(Abg. Krisch REP: Dann lesen Sie bitte das Proto- koll, Herr Minister! Das müssten Sie wenigstens können: lesen! – Weitere lebhafte Zurufe)
Meine Damen und Herren, die Grünen haben eine Debatte beantragt: Lothar und die Landesklimaschutzpolitik. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese Debatte nicht aus etwas durchsichtigen Gründen hier überhaupt auf die Tagesordnung gekommen ist. Ein aktueller Aufhänger auf der einen Seite und eine Schuldzuweisung auf der anderen Seite, das macht sich vielleicht ganz gut. So ein bisschen nach dem Motto „Ohne Erwin keinen Lothar!“ So könnte man sich das vorstellen.
Aber ich möchte das Thema nichtsdestoweniger ernst nehmen. Man sollte auch jemandem, der vielleicht aus etwas durchsichtigen Motiven eine Diskussion anstößt, dafür danken, dass er andere veranlasst, etwas Vernünftiges dazu zu sagen. Ich nehme das Thema ernst und ich will vorab ein paar Punkte herausstellen, in denen wir auf jeden Fall Gemeinsamkeiten haben, und die Gemeinsamkeiten will ich unterstreichen.
Der erste Punkt ist ganz einfach: Wir haben ein Problem. Wir haben ein Problem, das sich in Klimaveränderungen ausdrückt, das etwas mit dem Verhalten der Menschen zu tun hat, das ein weltweites Problem ist und dem wir uns auf jeden Fall – je länger, je mehr – zu stellen haben. Es gibt die Zusammenhänge, zumindest in einer Art und Weise, dass sie uns Anlass geben, zu handeln.
Zweitens: Es muss, glaube ich, klar sein, dass es eine Hierarchie von Problemen, von Lösungsansätzen, von Instrumenten gibt, dass es wichtigere und weniger wichtige Din
ge gibt, eine Hierarchie in dem Sinne, dass es weltweit, europaweit, bundesweit, landesweit, kommunal und beim Bürger zu lösende Probleme gibt. Wir sollten bei der Frage, was zu tun ist, außerordentlich rational vorgehen, rational in dem Sinne, dass wir uns über die Belastungsbeiträge und über die Handlungsmöglichkeiten klar sind. Deswegen sollten wir nicht von vornherein so sehr auf die Landesebene zu sprechen kommen, obwohl das selbstverständlich unser Verantwortungsbereich ist. Das ist keine Frage. Aber man muss an Folgendes denken: Wenn wir beispielsweise Ziele formulieren oder Ziele von anderen übernehmen, nämlich Verdoppelung der regenerativen Energie, Senkung des CO2-Ausstoßes, dann heißt das nicht, dass wir auch diejenigen sind, die allein die Instrumente dafür in der Hand haben. Wir bekennen uns zu den Zielen und wollen den uns möglichen Beitrag leisten, aber wir müssen sehen, dass andere auch einen Beitrag zu leisten haben.
Aber ich will drittens sagen: Es sollte für uns eine Selbstverständlichkeit sein, sowohl bei der Diagnose als auch bei der Therapie keinen falschen Attentismus zu haben. Was meine ich damit? Wir können nicht sagen: Wir handeln erst dann, wenn alles bewiesen ist. Wir haben genügend Indizien, die uns dazu veranlassen, zu sagen, dass heute Notwendigkeit zum Handeln besteht.
Weiter: Wir haben auch keine Veranlassung, zu sagen: Solange andere nichts tun, tun auch wir nichts. Damit stimme ich auch überein. Beides ist richtig.
Schließlich noch eine Gemeinsamkeit, die ich voranstellen will: Letztlich geht es nicht so sehr um den politischen Streit, sondern es geht in erster Linie um das Verbrauchsverhalten von Wirtschaft und Bürgern; sie sind diejenigen, die ganz am Ende über die Menge der Energieverbräuche entscheiden, die mit ihrem Verhalten und auch mit ihrer Bereitschaft, unpopuläre Maßnahmen mitzutragen, darüber bestimmen, was durchsetzbar ist und was nicht.
Man muss auch, wie ich meine, in der Öffentlichkeit ganz simpel deutlich machen: Es geht beim CO2-Ausstoß nicht um ein technisch lösbares Verschmutzungsproblem, sondern um ein Mengenproblem, um ein Verbrauchsproblem. CO2 entsteht immer in dem Maße, in dem fossile Brennstoffe verbrannt werden. Deswegen ist es eine Mengenfrage, die sich nicht mit dem Einsatz von Filtern oder mit sonst etwas aus der Welt schaffen lässt, sondern die sich nur durch eine Reduktion des Verbrauchs lösen lässt.
