Protocol of the Session on January 31, 2001

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Brechtken.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte den Änderungsantrag der SPD-Fraktion, Drucksache 12/5962, begründen.

Wir schlagen vor, keine Entlastung zu erteilen. Zwei der Fälle – ein leichterer und ein sehr gravierender – fallen in das Jahr 1998. Die Begründung, dass die entsprechenden Beträge im Budget insgesamt enthalten gewesen seien, kann uns nicht davon abbringen, festzustellen, dass hier ein Verstoß gegen eine einschlägige Verwaltungsvorschrift vorliegt.

Die Nichtentlastung durch das Parlament hat nach der Landeshaushaltsordnung keine unmittelbare Rechtswirkung. Aber sie hat insofern eine Rechtswirkung, als dann, wenn

Folgerungen gezogen werden, die Verantwortung jeweils beim Rechnungshof verbleibt und sie nicht durch Entlastung auf das Parlament übergeht. Ich schlage vor, dass das Parlament hier die Entlastung nicht erteilt. Denn wir sollten den Fall nicht auf uns übernehmen. Er sollte exakt dort bleiben, wo er auch verbockt worden ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

In Ziffer 2 unseres Änderungsantrags bitten wir den Präsidenten des Rechnungshofs, seine Versetzung in ein anderes Amt zu beantragen. In der Tat eine gravierende Forderung, die man begründen muss.

Der erste Punkt: Aus meiner Sicht ist die Glaubwürdigkeit des Präsidenten des Rechnungshofs infrage gestellt. Er hat meiner Ansicht nach auch bei der Frage des Verfahrens erhebliche Probleme gehabt, indem er zuerst gesagt hat: „Ich erfahre aus der Presse“, in der zweiten Stufe einräumt, dass es einen Vermerk gibt, und schließlich die entscheidende Aussage kommt: „Aber Gespräche hat es nicht gegeben.“

Jetzt steht hier Aussage gegen Aussage. Aber wir haben als Parlament nicht die Möglichkeit, die Frage zu überprüfen. Einer hätte diese Möglichkeit gehabt, nämlich der Landtagspräsident, der eine Vorermittlung in der Frage durchgeführt hat, ob ein Disziplinarverfahren einzuleiten ist.

Der Landtagspräsident seinerseits hat aber – das halte ich für bemerkenswert – schlicht unterstellt – – Ich nehme beide Aussagen zur Kenntnis. Er hat zum Beispiel den Rechnungshofpräsidenten als Betroffenen um eine Stellungnahme gebeten. Er hat aber nicht den betroffenen Bediensteten um eine dienstliche Äußerung zu dem Vorgang gebeten, um seinerseits darlegen zu können, welche plausiblen Gründe er dafür hat, dass am 12. Mai letzten Jahres ein Gespräch stattgefunden hat. Hier ist meiner Ansicht nach nicht alles ausgeschöpft worden, um den Tatbestand zu ermitteln. Auch da habe ich erhebliche Fragen, was die Glaubwürdigkeit angeht.

Herr Landtagspräsident – ich darf Sie jetzt nicht als Präsidenten, sondern als denjenigen ansprechen, der die Vorermittlungen durchgeführt hat –, für mich ist das Interessanteste an Ihren Bemerkungen, in denen Sie zu dem Ergebnis „kein Disziplinarverfahren, aber eine Rüge“ kommen: Ihr tragender Grundsatz ist: Sie erheben keinen Zweifel, dass ein Gespräch nicht stattgefunden hat.

