Ich halte es, um diesen Punkt gleich aufzugreifen, für unfair und für fahrlässig, Vorgänge und Entscheidungen von gestern mit dem Wissen und mit dem Problembewusstsein von heute zu beurteilen. Dies ist nicht fair, und so kann es nicht sein, meine Damen und Herren.
Ich nenne als konkretes Beispiel den Umgang mit Tiermehl. Nehmen wir bitte zur Kenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass über lange Zeit hinweg der versammelte wissenschaftliche Sachverstand in der Bundesrepublik Deutschland davon ausgegangen ist, dass die Herstellung von Tiermehl inklusive der Verwendung von Risikomaterial dann überhaupt kein Problem sei, wenn man
drei Dinge tut: wenn man erstens auf 133 Grad Celsius erhitzt, zweitens bei einem Druck von 3 Bar arbeitet und drittens das Ganze in 22 Minuten abwickelt.
Bis vor kurzem ist man davon ausgegangen, dass die Herstellung von Tiermehl, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, überhaupt kein Problem sei.
Natürlich weiß ich, dass heute eine andere Betrachtungsweise, eine andere Sichtweise, eine andere Beurteilung herrscht, aber ich bitte doch um ein Mindestmaß an Verständnis dafür, dass man, wie gesagt, mit dem Wissen von heute Vorgänge aus der Vergangenheit, als man dieses Wissen noch nicht hatte, nicht beurteilen kann und deshalb auch nicht vorschnell zu Schuldzuweisungen kommen darf, meine Damen und Herren.
Wer dies bestreitet und wer behauptet, die Politik hätte es schon in der Vergangenheit besser machen können und schon viel früher besser machen können, der darf nicht nur den Rücktritt von Frau Staiblin fordern, sondern der muss auch alle Agrarminister, alle Ernährungsminister in der Bundesrepublik Deutschland ebenso zum Rücktritt auffordern, weil auch sie in der Vergangenheit genau diese Position hatten und alle Agrarminister insofern wirklich in einem Boot saßen.
Wer A sagt, der muss auch B sagen. Wer heute den Rücktritt von Frau Staiblin fordert, der muss auch den Rücktritt von rot und grün angemalten Agrarministern in der Bundesrepublik Deutschland fordern, meine Damen und Herren.
Ich habe in der Zwischenzeit den Eindruck, dass natürlich diese Zusammenhänge und diese Hintergründe auch bei den Grünen und der SPD so gesehen werden. Anders kann es ja nicht sein, dass praktisch jeden Tag der Versuch gemacht wird, eine neue Skandallandschaft hier aufzubauen.
Damit Sie mich recht verstehen: Es ist selbstverständlich auch die Aufgabe eines Parlaments, wenn irgendwo Verstöße vorgekommen sind, auf diese hinzuweisen. Sie haben das aktuelle Beispiel angesprochen, welches den illegalen Handel und den Einsatz von Tiermitteln angeht. Aber eines ist klar: Wer hier schwere Vorwürfe erhebt, Herr Kollege Schäfer, der muss auch den Mut und den Mumm haben, diese Vorwürfe dann zurückzuziehen und zu relativieren,
wenn erwiesen ist, dass diese Vorwürfe zum Beispiel vom Landesverband der Tierärzte eindeutig zurückgenommen worden sind.
Wer dies nicht tut, der ist kein Agrarsprecher, Herr Schäfer, sondern ein Skandalsprecher, und diesen Vorwurf mache ich Ihnen.
(Starker Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Wacker CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen meldet sich zu einer Zwi- schenfrage. – Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, ich möchte doch noch auf zwei Punkte hinweisen, damit auch dies klar ist: Baden-Württemberg braucht sich in Sachen BSE – auch Bewältigung und Bekämpfung von BSE – von keinem anderen Bundesland etwas vormachen zu lassen, meine Damen und Herren.
Wir haben schneller und konsequenter Programme vorgelegt und dafür gesorgt, dass das, was notwendig ist, auf den Weg gebracht wird. Wer im Rückblick behauptet – aber das wird niemand tun –, dass er keine Fehler gemacht hat, der handelt falsch. Natürlich sind Fehler gemacht worden, aber dieses Land hat Programme auf den Weg gebracht. Wir waren die Ersten, die flächendeckende BSE-Tests durchgeführt haben. Wir haben sie selbst bezahlt. Der Bund weigert sich bis zur Stunde, Geld bereitzustellen, und erklärt: Wir geben nichts.
Wir haben das bis zur Stunde selbst finanziert. Wir haben eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel eines generellen und unbefristeten Tiermehlverfütterungsverbots auf den Weg gebracht. Das war eine Bundesratsinitiative von BadenWürttemberg. Wir haben die Kontrollen bei den Futtermittelherstellern verschärft. Wir haben den Bundesgesetzgeber aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Verstöße nicht einfach eine Ordnungswidrigkeit sind, sondern in Zukunft einen Straftatbestand darstellen –
diese Initiative kommt aus Baden-Württemberg –, und, meine Damen und Herren, wir haben Liquiditätshilfen auf den Weg gebracht. Der niedersächsische Landwirtschaftsminister Bartels ruft die Bundesregierung an, im Interesse der Metzgereien und der Landwirtschaftsbetriebe Liquiditätshilfen auf den Weg zu bringen, die der Bund bezahlt. Das ist der Unterschied zwischen roter SPD-Politik und liberal-bürgerlicher Politik: In Niedersachsen wird der Bund aufgefordert, Liquiditätshilfen zu zahlen; in Baden-Württemberg wird dazu nicht aufgefordert, sondern es wird gehandelt und selbst bezahlt.
und wir haben den Gesundheits- und Verbraucherschutz – schon vor vier Jahren, darauf wurde hingewiesen – neu organisiert. Wir haben im Grunde vor vier Jahren schon das getan, was der Bund erst jetzt tut.
ich komme zum Schluss, Herr Präsident –, gerade die beiden letzten Punkte, also die Forschungsintensivierung und der Gesundheits- und Verbraucherschutz,
werden durch die Berufung von Herrn Professor Beyreuther ausdrücklich unterstützt. Ich sage Ihnen, ich halte es für einen Glücksfall, dass ein so renommierter Fachmann wie Professor Beyreuther künftig dieser Landesregierung mit Rat und Tat zur Verfügung steht. Darüber sollten wir uns freuen und nicht daran herummäkeln, meine Damen und Herren.
(Lebhafter Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grünen: Sagen Sie doch was zur Ministerin! Ist die auch ein Glücksfall?)
Meine Damen und Herren, weil dies alles so ist, wie ich gesagt habe, gibt es allen Anlass, auch weiterhin aktiv zu sein bei der Bekämpfung der BSE-Krise. Aber es gibt keinen Anlass, Frau Ministerin Staiblin zu entlassen.
Wenn Sie Ihren Vergleich Honecker/Teufel in ein Plakat umgesetzt hätten, dann hätte ich Sie aufgefordert, dieses Plakat so schnell wie möglich zurückzuziehen.