Protocol of the Session on May 17, 2000

wesentlich durch ehrenamtliche Elemente geprägt sind. Damit sollen vor allem dem Ehrenamt neue Impulse verliehen werden, ohne dass hauptamtliche Tätigkeit ausgeschlossen wird.

(Unruhe bei der SPD)

In beiden Bereichen, meine Damen und Herren, bildet gerade auch die Jugendförderung einen inhaltlichen Schwerpunkt, sowohl im kulturellen Leben als auch im Sport, gerade in Baden-Württemberg. 44 % aller jungen Menschen – ich glaube, Sie, Kollege Bebber, haben das gesagt – bis zum Alter von 25 Jahren sind Mitglied in einem Sportverein. Dies sollten wir bedenken. Gleichzeitig haben nirgendwo sonst in der Bundesrepublik Deutschland Musikvereine, Musik- und Kunstschulen, Sportvereine und Sportverbände derart beeindruckende Ergebnisse sowohl in der Breitenarbeit als auch in der Spitze zu verzeichnen.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD)

Den vielen Tausend ehrenamtlich Tätigen soll mit der Aufnahme dieser Staatszielbestimmungen in unsere Verfassung auch deutlich gemacht werden, dass ihr Beitrag für eine humane, lebendige Gesellschaft gewürdigt wird. Ihnen soll Mut gemacht werden, sich weiterhin in unserer Gemeinschaft und für sie zu engagieren. Ihr Beitrag ist für unser Gemeinwesen schlichtweg unverzichtbar.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD)

Gerade aus diesen Gründen verstehen wir diese Staatszielbestimmung nicht als Politlyrik. Sie ist weit mehr, sie ist eine Selbstbindung des Staates gleichzeitig auch für unsere Gemeinden, alles in seiner und ihrer Macht Stehende und selbstverständlich im Rahmen des finanziell Möglichen zu tun, damit diese tragenden Säulen in unserer Gesellschaft nicht nur erhalten, sondern auch weiter gestärkt werden, und zwar ohne dass sich der Staat in das Selbstverwaltungsrecht der Träger einmischt. Dies bringen wir noch einmal gesondert zum Ausdruck, indem wir die Autonomie der Träger im Gesetzestext betonen.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zum dritten Punkt: Die weiter gehenden Anträge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen lehnen wir indes ab, nebenbei bemerkt überwiegend auch aus Gründen, die von den Sprechern dieser Fraktionen im Verlauf der bisherigen Debatten zumindest teilweise selbst schon hier genannt wurden.

(Zuruf des Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grü- nen)

Meine Damen und Herren, ein Grundrecht auf täglich blauen Himmel würde ich mir auch wünschen – in Bayern auf weiß-blauen Himmel.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Nicht nur wünschen, umsetzen! – Zuruf des Abg. Oel- mayer Bündnis 90/Die Grünen)

Nur: Ich denke, wir sind uns doch darüber einig, dass keine unerfüllbaren Hoffnungen geweckt werden dürfen, dass die Debatte über Staatsziele nicht zum politischen Schaulaufen werden darf,

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Sehr gut! – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Und über Nordrhein-Westfalen ist der Himmel blau!)

das keine weiteren konkreten Auswirkungen für diese Staatsziele hat. Wir sind uns sicherlich auch darüber einig, dass die Struktur unserer Verfassung erhalten bleiben muss, weil sie den Anspruch erhebt, ernst genommen zu werden.

(Beifall des Abg. Hans-Michael Bender CDU)

Eine Massierung von Staatszielen ist nicht richtig. Die Erfahrungen – das hat der Kollege Kretschmann in der Sitzung vom 12. November 1997 sehr zu Recht gesagt; ich kann jedes Wort nur unterstreichen – zeigen, dass ein umfänglicher Katalog, der in der praktischen Politik nicht eingelöst wird, das Vertrauen in eine Verfassung erschüttern muss.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD)

Verfassungslyrik und Verfassungswirklichkeit dürfen eben nicht auseinander fallen. Dies würde den Grundkonsens über die Verfassung auf Dauer schwächen.