Anders ausgedrückt: Hätte es aus Ihrer Sicht ein Gespräch gegeben, hätten Sie die Frage des Verschuldens und der Notwendigkeit, dies disziplinarrechtlich zu prüfen, anders gesehen. Deshalb halte ich es für ein Versäumnis, dass Sie dem betroffenen Bediensteten nicht die Möglichkeit eingeräumt haben, im Rahmen einer dienstlichen Äußerung seine Sicht der Dinge darzulegen und sie in das Verfahren einzubringen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die persönliche Glaubwürdigkeit wird auch nicht dadurch hergestellt, dass man sagt, man habe den Schaden wieder gutgemacht durch eine Sammlung innerhalb des Senats, in

dem man die überschießenden Beträge festgelegt hat. Meine Damen und Herren, dies kann doch kein Maßstab sein. Überlegen Sie sich einmal, was das für die öffentliche Verwaltung bedeutet, übrigens auch für die künftige Prüfung seitens des Rechnungshofs. Da lachen sich doch alle tot. Wir überschreiten, anschließend bezahlen wir dies, und die Sache ist erledigt. Wenn wir dies als Maßstab für die öffentliche Verwaltung nehmen, dann gute Nacht, öffentliche Verwaltung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der zweite Punkt: Ich meine auch, dass die Glaubwürdigkeit insbesondere des Rechnungshofpräsidenten gegenüber den zu prüfenden Behörden erheblich infrage gestellt ist. Wie wollen Sie künftig vor dem Hintergrund dieser konkreten Vorgänge, die wir besprechen, bei einer Behörde noch glaubwürdig Vorgänge prüfen, ohne ständig gewärtig sein zu müssen, entweder offen oder versteckt, mit Augenzwinkern oder auf welche Weise auch immer gesagt zu bekommen: „Was prüft ihr denn da so pingelig? Habt ihr vergessen, dass ihr vor kurzem doch im eigenen Bereich...?“ Dies ist eine Einschränkung Ihrer künftigen Möglichkeiten.

(Abg. Rapp REP: Sie machen es noch schlimmer!)

Übrigens, weil da gerade ein Zwischenruf kommt: Ich wäre mir sicher, dass Sie, Herr Kollege Haasis, Konsequenzen im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Innenrevision eines großen Unternehmens des Landes gegenüber dem übrigen Teil Ihres Unternehmens ziehen würden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Haasis CDU: Es ist ja gut, dass Sie mir ausnahmsweise einmal etwas zutrauen! – Abg. Birzele SPD: Herr Haasis wird gelobt und klatscht nicht! Und die CDU auch nicht!)

Da vertraue ich Ihnen voll. Da sind Sie Unternehmer und würden genau so handeln, wie wir es als Landtag meiner Ansicht nach auch tun müssten.

Der dritte Punkt, und der ist für mich genauso gravierend: Sie haben insofern keine Glaubwürdigkeit mehr, als Sie dem Generalverdacht unterliegen, entweder zu pingelig zu prüfen, weil Sie ständig beweisen müssen, dass Sie jetzt trotz des Fehlers ganz scharf sind, oder zu großzügig zu prüfen, um sich sozusagen nicht dem Verdacht auszusetzen, gegenüber Betrieben oder Behörden zu kleinkariert zu sein. Dieser Generalverdacht kommt heute zum Beispiel in einem Artikel der „Stuttgarter Zeitung“ sehr deutlich zum Ausdruck. Die Frage ist nicht: Unterliegt dem Artikel der richtige Tatbestand? Die Frage ist vielmehr: Sie unterliegen – das zeigt dieser Artikel sehr deutlich – permanent dem Generalverdacht, zu großzügig zu sein oder zu sehr Rücksicht zu nehmen. Dies schadet der Prüfung und der Offenheit und Glaubwürdigkeit einer Prüfung in diesem Land.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen. Ich glaube auch, die Glaubwürdigkeit nach innen ist nicht mehr gegeben. Als eines der Probleme neben diesen reinen Sachfragen, die wir erörtern, hat sich ergeben, dass innerhalb des Hauses offensichtlich erhebliche Führungsprobleme vorhanden sind. Da werden Dinge nach außen getragen. Da muss man gewärtigen, dass Dienstgeheimnisse nicht eingehalten werden. Da muss man gewärtigen, dass bestimmte Details aus Berichten hinausgehen. Dies alles hat etwas mit der Frage der inneren Führung zu tun. Und ein Chef, der durch sein Verhalten in dieser ganzen Frage so angeschlagen ist, kann nicht nach innen führen und kann deshalb keine glaubwürdige Führungspersönlichkeit für das eigene Haus sein.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, CDU und FDP/DVP haben in Ziffer 4 ihres Antrags Drucksache 12/5960 Folgendes geschrieben:

der Landtag geht mit der Beschlussfassung zu den Ziffern 1 bis 3 davon aus, dass die innere und äußere Autorität des Rechnungshofes alsbald wieder hergestellt wird.