Jetzt möchte ich eingedenk dessen, was ich gesagt habe, nämlich dass es eine Hierarchie von Problemen und von Lösungsansätzen gibt, in aller Kürze und Klarheit versuchen, diese Hierarchien abzuarbeiten.
Ich fange beim weltweiten Maßstab an. Die Staatengemeinschaft hat weltweit mit den Konferenzen von Kioto und von Buenos Aires grundsätzlich schon einmal das Richtige gemacht, indem sie CO2-Minderungsziele aufgestellt hat, indem sie sie den Staaten überantwortet hat und indem grundsätzlich das Thema von international handelbaren Zertifikaten, von internationaler Umweltschutzpolitik formuliert worden ist.
Dazu will ich sagen: Manche, etwa aufseiten der Grünen, haben ein gespaltenes Verhältnis zu einem solchen Zertifikatehandel. Da sagt man lieber, das sei Ablasshandel, und die Formulierung „Verschmutzungsrechte“ klinge so, als hätte man dann das Recht, mehr zu verschmutzen. Wenn wir nicht solche Instrumente einführen, die eine globale und effiziente Umweltpolitik realisieren, haben wir überhaupt keine Begrenzung. Insofern ist es richtig, dass so etwas international angeboten wird. Übrigens würde ich von der Bundesregierung erwarten, dass sie langsam anfängt, solche Instrumente in die eigene Klimaschutzpolitik zu übersetzen.
Ich will das, was das Weltweite anbelangt, noch mit zwei kritischen Bemerkungen abschließen. Die eine kritische Bemerkung bezieht sich auf das, was unter dem Stichwort WTO-Verhandlungen abläuft. Dabei haben leider ökologische Gesichtspunkte einen viel zu geringen Stellenwert. Insofern ist da eine harte Verhandlungsposition der Bundesregierung, wie sie sie an den Tag gelegt hat, auch begrüßenswert. Wir unterstreichen das.
Ich kritisiere ausdrücklich auch die Position der USA in vielen dieser Fragen. Das gilt sowohl für Kioto als auch für die WTO-Konferenz. Das ist wirklich kritikwürdig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Rech CDU zur SPD: Mutig und ehrlich!)
Wir kommen zur europäischen Ebene. Die europäische Ebene hat, wie ich meine, zunächst einmal ganz einfach das umzusetzen, was auf globaler Ebene vereinbart worden ist. Das tut sie ein Stück weit auch. Ich habe da auch ganz konkrete Vorstellungen, wo sie noch etwas zu tun hat. Wenn es beispielsweise darum geht, solche handelbaren Rechte zu installieren, sollte sie den Mitgliedsländern der Europäischen Union – jetzt komme ich tatsächlich auf das Stichwort „Quotenmodell“ zu sprechen –, die so etwas vorhaben, nicht mit dem Einwand nichttarifärer Handelshemmnisse kommen. Das Ziel, CO2 zu reduzieren, ist vielmehr ein Ziel der Europäischen Union. Wenn die Europäische Union dieses Ziel hat, muss jedes einzelne Mitgliedsland der Europäischen Union das gleiche Ziel haben können, und dann darf uns nicht mit Liberalisierungsüberlegungen in den Arm gefallen werden, wenn wir zu entsprechenden Maßnahmen kommen wollen, beispielsweise der, Importstrom in ein solches Quotenhandelsmodell einzubeziehen.
Das Energiesparprogramm, das die Europäische Union vorgesehen hat – da ist es gerade in diesen Tagen zu einem Konsens gekommen –, ist ein richtiger Ansatzpunkt. Einen richtigen Ansatzpunkt gibt es auch bei der Frage, wie viel CO2 die Autos der Zukunft im Jahr 2005 oder im Jahr 2010 emittieren dürfen. Da können die Normen meines Erachtens gar nicht streng genug sein.
Die Landesregierung würde jede Verschärfung von Normen auf diesem Gebiet begrüßen. Es ist richtig, dass hier etwas geschieht. Wir sind auch dafür, dass das Flugbenzin auf europäischer Ebene höher besteuert wird; das ist überhaupt keine Frage.
Übrigens, weil Sie gesagt haben, wir sollten da etwas tun: Das hat der alte Bundestag beschlossen, und es steht in der
neuen Koalitionsvereinbarung. Nur steht in der neuen Koalitionsvereinbarung natürlich genau dasselbe, was schon früher das Problem war: Wir schaffen das nur auf europäischer Ebene.