Verfassungen müssen also davor bewahrt werden, Instrumente der Tagespolitik zu werden. Im Gegenteil, meine Damen und Herren, wir müssen eigentlich jetzt schon aufpassen, dass wir die heute eingebrachten Staatsziele nicht konterkarieren und Hoffnungen der Menschen enttäuschen.

Herr Kollege Bebber, im November 1997 sprachen Sie davon, dass bürgerschaftliches Engagement für die demokratische Entwicklung eine zentrale Bedeutung habe und – ich zitiere – dass die vielen ehrenamtlich Tätigen Rahmenbedingungen wollen, „unter denen sie arbeiten können und“ – so haben Sie weiter betont – „steuerlich nicht benachteiligt“ werden.

Dazu kann ich nur sagen: Sehr richtig! Im Sport und bei der Feuerwehr sind ca. 8 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig, 240 Millionen Stunden Arbeit werden monatlich ehrenamtlich geleistet, was einer Wertschöpfung von ca. 5 Milliarden DM entspricht. Wie wollen Sie denen erklären, dass nach den Plänen der Bundesregierung künftig Sozialversicherungsbeiträge für deren ohnehin geringe Aufwandsentschädigung erbracht werden müssen?

(Zuruf des Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grü- nen)

Dies ist doch ein Schlag ins Gesicht für alle, die ehrenamtlich tätig sind.

(Zuruf des Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grü- nen)

Weite Bereiche des Vereinswesens, der praktischen Jugendarbeit und auch weite Teile des Feuerwehrwesens sind ohne diesen Einsatz faktisch überhaupt nicht denkbar. Ich kann deshalb nur davor warnen, unsere Ehrenamtlichen durch Sozialversicherungspflicht zu entmutigen.

(Beifall bei der CDU)

Dies wäre doch ein klassisches Beispiel dafür, wie man durch Staatszielbestimmungen auf der einen Seite Hoffnungen weckt und auf der anderen Seite durch falsche Steuergesetze das Vertrauen in unsere Verfassung und damit das Vertrauen in unseren Staat nachhaltig zerstört.

Herr Kollege Birzele, Sie haben in der Debatte vom 11. März 1998 gefordert – ich zitiere –, dass „die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in den Formen des Ehrenamts und der Selbsthilfe“ als neues Staatsziel hervorgehoben werden muss. Unter anderem hatten Sie – ich zitiere – „bessere steuerliche Rahmenbedingungen und eine Beseitigung bürokratischer Hürden“ gefordert. Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil tritt als Folge des 630-DM-Gesetzes und durch die Unterwerfung der Aufwandsentschädigung ehrenamtlich Tätiger unter die Sozialversicherungspflicht ein.

(Abg. Bebber SPD: Wer hat Ihnen das aufge- schrieben?)

Herr Kollege Oelmayer, deswegen sage ich Ihnen: Die neuen Staatszielbestimmungen nehmen nicht etwa den Staat als abstraktes Gebilde, sondern jeden Einzelnen von uns in die Pflicht.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Aber nicht den Bundestag!)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie und vom Bündnis 90/Die Grünen, ich appelliere an Sie: Nehmen Sie auch Ihre Kolleginnen und Kollegen von Ihrer Berliner Koalition in die Pflicht, damit Ihre Zustimmung zu unserem gemeinsamen Gesetzentwurf nicht zur Politlyrik, zum bloßen Schaulaufen verkommt. Der Schaden wäre weit größer als der Nutzen, den eine Staatszielbestimmung zu leisten vermag.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Abg. Rudolf.