Meine Damen und Herren, dies ist der Versuch der Gesundbeterei. Die Glaubwürdigkeit wird nur dann wieder hergestellt, wenn beim Rechnungshof auch ein klarer personeller Neuanfang gemacht wird.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. ErdrichSommer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Beschlussfassung über die Entlastung hinsichtlich der Rechnung des Rechnungshofs steht jetzt zum dritten Mal auf der Tagesordnung des Plenums. Schon allein diese Tatsache wirft ein Licht auf die Bedeutung des Themas.

Der Landtag hat sich mit einer sehr wichtigen Frage zu beschäftigen, nämlich mit der Glaubwürdigkeit und dem Ansehen einer Kontrollbehörde des Landes. Ich kann Ihnen versichern: Wenn Sie, wie ich, mit dem Zug fahren würden – der zu dem Zeitpunkt, an dem ich fahre, maßgeblich von Landesbediensteten benutzt wird –, wüssten Sie, dass diese Angelegenheit bis in die kleinste Amtsstube hinein mit außerordentlicher Aufmerksamkeit verfolgt wird. Die Menschen möchten nämlich wissen, ob wir gegenüber dem Rechnungshof und seinem Präsidenten die gleichen harten Maßstäbe anlegen, wie sie der Rechnungshof als Kontrollbehörde bei den zu prüfenden Ämtern selbst anlegt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Um es gleich vorweg zu sagen: Für unsere Fraktion ist nach Prüfung aller Informationen eine Entlastung des Rechnungshofs und seines Präsidenten nicht angezeigt. Die Gründe dafür sind, dass der Rechnungshof durch diese

Vorgänge massiv an Ansehen und Glaubwürdigkeit verloren hat. Es ist keine Frage von Schuld oder Unschuld. Die Frage ist: Wer trägt dafür die Verantwortung, und welche Konsequenzen muss der Verantwortliche tragen? Wir haben drei Gründe ausgemacht, warum der Präsident des Rechnungshofs als Chef dieser Behörde die Verantwortung für die Vorfälle zu übernehmen hat.

Erstens: Vom Präsidenten des Rechnungshofs persönlich zu verantworten ist die Überschreitung der Betragsobergrenze, weil er auf interne Berichte nicht reagiert hat. Für mich spielt es dabei nur in zweiter Linie eine Rolle, ob das schriftlich oder auch noch im persönlichen Gespräch vorgebracht wird. Ich glaube, bei einer Kontrollinstanz müssten alle Alarmglocken läuten, wenn sich in Berichten der Hinweis findet, eine Verwaltungsrichtlinie werde bezüglich finanzieller Vorgaben nicht eingehalten. Jeder Schultes weiß, dass bei Ausgaben für Büromöbel aus Sicht der Bevölkerung der Spaß aufhört und dass hierbei auf die Einhaltung von Grenzen besonderer Wert gelegt wird. Ich kann nicht verstehen, dass der Rechnungshofpräsident das passieren ließ.

Da hilft auch nicht der Hinweis auf hohe Arbeitsbelastung oder mangelnde Personalausstattung. Das liegt bei vielen anderen Behörden auch vor. Auch dort gibt es Stellenbegrenzungen und entsprechende Stellenbesetzungssperren oder mangelt es an Krankheitsvertretungen. Auch dort kann man nicht einfach sagen: „Aufgrund von Personalmangel oder Termindruck halten wir Verordnungen oder Richtlinien nicht ein.“ Meine Damen und Herren, Verordnungen sind trotz Termindruck einzuhalten, auch beim Rechnungshof.

