Protocol of the Session on February 10, 2000

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst – Bisherige Erfahrungen mit der Reform der Hochschulmedizin – Drucksache 12/4493

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Mauz. – Es ist nicht verboten, seine Wortmeldung durch Handzeichen kundzutun.

Habe ich schon. – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesem Highlight von Fragestunde aus der Luft wieder zurück auf den Boden der Hochschulmedizin. Wir haben jetzt zwei Jahre Erfahrungen mit dieser Reform. In der Koalitionsvereinbarung wurde 1996 festgelegt, die Reform der Hochschulmedizin anzugehen. Das ist ein relativ großes Vorhaben. Es geht um 25 000 Beschäftigte und um 3 Milliarden DM Umsatz.

Warum war diese Reform notwendig? Weil zum einen der Kostendruck auf die Krankenhäuser, auch die Häuser der Maximalversorgung, zugenommen hat, und zum anderen natürlich die Ertragsorientierung in der Medizin einen Druck auf Forschung und Lehre bedeutet, mit nachteiligen Folgen.

Außerdem haben wir zunehmend private Krankenhäuser, private Institutionen, die sich Rosinen aus dem Kuchen der Medizin herausgepickt haben und nur bestimmte Leistungen anbieten, die sie billiger anbieten und so auch in Konkurrenz zu unseren Hochschulkliniken treten.

Was ist die Bilanz der Reform? Nach zwei Jahren kann es eigentlich nur eine Zwischenbilanz sein. Ich meine, die Bilanz ist durchweg positiv ausgefallen, und zwar ganz einfach deshalb, weil alle Beteiligten, die Klinika, die Fakultäten, die Rektorate und auch die Ministerien, gut mitgearbeitet und konstruktiv zusammengearbeitet haben, um unsere Klinika voranzubringen. Ich denke, dies ist das wichtigste Fazit nach diesen zwei Jahren.

Was waren Kernpunkte für diese Reform? Einer der wichtigsten Punkte für uns war, Forschungsmittel nach Leistungskriterien zu vergeben. Bisher sind Forschungsmittel mit der Gießkanne über die Fakultäten, über die einzelnen Abteilungen ausgeschüttet worden, ohne dass es Anreize für die leistungsbezogene Vergabe dieser Mittel gab. Diejenigen, die mit Universitätsklinika zu tun haben, wissen, dass sicherlich in manchen Abteilungen die Forschungsleistung mit zunehmendem Alter der Lehrstuhlinhaber nachlässt und man sich manchmal um etwas andere Dinge als um die Forschung kümmert

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sehr richtig! – Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Um was?)

und trotzdem dann das Geld an die Abteilung ausgeschüttet wird.

Dies wollen wir nicht, und deswegen haben wir einen Anreiz geschaffen, sich vermehrt Forschungsmittel durch Leistung zu erwerben, zum Beispiel durch die Drittmittelbezogenheit von 10 % der Forschungsgelder. Wir sind der Meinung, dass dieser Prozentsatz noch erhöht werden sollte. Er soll, glaube ich, in diesem Jahr auf 15 % erhöht werden. Unsere Forderung ist – ich glaube, da sind wir mit dem Ministerium einig –, dass bei der Vergabe dieser Mittel auch zunehmend der Faktor Lehre einbezogen werden sollte. Wir sollten anstreben, auf 30 % leistungsbezogene Mittelvergabe zu kommen.

(Beifall des Abg. Rech CDU)

Aus unserer Sicht ist vor allem wichtig, die Lehre einzubeziehen. Sie ist manchmal an den medizinischen Fakultäten noch etwas ein Stiefkind; denn sie wird dort nicht so gerne wahrgenommen.

Ein wesentlicher weiterer wichtiger Punkt waren neue Leitungsgremien. Wir haben moderne Strukturen geschaffen: mit einem Aufsichtsrat, mit einem neu strukturierten Klinikumsvorstand. Ich höre aus den Klinika, dass die Aufsichtsräte hervorragend arbeiten und die Hinzuziehung von externen Sachverständigen unterschiedlich gehandhabt wird. Es gibt Klinika, die die Anzahl der externen Sachverständigen verdoppelt und sehr gute Erfahrungen damit gemacht haben, und es gibt andere Klinika, die sich in diesem Punkt eher konservativ verhalten haben.

Man muss aber auf der Grundlage dessen, was man aus den Klinika hört, sagen: Vor allem das Ministerium hat sich konstruktiv verhalten und die Klinika eigentlich ab dem ersten Tag nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an der langen Leine gelassen und nur noch dort, wo es zwingend notwendig ist, mitgemischt. Wer die Ministerien aus langjähriger parlamentarischer Erfahrung kennt, hätte dies ei

gentlich primär nicht vermutet, aber nach dem, was man aus den Klinika hört, muss man wirklich sagen: Das Ministerium hat eigentlich das getan, was im Gesetzentwurf drinstand, und die Klinika im Grunde genommen ein Stück weit in die Freiheit entlassen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Wir haben nachgeholfen! Alle miteinander!)

