Protocol of the Session on February 10, 2000

(Unruhe – Abg. Hehn CDU: Und wie ist die Gegenfinanzierung? – Abg. Haasis CDU: Thema verfehlt! – Weitere Zurufe)

Herr Finanzminister, marschieren Sie mit einer Bundesratsinitiative voraus, und schlagen Sie zum Beispiel die Abschaffung der Steuerarten auf Landesebene vor, bei denen der Erhebungsaufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag der Steuer steht wie zum Beispiel bei der Sportwettsteuer, den Rennwettsteuern oder der Totalisatorsteuer. Aber auch die Biersteuer ist ein überkommenes Relikt, wenn man bedenkt, dass das Bier in Baden-Württemberg pro Jahr mit 125 Millionen DM besteuert wird, der Wein hingegen steuerfrei ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr gut!)

Daran erkennt man, dass keinerlei Steuersystematik vorhanden ist. Gehen Sie deshalb nicht immer auf den Bund los, sondern gehen Sie mit gutem Beispiel bei den Landessteuern voran! Denn hierfür sind Sie verantwortlich, und hierzu können Sie eine Bundesratsinitiative ergreifen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Finanzminister, nicht nur auf der Einnahmeseite sind Sie der Finanzminister, der die besten Verhältnisse seit mehr als zehn Jahren vorfindet. Auch auf der Ausgabenseite müssten Sie nur die Steilvorlage von Hans Eichel umsetzen. Denn das Zukunftsprogramm von Bundesfinanzminister Eichel wird von den Bürgerinnen und Bürgern sehr wohl verstanden. Sein Sparkurs wird gesellschaftlich akzeptiert, und das hohe Ansehen, das sich Eichel innerhalb weniger Monate erworben hat, zeigt: Bei den Bürgern ist die Bereitschaft zum Sparen vorhanden.

(Beifall bei der SPD)

Sicherlich muss dabei immer wieder deutlich werden, wofür wir sparen, nämlich um die soziale Gerechtigkeit in un

serer Gesellschaft auch morgen durch einen handlungsfähigen Staat garantieren zu können. Wir brauchen für unsere Kinder nicht nur eine solide Ausbildung und eine halbwegs intakte Umwelt, sondern wir haben auch die Pflicht und Schuldigkeit, ihnen die Möglichkeit der finanzpolitischen Selbstbestimmung zu erhalten.

Es muss in das Bewusstsein der Menschen hinein: Nur ein sparsamer Staat kann auch in Zukunft soziale Gerechtigkeit garantieren. Das Traurige ist: Sie machen nicht weiter wie in den Neunzigerjahren, sondern Sie machen einen Salto mortale zurück in die Zeiten des Späth’schen Ausgabenabsolutismus.

(Beifall bei der SPD)

Statt nun, wo die Wachstumsraten zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt wieder, übrigens auch – ich betone ausdrücklich: auch – aufgrund der richtigen Vorgaben aus Berlin, mehr als 3 % betragen werden, in dieser Situation die Staatsverschuldung zurückzuführen, erhöhen Sie sie sogar noch, wie ich vorhin bei der Nettokreditaufnahme gezeigt habe. Das heißt, Sie haben Ihre Hausaufgabe nicht gemacht, Sie haben nicht einmal das kleine Einmaleins der antizyklischen Finanzpolitik umgesetzt. Finanzwissenschaftler sagen, dass der Crowding-out-Effekt einer permanenten öffentlichen Kreditnachfrage zu einem zu hohen Niveau der Realzinsen geführt hat. Dieses hohe Niveau der Realzinsen hat bei einem kleinen, vermögenden Teil in unserer Gesellschaft zu immer höheren Zinseinnahmen geführt, und dies auf Kosten all derjenigen, die die Zinsen bezahlen müssen.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, müsste doch etwas weniger Staat gerade Ihnen entgegenkommen. Wenn der Staat nicht permanent als Kreditnachfrager am Kapitalmarkt überproportional auftritt, hilft dies, die Realzinsen zu senken. Das ist gut für die Häuslebauer in unserem Land, das ist gut für die Klein- und Mittelbetriebe, die sich Fremdkapital für Investitionen besorgen müssen, und das ist gut für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Moser SPD: Sehr gut!)

