REP: Das ist eine Unver- schämtheit! Herr Präsident, rügen Sie das!)

Sie nennen die Auseinandersetzung, die dadurch zustande gekommen ist, eine Pogromstimmung gegen rechts.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Man muss sich einmal vorstellen, was das heißt. Pogrome sind gewalttätige Auseinandersetzungen des Mobs und des Pöbels mit Minderheiten, die zusammengeschlagen oder totgeschlagen werden.

(Abg. Deuschle REP: Eben! – Abg. Dr. Schlierer REP: Genau das!)

Jetzt machen Sie das, was genau die Schule der Nazis ist: Man nimmt solche Begriffe und deutet sie auf sich selber um. Sie behaupten also allen Ernstes, gegen rechts finde jetzt eine Pogromstimmung statt, so als riefen wir dazu auf, das Volk solle die Rechten totschlagen. Ganz im Gegenteil, obwohl das eine schwierige Herausforderung für den Rechtsstaat ist, tun wir gerade eines: Auch diese Menschen haben ein Recht auf Anerkennung ihrer Menschenwürde und werden eben nur mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt. Das unterscheidet eine Demokratie von einer Diktatur. Und eine solche Umdeutung, die Sie vornehmen, zeigt, welcher Gesinnung Sie sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich komme zu einer weiteren Formulierung, die Sie gebraucht haben. Einer der wichtigsten Begriffe in dieser Diskussion ist die Gleichheit aller Menschen, ein Begriff, der tief in die Tradition unserer Zivilisation zurückreicht, der aber Jahrhunderte gebraucht hat, um durchgesetzt zu werden, um dessentwillen Revolutionen stattgefunden haben und viele Menschen Opfer gebracht haben bis zum eigenen Leben, damit dieser Begriff endlich Wirklichkeit in unserer Gesellschaft, Verfassungswirklichkeit wird. Einen der wichtigsten und erhabensten Begriffe unserer Zivilisation kommentieren Sie: Ja, wir sehen doch alle verschieden aus. Und Ihre ganze Truppe feixt darüber.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist unglaublich!)

Auch das zeigt ganz deutlich, wes Geistes Kind Sie sind. Einen der wichtigsten Begriffe unserer ganzen Verfassungstradition und Verfassungswirklichkeit ziehen Sie einfach in einer solchen Situation, wo es um Mord und Totschlag geht, ins Lächerliche. Auch das zeigt, glaube ich, wes Geistes Kind Sie wirklich sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Dr. Schlierer REP: Das ist marxisti- sche Dialektik!)

Jetzt ist es natürlich so: So weit wir hier auch in Einzelfragen auseinander sind und sicher auch scharfe Differenzen austragen, wird aber so etwas niemals jemand aus den demokratischen Parteien sagen. Jedenfalls habe ich das in diesem Landtag noch niemals gehört. Darum reden wir, denke ich, mit Recht von demokratischen Parteien und grenzen Sie aus.

Was machen Sie nun aber wieder? Sie drehen wieder einen Vorwurf um, der auf Sie gemünzt ist, nämlich den des totalitären Denkens, und sagen, wir, die vier anderen Fraktionen, würden Sie in totalitärer Weise behandeln.

(Abg. Deuschle REP: Ja! – Weitere Zurufe von den Republikanern: Das tun Sie doch!)

Gerade das ist nicht der Fall. Solange Sie in diesem Parlament sind, sind Sie in allen formalen Fragen – das macht immerhin eine Demokratie und ihren Gleichheitsgrundsatz aus – absolut gleich und korrekt behandelt worden wie jeder andere vom Volk gewählte Abgeordnete und jede an

dere Fraktion auch. Ich glaube, es macht gerade Demokratie aus, dass eine Mehrheit eine Minderheit, die sie zu Recht politisch ablehnt, trotzdem in ihren Rechten achtet, da sie vom Volk gewählt ist,

(Abg. Deuschle REP: Na ja!)

und in allen Fragen völlig korrekt behandelt, wie es die Gesetze und die Vorschriften dieses Landtags beinhalten. Daran sieht man wieder Ihre Geisteshaltung, wenn Sie Begriffe wie Totalitarismus, die dieses gerade verneinen, wieder auf eine demokratische Mehrheit ummünzen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Deuschle REP: Ja, ja!)

