(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen zu Abg. Hans-Michael Bender CDU: Hans-Michael, wolltest du eine persönliche Erklärung abgeben? – Heiterkeit)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Reinelt, da wir, glaube ich, zusammen in den Landtag gekommen sind, hat mich Ihre Rede schon berührt. Deswegen will ich der Antwort darauf einen besonderen Stellenwert beimessen. Sie hat mich berührt wegen Ihrer melancholischen Betrachtungen voller Abschiedsnostalgie. Der vorliegende Etat ist in der Tat auch mein letzter Etat. Darüber soll gar kein Zweifel bestehen. Der Unterschied zwischen uns besteht darin, dass Sie im Grunde ein Fossil aus der Eppler-Zeit sind, was für mich nicht gilt.
Ich bitte, das aber nicht vorschnell misszuverstehen. Für mich hat Herr Eppler durchaus Vorzüge gehabt, etwa seine Überzeugungstreue, seine Ehrlichkeit und auch seine Grundauffassung, dass wir nicht Strukturkonservative, sondern Wertkonservative sein sollen. Ich bin so altmodisch, dies weit besser zu finden als den derzeitigen Bundeskanzler in seiner Schwankungsbreite, der ja neulich auf dem Bildungskongress der SPD bei bescheidenem intellektuellem Einsatz und noch weniger Kenntnissen Ansichten statt Einsichten geäußert hat und dabei mit links jahrelange bildungspolitische Traditionen der SPD auf den Müll gekehrt hat, und zwar in einer ganz ungewöhnlichen Art und Weise.
Was mich angeht, bin ich gut genug, um zu wissen, dass zwar ich ersetzbar bin, dass aber nicht mein Haus ersetzbar ist. Das will ich auch begründen.
Berücksichtigen Sie bitte, dass sich ein Haus mit seinen Aufgaben auch verändert. Wir haben das Hochschulmedizinreformgesetz gemacht, das vor zwei Jahren in Kraft getreten ist. Wir haben jetzt Bilanz gezogen. Es hat sich hervorragend bewährt. Das ist uns in Ludwigsburg bei unserer Tagung rundum bestätigt worden. Für unser Haus bedeutet das, dass wir aus zwei Klinikreferaten ein Klinikreferat gemacht haben, dass von 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur noch 13 im Referat sind und auch dies noch nicht der letzte Schritt in dieser Richtung ist. Aber – das haben noch nicht alle in diesem Haus rezipiert – bedenken Sie bitte auch, dass wir ganz neue Aufgaben haben. Es war der Wunsch der Regierungsfraktionen, lieber Herr Pfister, dass dieses Haus in allen Hochschulräten vertreten ist. In 50 Hochschulen haben wir künftig vertreten zu sein, aber nicht durch irgendjemanden, sondern durch gut ausgewiesene Mitarbeiter, die kundig und eloquent den Hochschulrat in seiner Arbeit unterstützen sollen –
Außerdem hat dieses Haus immer wieder für Zielvereinbarungen plädiert. – Das war übrigens eine der wenigen neuen Erkenntnisse dieser Debatte, Herr Kollege Salomon, dass Ihre früheren Auffassungen zur Autonomie und zur Selbststeuerung offenbar so nicht mehr aufrechterhalten werden. Dabei dachte ich, wir nähmen damit ein besonderes Anliegen der Grünen wahr. Aber wie auch immer, die Zielvereinbarungen werden auch neue Aufgaben und ein neues Aufgabenprofil zur Folge haben. Im Ergebnis: Sie, meine Damen und Herren, werden einen Anspruch darauf haben, dass sich unser Haus neu definiert, aber es wird keineswegs bedeutungsloser.
Im Übrigen, Herr Pfister: Sie haben gesagt, ich wäre dann nicht mehr dabei. Das ist richtig. Ich wünsche der FDP/ DVP, dass sie dann noch dabei ist.
(Lachen bei der FDP/DVP – Abg. Pfister FDP/ DVP: Keine Sorge, Herr Minister! – Abg. Dr. Sa- lomon Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt wird es aber intellektuell hochtrabend!)
