Protocol of the Session on June 28, 2000

Aber wir wollen die regenerativen Energien an die Stelle der fossilen setzen. Das ist die logische Konsequenz: Kernkraft und regenerative Energien.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Vorhin ist Bundeskanzler Schröder schon zitiert worden. Ich will dies hier noch einmal ausdrücklich tun. Beim Gewerkschaftskongress am 4. Mai dieses Jahres – in dieser Phase wusste er, was er sagte – sprach er nicht von den regenerativen Energien, sondern davon, dass Braun- und Steinkohle ebenso wie Erdgas – drei fossile Energien – in Zukunft wieder vermehrte Absatzchancen hätten.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist der Punkt!)

Das ist die Realität. Dazu passt die Pro-Kohle-Politik der SPD mit 10 Milliarden DM Subventionen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Herr Drexler, wenn Sie davon sprechen, dass der Energiezufluss der Sonne das 15 000fache dessen ausmache, was die Kernkraft ausmacht, kann ich nur Folgendes sagen: Die Photovoltaik macht heute 0,01 % aus.

(Lebhafte Zurufe, u. a. Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Die Photovoltaik! Dann neh- men Sie doch einmal Wind und Biomasse!)

Verhundertfachen Sie es, dann sind wir bei einem Prozent. – Schön, dann nehmen wir alle regenerativen Energien zusammen. Wir sind sehr dafür. Wenn wir die Verdoppelung schaffen, ist es ganz toll, aber damit haben wir lediglich ein

(Minister Ulrich Müller)

Sechstel des Problems bundesweit und ein Zwölftel des Problems in Baden-Württemberg gelöst.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Die Windenergie macht mittlerweile ein Drittel der Atomkraft aus! Wir haben ihren Anteil in den letz- ten Jahren verdoppelt!)

Wir wollen im Übrigen den Anteil der regenerativen Energien so oder so verdoppeln. Wir wollen sie nicht deswegen verdoppeln, weil wir eine Lücke haben, sondern deswegen, weil wir einen Ersatz für die fossilen Energien brauchen. Das ist die eigentliche Philosophie, die wir bräuchten.

Zum Dritten zum Thema Sicherheit: Sie haben nicht nur sicherheitsmäßig nicht argumentieren können und das auch nicht getan, sondern Sie verstoßen gegen Sicherheitsbelange. Sie tun das absichtlich und unabsichtlich – zwangsläufig. Sie tun es absichtlich; ich erinnere nur an die Diskussion um die Nachrüstung oder die Nichtnachrüstung von Biblis. Ich erinnere an das, was ich an dieser Stelle hier im Landtag von Baden-Württemberg vor einigen Monaten gesagt habe, als es um die Frage der Zwischenlagermöglichkeiten gegangen ist. Damals habe ich offen gelegt, was Herr Trittin vorgehabt hat: nämlich, weil er wusste, dass die Zwischenlager so schnell nicht zur Verfügung stehen, dass die Notfallauslagerungsreserve als Zwischenlager missbraucht wird. Das ist ein Verstoß gegen Sicherheitsinteressen.

Ich erinnere auch daran, dass beispielsweise der Materialprüfungsanstalt in Stuttgart, wo bislang 20 Mannjahre an Manpower in die Alterungsforschung der Kernkraftwerke gesteckt werden, finanziell schlicht der Hahn abgedreht wird, weil Sie daran kein Interesse mehr haben. Ich erinnere an die Sicherheitsprobleme und die Entsorgungsprobleme, die wir im Forschungszentrum Karlsruhe haben. So könnte man weitermachen.

(Zuruf des Abg. Weimer SPD)

Natürlich ist es eine logische Konsequenz, dass in dem Maße, in dem ich Kraftwerke nicht mehr betreibe, in dem ich nicht mehr in eine bestimmte Technologie investiere bzw. nicht mehr investieren darf, im Laufe der Zeit auch das Sicherheitsniveau und die Sicherheitskompetenz sinken müssen. Das heißt, Sie erreichen nicht nur nicht Ihr Ziel, sondern Sie erreichen gerade das Gegenteil dessen, was Sie als Argumentation gebracht haben.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss zu der Frage: Was sind die Konsequenzen? Was wird die Landesregierung von Baden-Württemberg denn jetzt in dieser Situation tun, die sie vorfindet – die sie ablehnt, die sie kritisiert, die sie aber vorfindet? Deswegen stellt sich die Frage: Was tun wir?

Zunächst einmal muss sichergestellt sein, was eigentlich in Bezug auf Obrigheim gilt. Das ist eine Schlüsselfrage.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Dann müssen Sie halt einen Antrag stellen!)

