Ich rate Ihnen, die Debatte ernst zu nehmen. Sie haben uns vorhin vorgeworfen, dass andere dies nicht täten. Jetzt sollten Sie nicht denselben Fehler machen.
Dem liegt eine falsche Vorstellung zugrunde. Zumindest sage ich Ihnen eines: Fragen Sie einmal die, die auch zur Arbeit verpflichtet sind, wie zum Beispiel Zivildienstleistende oder auch die Wehrdienstleistenden. Die würden sich schon wundern, denn nach der Erhöhung durch den Bund haben sie weniger als die Strafgefangenen.
Ich sage Ihnen eines deutlich: Das Bundesverfassungsgericht hat nie so etwas gefordert. Das Bundesverfassungsgericht hat, wie Sie zitiert haben, gesagt: Der Anreiz muss größer sein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat längst nicht mehr die Vorstellung, dass man die Gefangenenentlohnung an normale Löhne heranführen kann. Es sind – das sage ich Ihnen offen – vielleicht noch ein paar Übriggebliebene von 1976 im BMJ, die noch nicht gemerkt haben, dass die neue Rechtsprechung in eine andere Richtung geht, und beliebige Konzepte aufstellen, die aber alle Länder betreffen.
Gegen die Vorschläge des Bundes gibt es eine Länderalternative, und das ist insofern spannend, als diese Länderalternative noch in Potsdam mit 16 : 0 Stimmen beschlossen wurde. Sie ist in Baden-Württemberg erarbeitet worden, in Stuttgart, unter unserem Vorsitz, und alle 16 Länder haben letztes Jahr dafür gestimmt.
Sie sagen uns, wir sprächen mit gespaltener Zunge. Das ist ein großer Witz. Sie laufen selbst dann noch hinter dem Bund her, wenn es unsinnig ist und wenn alle A-Länder längst erkannt haben, dass es Unsinn ist,
(Beifall der Abg. Lieselotte Schweikert FDP/DVP – Abg. Hans-Michael Bender CDU zur SPD und zum Bündnis 90/Die Grünen: In der zweiten Run- de habt ihr Gelegenheit, darauf einzugehen!)
Der Ländervorschlag ist vernünftig, weil er eine maßvolle Erhöhung bringt und gleichzeitig durch die Verlängerung des Urlaubs um ein paar Tage einen Anreiz schafft, aber natürlich nur dann – –
(Abg. Bebber SPD: Eine maßvolle Erhöhung reicht nicht, es muss eine angemessene sein laut Bundesverfassungsgericht!)
Sie haben noch nicht gemerkt, lieber Herr Bebber, dass das Bundesverfassungsgericht nichts von angemessener Entlohnung hineingeschrieben hat, sondern dass der Anreiz zum Arbeiten erhöht werden muss. Ich frage Sie, ob dieser Anreiz bei einer 40-prozentigen Erhöhung nicht gegeben ist.
Wenn ich den Lohn um 40 % erhöhe, habe ich den Anreiz schon verändert, und auch durch sechs zusätzliche Urlaubstage im Jahr, die man ansparen und am Ende zur Arbeitssuche nutzen kann.
Eines ist für mich auch erstaunlich: In 16 Ländern, nicht nur in B-Ländern, sondern auch in A-Ländern, sitzen Verfassungsjuristen. Und jetzt kommen einige Verfassungsjuristen aus dem BMJ und sagen, alles, was wir machten, sei verfassungswidrig. Da sage ich: Bitte, etwas mehr Länderbewusstsein!
Immerhin steht es 16 : 1. 16 Länder sind der Meinung, dass das nicht der Verfassung widerspricht. Der Bund dagegen liegt falsch, und zwar auch aus weiteren Gründen, die ich zur Abrundung noch nennen darf.
Erstens: Es ist – und man kann sagen: leider – eine romantische Vorstellung, zu denken: Wir bringen da Geld rein, und das landet hinterher bei den Opfern. Das ist leider eine falsche Vorstellung.
Die Realität wäre zunächst einmal die: Zwei oder drei Kredithaie, die Sie auch so gern mögen, wären mit ihren titulierten Ansprüchen schon längst vorne dran.
Das Nächste: Es gibt bei diesen Beträgen auch noch Pfändungsfreigrenzen. Sie können den Gefangenen doch nicht einfach alles abnehmen und dies irgendwo platzieren. Am ehesten überzeugt mich noch, dass man das Geld für Unterhalt, für die Familie ausgibt. Aber wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass das nur eine Umverteilung innerhalb der öffentlichen Kassen ist.
Das, was Sie fordern, hat eigentlich nur einen Subventionscharakter. Wir geben Geld in die Haftanstalten, und von dort fließt es dann heraus – Unterhalt an die Familien statt der Sozialhilfe vielleicht.
Deswegen passt auch der romantische Traum leider nicht, dass man auf diesem Weg für die Opfer der Taten viel tun könnte.
Wir haben vorgeschlagen, den Weg einer Opferschutzstiftung zu gehen. Das ist viel plausibler, als die Abwicklung über den Umweg sozusagen eines Scheinlohns vorzunehmen.
Der nächste Punkt ist – er ist sehr ernst zu nehmen –, dass bei einer solchen Entlohnung im Vollzug ein Zweiklassensystem der Arbeitsplatzbesitzer und der Nicht-Arbeitsplatzbesitzer entstehen würde. Die einen haben im Vollzug vergleichsweise viel Geld, und die anderen haben wenig. Davor haben uns insbesondere die Anstaltsleiter dringend gewarnt. Das ist übrigens besonders in den neuen Bundesländern ein Problem. Dort hätten dann 50 % kein Geld, während die anderen 50 % Geld hätten. Bei uns sind es aber auch knapp 20 %, die dann sagen würden: Wir haben kein Geld, und die anderen verdienen jetzt das Dreifache. Das schafft eine – –
Das hat unterschiedliche Gründe. Manche sind krank, manche sind nicht arbeitsfähig. Aber der eine oder andere kann auch deswegen nicht arbeiten, weil es in einem schwierigen Markt eine immer größere Leistung wird, Arbeit zur Verfügung zu stellen. Kein anderes Bundesland stellt in einem solchen Umfang Arbeit zur Verfügung, wie wir es tun.
Ich sage Ihnen aber eines: Wenn jetzt 26 Millionen DM an Kosten hinzukommen, sind wir vielleicht auch bei 50 %.
(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP – Zuruf des Abg. Hans-Michael Bender CDU – Abg. Beb- ber SPD: Aber das kann kein Argument gegen das verfassungsgerichtliche Argument sein!)
Wir kommen immer wieder auf den Punkt zurück, dass Sie dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Dinge entnehmen, die dort einfach nicht drinstehen.
Sie lesen alte Vorstellungen hinein. Diese stehen aber in dem Urteil nicht drin. Man muss auch merken, wenn das Bundesverfassungsgericht etwas anderes sagt als vor 20 Jahren.
Der letzte Punkt – da kommen wir auf die Sache mit dem Dreifachen zurück –: Bei uns verdient ein Häftling im Durchschnitt 245 DM. Das Dreifache davon sind 735 DM. Das entspricht dem Gehalt eines mittleren Angestellten in Mittelamerika. Deswegen ist es natürlich kein Witz.
Ja, so ist es. Dieser Anteil von Gefangenen in unseren Anstalten nimmt zu. Wenn heute einer der Betroffenen 100 oder 200 DM nach Hause schickt, ergibt sich das paradoxe Ergebnis, dass er in seinem Heimatland als beruflich erfolgreich gilt.