Selbst wenn ich Sie nicht davon überzeugen kann, dass es zur Eichel’schen Sparpolitik in prosperierenden Zeiten keine Alternative gibt, vielleicht bringt Sie dann der ehemalige Leiter der Planungsgruppe im Konrad-Adenauer-Haus, Warnfried Dettling, zum Nachdenken. Dettling lobt die Steuer- und Sparpolitik der Bundesregierung als eine andere soziale Philosophie für das 21. Jahrhundert und attestiert ihr: Erstmals wurde bei der sozialen Frage die Zukunft mitbedacht. Meine Damen und Herren, dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Was die Kontinuität und die Verlässlichkeit der CDUHaushaltspolitik anbetrifft, habe ich hier ein Flugblatt der CDU-Fraktion, bei dem ein Bild von Herrn Oettinger wie folgt untertitelt ist: „Haushaltspolitik für das kommende Jahrhundert!“ Wir wären eigentlich froh gewesen, wenn Sie hier wenigstens Ihre Hausaufgaben für die nächsten beiden Jahre richtig gemacht hätten.

(Abg. Wieser CDU: Wir haben unsere Hausaufga- ben gemacht! Das wissen Sie!)

Ja, ich bin noch bescheidener, Kollege Wieser: wenn Sie wenigstens für dieses Jahr ein Zahlenwerk vorgelegt hätten, das nicht bereits vor der Auslieferung das Prädikat „Altpapier“ verdient hätte. Ich zitiere aus Ihrer Broschüre:

Der Haushalt ist so weitsichtig angelegt, dass aller Voraussicht nach im kommenden Jahr kein Nachtragshaushalt nachgeschoben werden muss.

(Lachen bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Papier ist geduldig!)

So weit das Zitat, publiziert vor vier Monaten. Bereits im letzten Monat haben Sie einen Nachtrag für den Herbst angekündigt. So viel zum Thema „Verlässlichkeit und Planbarkeit“.

(Beifall bei der SPD)

Herr Scheffold, Sie haben mir vorgeworfen, der Ausdruck „Ausgabenwut“ sei verfehlt. Während das SPD-Konzept abschließend – ich betone: abschließend – unsere Ausgabenvorstellungen für die Jahre 2000 und 2001 umfasst, stellt Ihr jetziger Haushaltsentwurf von CDU und FDP/ DVP nur einen Teil Ihrer Ausgabenwünsche dar. Selbst hier sind wir der Meinung, dass Sie in Ausgaben schwelgen, die völlig unnötig sind, wie zum Beispiel die 30 Millionen DM für die Imagekampagne, das Festhalten am Standortbeauftragten, die Weigerung, die Ämter für Flurneuordnung und das Vermessungswesen zusammenzulegen, und schließlich die völlig unnötige Schuldendiensthilfe für den Stuttgarter Flughafen.

Aber das Entscheidende ist: Sie wollen ja im Nachtrag 1 Milliarde DM zusätzlich unters Volk streuen und auch die Erlöse aus der „Erwin-Teufel-Stiftung“ als Volksbeglückungsprogramm ausgeben. Dies kann ich unter wahlkampfstrategischen Überlegungen nachvollziehen, aber mit einer soliden Finanz- und Haushaltspolitik hat dieses Verhalten nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen Auseinandersetzungen im Detail geht es mir um die große Linie. Konsolidieren wir wirklich? Sparen wir wirklich? Ändern wir die Richtung der Finanzpolitik nachhaltig? Diese Fragen kann man nur vom Ende her beantworten. Man muss schauen, was hinten rauskommt.

(Heiterkeit – Abg. Wieser CDU: Heiße Luft!)

Am 1. Januar dieses Jahres betrugen die Landesschulden 59,6 Milliarden DM. – Jetzt hören Sie zu; das sind Zahlen und Fakten.

(Zuruf des Abg. Wieser CDU)

59,6 Milliarden DM! Nach dem Entwurf der Landesregierung werden sie bis zum 31. Dezember 2001 63,3 Milliarden DM betragen. Nach dem finanzpolitischen Konzept der SPD-Fraktion betrügen die Schulden am 31. Dezember 2001 hingegen nur 58,8 Milliarden DM.

(Abg. Wieser und Abg. Hans-Michael Bender CDU: „Nur“!)

Dies bedeutet: Nach dem Konzept der SPD hätten wir am 31. Dezember 2001 800 Millionen DM weniger Schulden als zu Beginn dieses Jahres, und wir hätten 4,5 Milliarden DM weniger Schulden, als die Planungen der Landesregierung vorsehen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Wieser CDU: Wir werden jetzt alle SPD-Anträge prüfen, Herr Kolle- ge!)