Herr Reinelt hat gesagt, ich hätte Misstrauen gegenüber den Hochschulen. Überhaupt nicht! Ich will hier deutlich sagen: Ich bin stolz auf das, was die Hochschulen in Baden-Württemberg leisten. Denn sie sind in dieser Leistungskraft ganz vorn in Deutschland. Dafür gibt es zahlreiche Belege, und das sollte hier auch bekannt sein. Ich bin sehr dankbar, dass auch Frau Vossschulte und Herr Pfister dies deutlich gemacht haben. Wenn ich dennoch so zielstrebig auf Reformen dränge, liegt das an meiner Grundüberzeugung: Die Menschen kann ich nicht beliebig verändern, die Institutionen aber durchaus. Daraus folgt für mich die Verpflichtung, unsere Institutionen kritisch zu analysieren und Konsequenzen daraus zu ziehen.
Ich habe auch überhaupt kein Misstrauen gegen die Studierenden, Herr Reinelt. Ich will Ihnen Folgendes sagen: Ich habe in zehn Jahren Amtszeit niemals von „faulen Studierenden“ geredet, niemals. Sie werden mir keine solche Äußerung nachweisen können, und nichts liegt mir ferner als Menschenverachtung, weder gegenüber Studierenden noch gegenüber sonst jemandem.
Im Gegenteil, diese Generation, die derzeit studiert – ich habe viel Kontakt mit ihr –, ist leistungsorientiert, fleißig und auch karrierebewusst. Sie ist sehr aufgeschlossen – wie schon lange keine Generation zuvor. Sie ist ganz anders als Ihre Lieblingsgeneration, die 68er, die Schaden genug angerichtet hat.
(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Das ist dann wohl eher Ihre Generation, wenn ich das richtig sehe!)
Richtig. Ich habe aber damals dagegengehalten. Das war schwierig genug, hat meiner politischen Karriere allerdings sehr gut getan, Herr Kollege Salomon.
Ich weiß nicht, ob ich heute hier wäre, wenn ich mich nicht gegen die damaligen Bestrebungen gewandt hätte. Dies hat mir Renommee verschafft; dazu bekenne ich mich.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Haushaltsplan, einen dicken Wälzer voller Zahlen, vor sich. In weiten Teilen schreibt er die Vergangenheit fort; das ist gar nicht anders zu erwarten. Dies allein wäre allerdings zu wenig; Haushaltszahlen müssen vielmehr Ziele widerspiegeln und Chancen eröffnen. Mit dem Haushalt 2000/2001 eröffnen wir die zur Umsetzung dieser Ziele erforderlichen Handlungsspielräume.
Aus Zeitgründen möchte ich mich auf fünf Schwerpunkte beschränken. Ich will zuerst etwas zur neuen Finanzverfassung sagen. Es wird Sie nicht überraschen, dass ich damit unsere Hochschulreform anspreche, nämlich das wichtigste Reformprojekt meines Ressorts in dieser Legislaturperiode.
Baden-Württemberg hat mit der dritten Stufe – wie uns immer wieder bestätigt wird; einschlägige Zitate sind ja auch heute schon zitiert worden – eine bundesweite Vorreiterrolle übernommen.
Es war in der Tat Manfred Erhardt, der ein hervorragender Experte ist, Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, der vor kurzem in Stuttgart geäußert hat, Baden-Württemberg habe „wohl das fortschrittlichste Hochschulgesetz deutscher Länder“. Ein weiterer Kenner und Beobachter der deutschen Hochschullandschaft, Herr Professor Müller-Böling vom Centrum für Hochschulentwicklung, hat uns mehrfach bescheinigt, dass unsere Hochschulreform die konsequenteste und auch die weitestgehende ist.
Tragende Ziele der Reform sind die Stärkung der Selbststeuerungskompetenz durch Autonomie, die Optimierung der Qualität durch Leistungsorientierung und schließlich die Steigerung der Konkurrenzfähigkeit durch Wettbewerb. Dabei kommt der Finanzreform eine Schlüsselfunktion zu. Mit ihr haben wir die Selbststeuerungsfähigkeit der Hochschulen in einem bisher nicht gekannten Maß gestärkt. So weit sind wir uns, hoffe ich, einig.
Indem wir die Detailsteuerung zurücknehmen, fördern wir die Bereitschaft, aber auch die Verpflichtung der Hochschulen zur Eigenverantwortung und zur Profilbildung.