Weiter: Einer Ihrer Lieblingsbegriffe ist ja „Heuchelei“. Damit komme ich zu Ihrer praktischen Oppositionsarbeit. Jeder Demokrat, der eine Vorstellung von einem Gemeinwesen hat, weiß, dass es schwierig ist, in einer Demokratie Politik zu machen, die auch Wirkung zeigt, die Konsense herstellt, die Differenzen klärt und in einer pluralistischen Gesellschaft versucht, die Schwierigkeiten so zu lösen, dass die Gesellschaft einerseits nicht auseinander fliegt, andererseits aber trotzdem Pluralismus und Freiheit erhalten werden. Davon hat hier jede der vier demokratischen Parteien eine Vorstellung. Sie haben sie eben nicht. Darum ist Ihr Lieblingsvorwurf der der Heuchelei. Natürlich verwickelt sich jede demokratische Fraktion im politischen Alltagskampf auch in Widersprüche. Das ist unsere alltägliche Praxis. Aber statt selber zu sagen, wie man die Probleme lösen will und vor allem lösen kann, zeigt Ihre praktische Oppositionsarbeit nichts als ein allgemeines Gemäkel. Sie kritisieren das, was jeder Mensch, der die Zeitung liest, auch kritisieren kann. Aber Lösungsvorschläge zu bringen, wie man in einem solch komplexen Gemeinwesen tatsächliche Politik praktisch betreibt, lassen Sie völlig vermissen.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Ihre Äußerungen zeigen also, dass Sie von den Grundlagen der Demokratie geistig meilenweit entfernt sind, und da muss es auch nicht wundern, dass Sie in der praktischen Oppositionsarbeit überhaupt nichts zustande bringen, weil Sie gar keine Vorstellung davon haben, wie eine moderne Gesellschaft funktioniert.

Andere Kollegen haben Ihre Verbindungen zur wirklich rechtsextremen Szene in ganz Europa nachgewiesen, aber ich glaube, es ist durchaus auch möglich, an Ihrer widerwärtigen Demagogie, die Sie heute hier vorgeführt haben, zu zeigen, dass Sie tatsächlich geistige Brandstifter sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abg. Schlierer hat vorhin versucht – in seiner Verzweiflung, vermute ich einmal,

(Lachen des Abg. Dr. Schlierer REP)

und in der Defensivhaltung, in der er sich heute zweifellos befindet –, der FDP/DVP Sympathie zu Parteien wie der

NPD und ähnlichen unterzujubeln. Hören Sie doch mit einem solchen Blödsinn auf, Herr Schlierer! Das wird Ihnen überhaupt nicht aus der Patsche heraushelfen.

Tatsache ist – und ich habe das jetzt noch einmal ausdrücklich überprüfen lassen –, dass es nirgendwo in der Bundesrepublik Deutschland, auch nicht in Sachsen,

(Abg. Dr. Schlierer REP: Doch!)

eine Koalition der FDP mit der NPD gibt – damit das ein für alle Mal klar ist.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Nein, das hat es gege- ben! Wir haben es überprüft!)

Wir wollen eine solche Koalition nicht, und wir werden sie in der Zukunft auch nicht machen. – Punkt 1.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Punkt 2: Ich glaube, meine Vorredner haben zum Schluss noch einmal sehr deutlich gemacht – ich will das unterstreichen –, was der Sinn und der Wert dieser Debatte war. Natürlich wird der Wähler darüber entscheiden – und nur der Souverän wird entscheiden –, wie der nächste Landtag von Baden-Württemberg zusammengesetzt sein wird. Wer denn sonst? Natürlich wird das nicht der Landtag von Baden-Württemberg tun.

Aber dieser Landtag von Baden-Württemberg hat heute eine gute Möglichkeit genutzt, nämlich die Möglichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern draußen im Lande anhand von einwandfreien, nicht zu widerlegenden Fakten noch einmal deutlich zu machen und offen zu legen, wes Geistes Kind Sie bei den Republikanern sind. Dies muss man einfach noch einmal in den Vordergrund dieser Debatte stellen.

Ich sage noch einmal: Wer in Verlautbarungen und Worten, wie es von den Kollegen vorgetragen worden ist – ich wiederhole es noch einmal ausdrücklich, weil es für mich unerträglich ist, dies von einer Fraktion, die hier im Landtag von Baden-Württemberg sitzt, zu hören –, Menschen, in diesem Fall Ausländer, mit Parasiten, mit Flöhen und mit Ungeziefer vergleicht, meine Damen und Herren, der ist meines Erachtens nicht würdig, in einem frei gewählten Parlament zu sitzen.

(Beifall bei der FDP/DVP und beim Bündnis 90/ Die Grünen sowie bei Abgeordneten der SPD)

Selbstverständlich, Herr Kollege Schlierer, sagen Sie: „Ich habe niemals Gewalt begonnen, und meine Kollegen, die da hinten sitzen, haben persönlich noch nie Gewalt begonnen.“ Das nehme ich Ihnen sogar ab.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Das ist unanständig, was Sie hier machen!)

Aber das ist doch nicht der Punkt. Der Punkt ist doch ein ganz anderer: Mit der Politik und den Äußerungen, die Sie hier gemacht haben, haben Sie doch den Boden bereitet, dass in diesem Land – auch im Land Baden-Württemberg, aber, noch schlimmer, in anderen Bundesländern – überhaupt die Grundlage für Gewalt geschaffen worden ist.

Hierfür sind Sie verantwortlich, und deshalb sind Sie die eigentlichen Brandstifter.

Ich will, Herr Innenminister, in aller Freundschaft noch einen letzten Punkt ansprechen: Ich teile die Meinung all derjenigen, die gesagt haben, dass heute nicht die Stunde ist, über das Zuwanderungsgesetz zu sprechen.