Wenn Sie da etwas von uns verlangen, rennen Sie, kann ich nur sagen, bei uns absolut offene Türen ein. Gehandelt werden muss auf der Ebene zwischen dem Bund und Europa. Mit dem Land Baden-Württemberg hat das nun herzlich wenig zu tun.
Sie könnten uns kritisieren, wenn wir das für falsch halten würden, auch wenn wir darauf keinen Einfluss haben. Immerhin kommt es ja auch immer darauf an, was man von den Dingen hält. Aber wir halten es gar nicht für falsch. Ich kann nur sagen: Es sollte kommen. Das ist kein Problem.
(Abg. Drexler SPD: Aber Sie machen doch eine Kampagne dagegen! Sie machen eine Kampagne gegen diese Geschichte!)
Zum Flugbenzin gibt es einen einstimmigen Beschluss sämtlicher Bundestagsfraktionen aus der letzten Legislaturperiode.
Jetzt kommen wir zur nationalen Ebene. Hier ist eine Reihe von Ansatzpunkten zu sehen. Ich nehme einmal einen Punkt heraus, bei dem sich die Bundesregierung zurzeit Gedanken macht. Das ist ein sehr unpopulärer Punkt, und ich kündige Ihnen schon an: Wir werden Ihnen, auch wenn der Punkt unpopulär ist, nicht in den Arm fallen. Es geht um das Thema „Wärmeschutzverordnung im Altbaubereich“. Im Neubaubereich haben wir relativ strenge Vorschriften. Übrigens hat das – das nur nebenbei – noch die alte Bundesregierung gemacht. Wir waren also auf diesem Gebiet auch keine Waisenknaben, solange wir regiert haben.
Ich könnte noch ein paar andere Beispiele bringen. Das von Ihnen so hoch gehaltene Stromeinspeisungsgesetz ist ein Kind der Union.
Die Themen Bahnreform, Bahnentschuldung und „Mineralölsteuererhöhung zugunsten der Bahnentschuldung“ beruhen alle auf Entscheidungen der Union. Das nur nebenbei.
(Abg. Bebber SPD: Man sollte sie dann auch jetzt nicht kritisieren! – Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen: Warum macht ihr dann in Schleswig-Hol- stein eine Kampagne dagegen?)
Man sollte nicht annehmen, dass die Umweltpolitik jetzt in irgendeiner Weise neu erfunden wird. Die Bundesregierung baut vielmehr auf guten Instrumenten auf, die wir geschaffen haben.
Aber zurück zur Wärmeschutzverordnung im Altbau. Da kann es für die Leute unangenehm werden, weil ich beim Neubau natürlich sehr viel leichter etwas durchsetzen kann, als wenn ich etwas bei Altbauten verlange. Ich bin gespannt, was es da an Konzepten geben wird. Da geht es um große Beträge: um große Entlastungsbeträge, aber auch um große Belastungsbeträge für Wohnungseigentümer.
Ein anderer Ansatzpunkt ist das Thema Schienenverkehrspolitik. Was geschieht im Schienengüterverkehr?
Da gibt es ein großes Defizit; das ist gar keine Frage. Da können wir vonseiten des Landes natürlich ein paar Mark drauflegen, und das machen wir auch. Wenn wir das Zehnfache drauflegen würden – wir geben im nächsten Jahr wieder 2 Millionen DM aus; das ist eine Lächerlichkeit, das weiß ich auch –, wären es 20 Millionen DM, aber selbst das würde die Probleme nicht lösen. Wir brauchen bundesweit und europaweit eine andere Schienengüterverkehrsstrategie.
Ich hoffe, dass da vonseiten der DB entsprechende Konzepte kommen und dass sie dann auch durch den Bund unterstützt werden.
Als Drittes kommt man an dem Thema Kernenergie nicht vorbei. Herr Kretschmann, man kann es drehen und wenden, wie man will: Sie können die Probleme und Gefahren der Kernenergie beschreiben; aber dass es einen Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und einer Energieproduktion gibt, die keine fossilen Quellen verbraucht, ist mit Händen zu greifen.
Baden-Württemberg hat ganz konkret einen Ausstoß von CO2 pro Kopf und Jahr von ungefähr siebeneinhalb Tonnen. Im Bundesdurchschnitt sind es zehneinhalb Tonnen. Warum? Weil Baden-Württemberg einen doppelt so hohen Kernkraftanteil hat. Das ist mit Händen zu greifen.