Erstens: Die im Haushalt 2000/2001 erstmals so weitgehend umgesetzte dezentrale Budgetverantwortung und die damit verbundene Neustrukturierung der Haushalte gewähren den Hochschulen – Frau Vossschulte hat dankenswerterweise darauf hingewiesen – das auch von diesem Haus immer wieder geforderte Maß an Flexibilität, an finanzieller Selbstbestimmung. Die Hochschulen werden im Wesentlichen selbstverantwortlich die auf wenige Titel reduzierten Etatansätze verwalten – eine schwierige Arbeit, ganz wesentlich auch der Kreativität meines Hauses zu verdanken.
Das bedeutet freilich auch, dass die Hochschulen im Gegenzug für die vergrößerten finanziellen Freiräume neue Lasten übernehmen müssen, ohne hierfür zusätzliche Mittel zu erhalten. Am meisten hat uns das unsägliche 630DM-Gesetz getroffen, das dazu führt, dass unsere Hochschulen voraussichtlich mehr als 10 Millionen DM zusätzlich aufwenden müssen. Bis heute, meine Damen und Herren von der SPD, ist unklar geblieben – ich habe dazu viele Briefe geschrieben –, ob hieran Schlamperei des Bundesgesetzgebers schuld ist oder man diese Schädigung der Hochschulen bewusst in Kauf genommen hat.
Zum Zweiten: Die neue Flexibilität kann sinnvoll nur genutzt werden, wenn ein hohes Maß an Planungssicherheit besteht. Dies haben wir durch den Solidarpakt für die Universitäten und durch entsprechende Haushaltsregelungen auch für die Kliniken, die Fachhochschulen und die Pädagogischen Hochschulen sichergestellt.
Herr Kollege Reinelt meint, die Zeche für den Solidarpakt werde später gezahlt. Wenn wieder mehr Studierende an die Hochschulen kommen, werden wir auch mehr Stellen brauchen. Im Moment haben wir das im Schulbereich musterhaft gelöst, und wir werden das in einigen Jahren auch im Hochschulbereich lösen müssen. Ich bin aber von der Richtigkeit des eingeschlagenen Weges überzeugt.
Im Übrigen: Das größte Bundesland, NRW, macht genau das nach, was wir vorgemacht haben. Unsere Mitarbeiter sind gebeten worden, in Nordrhein-Westfalen zu berichten. Was hier „Solidarpakt“ heißt, heißt dort „Innovationspakt“. Die 1 500 Stellen sind dort 2 000 Stellen. Auch dort hat man nachgedacht. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie mich nicht zu leichtfertig angreifen.
Ich freue mich darüber, dass die Hochschulen jetzt die Möglichkeit der Mittelschöpfung aus freien Stellen haben. Die zum Jahresende aufgelaufenen Ausgabereste bleiben ihnen erhalten – es gibt also kein Dezemberfieber mehr –, sodass sie Mittel für die Zukunft ansparen können, allerdings auch ansparen müssen. Dies ist im letzten Jahr bereits in einem beachtlichen, in dieser Höhe überhaupt nicht erwarteten Ausmaß gelungen.
Zum Dritten: Frau Vossschulte hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass der Globalhaushalt ohne weitere Steuerungsinstrumente ein Torso bliebe. Sie hat auch die wichtigsten neuesten Instrumente genannt, nämlich die Einführung der leistungsorientierten Mittelvergabe – dies ist übrigens auch eine Aufgabe, Herr Pfister, die mein Haus verantwortlich begleiten muss –, eine Kosten- und Leistungsrechnung und ein Controlling. Das ist eine Herkulesaufgabe, denn unsere Hochschulen haben – da hat Herr Salomon Recht – vieles auf dieser Welt erforscht, sich selbst aber viel zu wenig. Wir haben hier noch eine ganz schwierige Wegstrecke vor uns, und es kann durchaus sein, dass wir parlamentarische Hilfe benötigen, um die erforderlichen Daten zu bekommen.
Nachdem die bisherigen fachaufsichtlichen Maßnahmen im Wesentlichen entfallen sind, müssen neue Wege der Qualitätssicherung eingeschlagen werden. Dazu gehören regelmäßige Eigen- und Fremdevaluationen, deren Wirkungsweise wir derzeit mit den Rektorenkonferenzen besprechen. Die Vorbereitungen zur Gründung einer Evaluationsagentur des Landes sind bereits weit gediehen. Die Einführung all dieser genannten Steuerungsinstrumente werden wir in diesem und in den nächsten Jahren mit großem Nachdruck vorantreiben.