Zweiter Punkt: Als Behördenchef hat der Präsident des Rechnungshofs die Leitungsverantwortung für die Präsidialabteilung. Insofern hat er zu verantworten, dass Überschreitungen stattgefunden haben.

Drittens: Es ist nicht der erste Fall, mit dem der Rechnungshof und sein Präsident in die Schlagzeilen geraten sind. Ich glaube, das darf man nicht unterschätzen. Ein Rechnungshofpräsident, der innerhalb von zwei Jahren dreimal in negativer Weise in die Schlagzeilen gerät,

(Abg. Rapp REP: Mit so etwas wie eurem Wahl- slogan ist er noch nicht in die Schlagzeilen gekom- men!)

kann gegenüber anderen Behörden kein entsprechendes Ansehen seiner Behörde mehr repräsentieren.

Deshalb kann es nach unserer Überzeugung keine Entlastung geben, meine Damen und Herren. Deshalb müssen an der Spitze der Behörde Konsequenzen gezogen werden. Nur so kann das Ansehen des Rechnungshofs wieder hergestellt werden.

Zur Rüge des Landtagspräsidenten, die formal richtig sein mag, kann ich nur sagen: Im Interesse des Rechnungshofs und seines Ansehens ist die personelle Konsequenz an der Spitze notwendig. Da reicht die Rüge, die der Präsident des Landtags hier ausgesprochen hat, nicht aus.

Die Direktoren des Rechnungshofs, die den Betrag, der dem Landeshaushalt als Schaden entstanden ist, wieder zurückzahlen wollen, leisten quasi eine Wiedergutmachung. Ich halte das für eine höchst fragwürdige Vorgehensweise. Die Verstöße sind eingeräumt. Da kann man nicht quasi durch eine Ablasszahlung eine Wiedergutmachung erreichen. Das ist ein ganz schlechter Stil. Er kann so für die Landesverwaltung nicht gelten. Ablasshandel ist schon im Mittelalter abgeschafft worden. Ihn sollte man hier nicht wieder aufleben lassen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aber jenseits der Büromöbelaffäre hat sich gezeigt, dass das Rechnungshofgesetz Mängel aufweist. Es bedarf dringend einer Novellierung. Es wird eine der vornehmsten Aufgaben der nächsten Legislaturperiode sein, das Rechnungshofgesetz zu ändern und zu modernisieren.

(Abg. Rapp REP: Ein Präsident von rot-grünen Gnaden!)

Das hat nichts mit einem Präsidenten von rot-grünen Gnaden zu tun, sondern wir haben gesehen, dass es wichtig ist, dass ein Rechnungshofpräsident mit einer Zweidrittelmehrheit eingesetzt wird, dass sich hier alle Fraktionen an der Installierung des Rechnungshofpräsidenten beteiligen und dass sie dann auch sehr genau darauf achten müssen, was er macht.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Nur ein 68er mit Revo- luzzerkarriere! – Abg. Rapp REP: Es kommen nur geübte Steinewerfer dafür infrage!)

Der Antrag, den wir dazu gestellt haben, ist erstaunlicherweise vom Finanzministerium lapidar mit „kein Reformbedarf“ abgetan worden. Ich glaube, da ist Reformbedarf vorhanden, und den müssen wir bewältigen.

Insgesamt kann ich sagen: Wir bitten Sie, im Hinblick auf das Ansehen des Rechnungshofs unserem Antrag zuzustimmen und keine Entlastung auszusprechen sowie den Präsidenten des Rechnungshofs zu bitten, seine Versetzung zu beantragen. Ich bitte auch darum, über unseren Antrag zusammen mit dem Antrag der SPD abstimmen zu lassen. Beide sind tatsächlich inshaltsgleich, nicht weil wir hier kungelten, sondern weil wir unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis bezüglich des Sachverhalts gekommen sind.