Das hat auch ohne Nachhilfe geklappt, Herr Kollege.

Neu strukturiert wurde der Vorstand der Klinika. Das heißt, die Verwaltung hat einen stärkeren Einfluss auf die einzelnen Abteilungen der Klinika, und die Pflege hat ein stärkeres Standbein im Vorstand. Dies hat sich, wie man aus den Klinika hört, eigentlich sehr gut bewährt, auch wenn vielleicht manche Abteilungsleiter jetzt meinen, die Verwaltung würde ihnen zu sehr in Verwaltungsangelegenheiten hineinreden. Aber ich glaube, letztendlich ist dies zum Wohl der Klinika und der einzelnen Abteilungen.

Nächster Punkt: Insgesamt hat sich das Image, die Außendarstellung der Klinika wesentlich verbessert. Das, was es für Uniklinika vor wenigen Jahren noch nicht gab – Imagepflege, Kundenbetreuung, Marketing etc. –, wird jetzt groß geschrieben. Jeder, der seit dem Inkrafttreten des Reformgesetzes in einer der Klinika war, hat feststellen können, dass sich die Klinika als Einrichtungen des Staates um Kunden, um Patienten bemühen, wie es auch private Träger von Krankenhäusern machen. Ich denke, dies ist auch ein wesentlicher Gewinn für die Patienten, die in die Klinika kommen.

Die Verwaltungsabläufe haben sich vereinfacht. Wir haben jetzt die Budgetierung in den einzelnen Abteilungen, das heißt, die Stellen sind nicht mehr festgeschrieben. Man kann zwischen Sach- und Personalmitteln hin- und herschieben und so versuchen, eine vernünftige Krankenversorgung, Forschung und Lehre zu verwirklichen.

Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte – und dies war ja damals, Herr Kollege Weimer, in der Diskussion hier in diesem Hause der Hauptpunkt –, ist die Überleitung des Personals in die Tarifgemeinschaft der deutschen Länder. Wir haben es trotz heftigen Widerstands von sozialdemokratisch regierten Ländern am Anfang der Diskussion – es gab einen Finanzminister aus Nordrhein-Westfalen, der den Vorsitz hatte und der sich gewehrt hatte;

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Den gibt es nicht mehr!)

den gibt es jetzt nicht mehr –, trotz anfänglicher Probleme mit sozialdemokratisch regierten Ländern nach langem Hin und Her geschafft, das umzusetzen, was wir mit dem Gesetzentwurf versprochen haben, nämlich in die Tarifgemeinschaft einzutreten und damit die ganzen Unsicherheiten bei der Personalüberleitung auszuräumen. Bei vielen tausend Beschäftigten haben, glaube ich, letztendlich nur 200 oder 300 der Überleitung widersprochen. Dieser Punkt, der uns auch in diesem Hause sehr viel Ärger gemacht hat, war einer der Punkte, die pflichtgemäß und wahrheitsgemäß relativ zügig erledigt wurden.

Es gibt sicherlich auch noch einige Probleme. In diesem Gesetzentwurf sind noch nicht alle Punkte umgesetzt: Entwicklungspläne der Klinika, Zusammenarbeit, Fakultätsvorstände, Fakultätsräte usw. Da gibt es sicherlich noch einiges, was wir in den nächsten Jahren überprüfen müssen, wenn wir noch ein paar Jahre mehr Erfahrung haben.

Sicherlich mit ein Gewinn war die Bauhoheit bei Klinika bis 9 Millionen DM. Nicht ganz unumstritten war, auch nicht zwischen den Ministerien, dass sie jetzt frei vergeben können. Wenn man die Bautätigkeit an den Klinika, was kleinere Projekte betrifft, anschaut, so ist seit dem Inkrafttreten des Reformgesetzes einiges mehr passiert.

Letztendlich glaube ich, die Zukunft unserer Uniklinika ist mit diesem Gesetzentwurf gesichert worden. Wir werden in Zukunft einen noch stärkeren Wettbewerb zwischen einzelnen Krankenhäusern haben, wir werden mehr Wettbewerb zwischen Hochleistungsmedizin, Forschung und Lehre haben, und wir müssen in zwei, drei Jahren sicherlich auch noch einige Strukturen überprüfen, die meines Erachtens zurzeit noch etwas zu kompliziert sind, zum Beispiel das Nebeneinander von Fakultätsvorständen und Klinikumsvorständen.

(Abg. Weimer SPD: So ist es!)