Meine Damen und Herren, Gewinner dieser Finanzreform – und das ist selten genug – sind alle Beteiligten: Es ist der Landtag, der gewiss sein darf, dass die Verteilung der Gelder an die Hochschule stärker als in der Vergangenheit Qualitäts- und Leistungskriterien berücksichtigt. Es sind die Hochschulen, weil die Entscheidungs- und Handlungskompetenz nun primär bei ihnen liegt. Viel mehr als bisher können und sollen sie eigene Akzente in Forschung und Lehre setzen. Allein schon die ihnen jetzt zugeordnete Verantwortung für die Studien- und Prüfungsordnungen gibt ihnen auch die entsprechenden Möglichkeiten.
Was die Hochschulräte angeht, Herr Kollege Deuschle: Alle Listen, die ich bisher gesehen habe, sind hochrangig und von vorzüglicher Qualität. Sicherlich wäre es denkbar, dass mal ein Handwerksmeister einrückt. Aber besser ist natürlich einer vom Genre des Herrn Würth, der klein angefangen hat und groß geworden ist und deshalb diese Erfahrung auch in die Hochschulräte einbringen soll. Ihre Besorgnis wäre allenfalls personenspezifisch zu diskutieren. Aber sie ist nicht begründet.
Die Studierenden sind ebenfalls Gewinner dieser Reform, aber auch alle anderen Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, weil die neuen Steuerungsmechanismen die Qualität und die Leistungsfähigkeit unserer Hochschulen weiter stärken. Wir machen damit Baden-Württemberg, das bereits heute über ein außerordentlich vielfältiges, hochwertiges und differenziertes Bildungswesen verfügt, ja vielleicht
Ein zweites wichtiges Ziel ist nach wie vor die Aufwertung und Verbesserung der Lehre. Dem soll das Bündnis für Lehre dienen. Denn die Forschung kann, wenn sie gut ist, weitgehend für sich selbst sorgen. Dies kann die Lehre nicht in gleichem Maß, jedenfalls so lange nicht, solange nicht wettbewerbsorientierte Studiengebühren eingeführt sind.
Über die Ihnen bekannten Maßnahmen hinaus wie Stoffkonzentration, die Einführung der Studienkommissionen, der Studiendekane, des Nachweises der didaktischen Leistungen bei der Verleihung der Venia Legendi, die diesen Namen übrigens aus gutem Grund trägt, und bei der Berufung sowie beim Landeslehrpreis – all dies gehört zum Bündnis für Lehre – haben wir neue Projekte begonnen, die wir gemeinsam mit den Hochschulen entwickelt haben. Zum einen fördern wir innovative Projekte, vor allem in drei Schwerpunkten: neue Studien- und Prüfungssysteme, Modularisierung und Leistungspunktsysteme – also die berühmten Credit-Points – sowie die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen.
Herr Kollege Reinelt, Sie haben mir vorgeworfen, dass ich mich irgendwo gegen Vollkaskomentalität ausgesprochen habe. Das ist in der Tat meine Grundauffassung. Es gibt ein schönes Sprichwort: Wer wagt, gewinnt. Aber ich sage Ihnen mit derselben Deutlichkeit: Keiner weiß derzeit, wie die Bachelor- und Masterstudiengänge letztlich angenommen werden. Aber die ganze Hochschulgeschichte zeigt, dass sich neue Angebote neue Märkte geschaffen haben. Und hier muss jeder für sich entscheiden, ob er das Risiko eingehen will oder eben nicht. Die Hochschulen – nicht wir – haben über 70 Anträge auf entsprechende Studiengänge eingebracht, die wir zumeist genehmigt haben. Nun muss sich jeder irgendwie seine eigene Zukunft basteln.
Nur eines, Herr Reinelt, geht nicht: gegen Bachelor- und Masterstudiengänge zu sein, aber zugleich Internationalisierung zu fordern.
Denn die bisherigen Examina haben gerade diese Internationalisierung sehr erschwert. Hier ist ein Sprung in der Schüssel. Wie Sie damit fertig werden, weiß ich nicht, ich sage Ihnen nur: Sie irren sich. Richtig ist: Think global, act local, go international. Genau das tun wir in Baden-Württemberg, und wir haben mehr gemacht als jedes andere Bundesland.