In dem Vertrag gibt es drei Passagen. Die erste Passage heißt: 2002. Die zweite Passage heißt: Wenn Verlagerung,

dann nur von den kleinen auf die großen und von den alten auf die neuen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Rich- tig!)

Und die dritte Aussage ist, dass wir in Bezug auf Obrigheim noch 8,7 Terawattstunden haben.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Rich- tig!)

Das sind zunächst einmal schon drei Erklärungen, die sich im Vertrag selber widersprechen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Stimmt überhaupt nicht! – Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)

Nun gibt es aber offensichtlich die Äußerung des Bundeskanzlers gegenüber Herrn Goll. Herr Goll hat gesagt, dass für ihn die Voraussetzung zur Unterschrift ist, dass in Bezug auf Obrigheim – wenn das von der EnBW gewünscht wird – über das Jahr 2002 hinaus verlängert werden kann.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist aber eine politische und keine wirtschaftliche Vorgabe!)

Genau die Frage interessiert uns: Was ist das Wort eines deutschen Bundeskanzlers wert? Diese Frage interessiert uns.

(Zuruf des Abg. Dr. Birk CDU)

Gilt es, oder gilt es nicht? Wenn es nicht gilt, ist die Unterschrift durch Täuschung erreicht worden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Salo- mon Bündnis 90/Die Grünen)

Wenn das Wort des Bundeskanzlers gilt – bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich einmal davon aus, dass auch ein Bundeskanzler, der von Ihnen gestellt wird, immerhin noch ein Wort zu vergeben hat –,

(Lebhafte Unruhe bei der SPD)

werden Sie hier im Landtag von Baden-Württemberg

(Lebhafte Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Heiler: Das ist tolldreist!)

ein Problem bekommen. – Ich habe Ihnen gerade gesagt: Noch gilt für mich das Wort des Bundeskanzlers. Wenn Sie sich darüber erregen, wundert mich das.

(Abg. Heiler SPD: Ehrenwort!)

Zweitens: Wir werden natürlich rechtlich überprüfen, welche Möglichkeiten wir im Blick auf die Atomgesetznovelle haben. Es geht um die Zuständigkeit des Bundesrats, und es wird auch darum gehen, dass wir verfassungsrechtlich unsere Rechte als Land Baden-Württemberg in dem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren – –

(Minister Ulrich Müller)

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sie wissen, dass Sie da nichts zu sagen haben! Das hätten Sie schon lange prüfen können!)

Herr Salomon, ich verstehe ja, dass Sie kein Jurist sind. Das muss auch nicht der größte Schaden sein. Aber versuchen Sie dann bitte nicht, auf diesem Feld irgendetwas zu tun.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salo- mon Bündnis 90/Die Grünen: Gut, dass die keine solchen Juristen wie Sie haben!)

Wenn wir keinen Gesetzentwurf haben, können wir ihn logischerweise auch nicht überprüfen. Das ist ja wohl klar. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden sagen, etwas, was wir noch gar nicht kennen, sei verfassungswidrig.

(Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grü- nen)

Wir stellen nur fest: In dem Moment, in dem wir eine Atomgesetznovelle auf dem Tisch haben werden, wird sie unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten überprüft, und wir werden unsere Interessen wahrnehmen. Wir machen das nicht frühzeitig, aber wir machen es rechtzeitig.

Drittens: Wir werden an den Entsorgungsfragen mitwirken, weil hier die Interessen des Landes Baden-Württemberg unmittelbar berührt sind und weil es im Übrigen in Bezug auf die Entsorgung eine Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gibt, die bislang nicht gekündigt worden ist. Diese Vereinbarung zeigt, dass hier die Interessen des Bundes und die Interessen der Länder berührt sind. Wir gehen nicht so hopplahopp darüber hinweg, dass eine Vereinbarung, die mit uns geschlossen ist, schlicht nicht mehr gelten soll. Wir werden hierauf achten, und wir werden auch verfassungsrechtlich prüfen lassen, zunächst einmal in Form eines Gutachtens, wie das in Bezug auf das ist, was ich einen erpresserischen Tatbestand genannt habe. Das ist ein Verfassungsverstoß, den Sie hier begangen haben.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sie haben keine Ahnung, wie Opposition ist! Das ist das Problem!)

Ich will im Übrigen ganz konkret zu dem Thema Zwischenlager sagen: Bei den Zwischenlagern haben Sie sich ein gewaltiges Problem eingehandelt, weil Sie Zwischenlager sehr viel schneller zur Verfügung stellen müssten, als sie zur Verfügung stehen werden.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Ja!)