(Widerspruch der Abg. Renate Rastätter Bünd- nis 90/Die Grünen)

Frau Rastätter, es geht nicht nach dem Alphabet, sondern nach der Wortmeldung. Frau Rudolf war längst vermerkt; sie war allerdings nicht anwesend.

(Abg. Renate Rastätter Bündnis 90/Die Grünen: Ich war anwesend!)

Sie ist aber in der Zwischenzeit eingetroffen, und deshalb – –

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Sie wa- ren nicht anwesend, Herr Präsident! – Heiterkeit)

Herr Oelmayer, ich verzichte auf Ihre Belehrung.

(Erneute Heiterkeit)

Frau Rudolf, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Präsident. – Meine Damen, meine Herren! Herr Rech, einfach als Antwort auf Ihre letzten Ausführungen: Sie hatten ja 16 Jahre Zeit, im Bund etwas für den Sport zu tun. Eine Übungsleiterpauschalenerhöhung haben Sie jedenfalls in der Zeit nicht hingekriegt.

(Beifall bei der SPD – Abg. Haasis CDU: Einge- führt haben wir die! – Abg. Seimetz CDU: Sie ha- ben sie kaputtgemacht durch die 630-DM-Rege- lung! – Weitere Zurufe und Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Aber nun zurück zum Landtag. Auch hier muss man einfach feststellen: Was lange währt, wird endlich gut. Seit der letzten Legislaturperiode diskutieren wir nämlich über die Aufnahme des Sports in die Landesverfassung. Vier Jahre hat die CDU gebraucht, um ihr Versprechen gegenüber dem Sport endlich einzulösen. Ich kann nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, dass Sie jetzt auch bei der Einigung der Fraktionen dabei sind, die wir, wie gesagt, schon vor vier Jahren hier hätten haben können.

(Abg. Brechtken SPD: Sehr gut! – Vereinzelt Bei- fall bei der SPD – Abg. Scheuermann CDU: Jetzt ändert sich etwas!)

Aber geradezu zynisch war in dieser Zeit die immer wieder in Ihren Reihen aufgeflammte Diskussion. Da habe ich Ihre Worte, Herr Rech, gerade gar nicht so ganz verstanden. Sie haben ja immer wieder in Ihren Reihen darüber diskutiert, ob man die Formulierung „unter Wahrung der Autonomie der Träger“ nicht weglassen könnte. Da muss ich einfach sagen: Ich verstehe ja schon, dass es Ihnen schwer fällt, die Finger aus den Verbänden in Baden-Württemberg zu lassen, aber dass Sie an dieser Stelle so eindeutig versucht haben, in die Verbände hineinzuregieren, finde ich schon ziemlich dreist.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Was?)

Der größte Hemmschuh in dieser Diskussion war ja, wie man hinter den Kulissen gehört hat, Herr Teufel. Da haben wir wohl Herrn Oettinger zu verdanken, dass er Herrn Teufel endlich bewegt hat, dieser Einigung hier zuzustimmen. Jetzt ist es endlich so weit. Wir beraten nicht nur, wir vertagen nicht nur, sondern der Sport wird heute in die Landesverfassung aufgenommen, ein Versprechen, das dieses Parlament dem Sport, wie gesagt, schon in der letzten Legislaturperiode gegeben hat. Der Sport ist nun mit all seinen Facetten von der schönsten Nebensache der Welt mit diesem gemeinsamen Antrag auf den Stellenwert gebracht worden, den er unseres Erachtens verdient. 3,5 Millionen Menschen sind in Baden-Württemberg im Sport organisiert, und es werden jährlich mehr. Sowohl junge wie alte Menschen finden Zugang zum organisierten Sport. In 11 000 Vereinen wird Sport angeboten, und es handelt sich hier um ein breit gefächertes soziales Netz. Der Sport hat Integrationsfunktion, Gesundheitsfunktion und Umweltschutzfunktionen. Dieser Bedeutung wird heute mit der Aufnahme in die Landesverfassung Rechnung getragen.