Man kann sich vielleicht einmal vorstellen, nur einen Vorstand zu haben und getrennte Budgets und getrennte Kontrollmechanismen – oder einen Wirtschaftsplan Fakultät. Bis jetzt muss ein vom Fakultätsrat festgestellter Wirtschaftsplan noch durch das Rektorat und den Hochschulrat. Das sind relativ lange Verwaltungsabläufe. Ich bin der Meinung, in zwei, drei Jahren müssen wir die Strukturen noch einmal daraufhin überprüfen, ob es nicht noch Vereinfachungen geben kann.

Insgesamt, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir mit diesem Gesetzentwurf etwas Vernünftiges auf den Weg gebracht. Die Klinika und das Ministerium haben es angenommen. Andere Bundesländer, auch sozialdemokratisch regierte, Herr Kollege Weimer, sind auf ähnlichem Weg wie Baden-Württemberg. Insofern glaube ich, es war ein guter Gesetzentwurf, es war eine gute Leistung, die wir erbracht haben, und es war ein guter Weg, den wir beschritten haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Sehr gut!)

Das Wort hat Herr Abg. Weimer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über ein Gesetz, über dessen Zielsetzungen bei seiner Verabschiedung vor zwei Jahren in diesem Parlament Einvernehmen bestand.

(Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen: Warum dis- kutieren wir überhaupt hier?)

Weil es immer sinnvoll ist, Herr Kollege, nach zwei Jahren einmal eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu überle

gen, inwieweit sich das, was damals beschlossen wurde, bewährt hat.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte, etwas mehr Ruhe zu bewahren.

Damals stand im Raume, dass die Universitätsklinika mehr Autonomie brauchen und vor allem effizienter wirtschaften sollen, und es ging vor allem darum, mehr Transparenz in die unterschiedlichen Finanzströme hineinzubekommen. Das war der Ausgangspunkt. Dies geschah alles in der Absicht, die Universitätskliniken in Forschung und Lehre leistungsfähiger zu machen und sie in der Krankenversorgung fit zu machen für den Wettbewerb, der gerade im Gesundheitswesen immer härter wird und sich immer schärfer entwickelt. Eine Bilanz über die Zielerreichung dieser Reform soll es jetzt schon nach zwei Jahren geben. Insofern, Herr Kollege Zwischenrufer, stimme ich Ihnen zu, es ist in der Tat etwas früh, weil wir auch kein Instrumentarium zur Verfügung haben, um Erfolg und Misserfolg unter dem Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit und der Validität tatsächlich nachzuweisen. Aber dennoch bietet die heutige Debatte Gelegenheit, erste punktuelle Erfahrungen zu bewerten und daraus Rückschlüsse und auch Konsequenzen im Hinblick auf eine notwendige Novellierung in vielleicht zwei Jahren zu ziehen.

(Zuruf des Abg. Jacobi Bündnis 90/Die Grünen)

Der wichtigste Punkt für die SPD – es ist angesprochen worden – war der, dass es gelungen ist, die Tariffähigkeit für die über 20 000 Beschäftigten in den Kliniken herzustellen. Inwieweit nun, Herr Kollege Mauz, das Lob dafür ausschließlich dem Herrn Wissenschaftsminister gebührt, wie das auch die Stellungnahme suggeriert, will ich dahingestellt sein lassen. Ich weiß, dass auch wir nicht untätig waren,

(Zuruf des Abg. Pfisterer CDU)

dass die Mehrzahl der Finanzminister Sozialdemokraten waren und dies immer noch so ist und auch wir ein Stück weit Überzeugungsarbeit einbringen konnten. Aber wie heißt es so schön im Volksmund: Der Sieg hat immer viele Väter, nur die Niederlage ist ein Waisenkind.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Der Erfolg! – Abg. Dr. Mauz CDU: Der Erfolg hat viele Väter!)

So ist es halt in der Politik.

Positiv anzumerken, meine Damen und Herren, ist zweitens, dass die leistungsbezogene Mittelzuweisung eingeführt wurde. Allerdings ist es etwas kühn, auch in dieser Frage auf die Vorreiterrolle von Baden-Württemberg zu verweisen. Andere Bundesländer sind bei diesem Thema weiter. Zum Beispiel hat Zöllner in Rheinland-Pfalz schon vor vier Jahren die leistungsbezogene Mittelzuweisung eingeführt. Aus meiner Sicht spricht im Übrigen sehr viel dafür, über das Kriterium Drittmittel als Indikator hinaus auch andere Kriterien ins Auge zu fassen. Ich sage nur die Stichworte Nachwuchsförderung und Frauenförderung. Auch Ausbildungsplätze in den Klinika können in Zukunft

damals, die Tariffähigkeit in der TdL, Gott sei Dank gelöst ist.

Herr Abgeordneter, ich darf Sie auf das Ende Ihrer Redezeit hinweisen.

Ich sehe die Uhr, und ich bin gleich fertig, Herr Präsident.