Egal, mit welchen Maßnahmen im Einzelnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dies ist der Kern unserer Botschaft: Die Regierung erhöht die Schulden auch in diesen wirtschaftlich guten Zeiten, während die SPD in konsequenter Verfolgung der Eichel-Linie und in Kontinuität unserer Regierungsbeteiligung hier in diesem Lande erstmals tatsächlich Schulden abbauen würde. Das ist der Kern.

Ich danke Ihnen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Abg. Hans-Mi- chael Bender CDU: Ich sage nur „Altersteilzeit“!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte in dieser dritten Lesung versuchen, ein Fazit zu ziehen, weil wir viele Tage im Ausschuss wie auch hier im Plenum über Einzelheiten des Haushalts diskutiert und gesprochen haben.

Das erste Fazit, das ich für meine Fraktion aufgrund von Zahlen, auf die ich noch einmal eingehen werde, Herr Kollege, ziehen möchte, ist, dass die Regierung Teufel den Konsolidierungskurs, den es Mitte des Jahrzehnts wirklich gegeben hat, mit diesem Doppelhaushalt endgültig abgebrochen hat. Ich habe schon die Zahlen zitiert: 1992 1,95 Milliarden DM Nettoneuverschuldung, 2000 1,9 Milliarden DM. Man kann natürlich sagen, eine solche Zahl erfahre bei unterschiedlichem Haushaltsvolumen eine unterschiedliche Bedeutung. Aber ich möchte doch eines deutlich machen: Wie die Regierung arbeitet, wird an nichts klarer als an der Art und Weise, wie sie bei den verschiedenen mittelfristigen Finanzplanungen die Eckpunkte variiert und die Begründungen verändert.

Wir hatten in der mittelfristigen Finanzplanung von 1996 bis 2000 für die Nettoneuverschuldung im Jahr 2000 eine Veranschlagung in Höhe von 750 Millionen DM. Als dann 1997 und 1998 die Steuereinnahmen aufgrund einer falschen Steuerpolitik in Bonn abgebrochen sind – –

(Widerspruch bei der CDU)

Natürlich, die Sonder-AfA Ost hat bei der veranlagten Einkommensteuer zu massiven Einbrüchen geführt. Das können Sie doch nicht abstreiten, wenn Sie die Fakten kennen.

(Abg. Wieser CDU: Sie sprechen wie Lafontaine! – Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Als diese Einnahmen so massiv zurückgegangen sind, hat man diese Neuverschuldung auf über 2 Milliarden DM erhöht. Als dann 1999 die Einnahmen wieder massiv gestie

gen sind, hat man es bei über 2 Milliarden DM belassen, um dann um 300 Millionen DM auf 1,9 Milliarden DM zurückzugehen, was man dann als Konsolidierung verkauft hat.

Da frage ich doch: Warum sind Sie, wenn Sie ehrlich wirtschaften und ehrliche Pläne aufstellen, bei dem deutlichen Plus der Steuereinnahmen nicht wieder auf die 750 Millionen DM Nettoneuverschuldung für 2000 heruntergegangen, die Sie ursprünglich veranschlagt hatten? Darin, wie Sie hier mit den Zahlen umgegangen sind, wird ganz deutlich, dass Ende 1999 in der Finanzpolitik des Landes Baden-Württemberg ein Kurswechsel weg von der Konsolidierung stattgefunden hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Man kann dies ganz einfach personifizieren. Im Vergleich zum „Sparrambo“ Mayer-Vorfelder ist Herr Stratthaus, was das Sparen angeht, eher eine Art Schatten-Parker, um das unparlamentarische Wort „Weichei“ hier nicht zu benutzen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des Bündnisses 90/ Die Grünen)

Meine Damen und Herren, wer bei den starken Einnahmen, die wir gegenwärtig haben, die vorgesehene Nettoneuverschuldung pro Haushaltsjahr nur um 300 Millionen DM senkt, hat meines Erachtens den Anspruch auf Konsolidierung verloren.

Wenn man jetzt den Haushalt anschaut und in seiner Gesamtheit wägt, muss man natürlich einmal auf die Haushaltsrisiken eingehen, die in dem Haushaltswerk in längeren Zeiträumen stecken. Ich will zuerst den Anstieg der Versorgungslasten nennen, der vor uns liegt. Wenn man diese Zahlen kennt, wird man die Frage, wann wir zu einer Nettoneuverschuldung von null oder gar zu einer Schuldenrückzahlung kommen, ganz anders diskutieren.