Protocol of the Session on December 14, 2000

Meine Damen und Herren, zur Aussprache rufe ich jetzt noch den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 12/5827, der soeben ausgeteilt wurde, auf.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Seimetz.

Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Wahlkampf ist ausgebrochen. Man merkt es deutlich. Die SPD-Fraktion führt in ihrer Begründung zu dem Antrag, über den wir heute debattieren, aus, dass die veränderte Familiensituation eine flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen erfordere.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist eine Tatsa- che! – Abg. Christine Rudolf SPD: Das steht im Bildungsauftrag im Übrigen auch!)

Zur Finanzierung eines solchen flächendeckenden Angebots werden keine Aussagen gemacht. Wir sind das gewohnt.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ihnen geht es immer nur ums Geld!)

Eine solide Haushaltspolitik war noch nie die große Stärke der lieben Kolleginnen und Kollegen der SPD.

(Lachen und Widerspruch bei der SPD – Abg. Dr. Reinhart CDU: Und Hermann hat auch einmal Recht!)

Das stimmt wohl so. – Ohne Zweifel, meine Damen und Herren, hat sich die Situation in unseren Familien in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Für einen Bildungspolitiker muss jedoch auch die Frage erlaubt sein, ob jede Veränderung in unseren Familien und jedes familiäre Defizit sofort in einen schulischen Auftrag

münden müssen. Ich meine, nein. Unser Bemühen muss darauf gerichtet sein, die Erziehungskraft der Familie zu stärken,

(Beifall des Abg. Kiefl CDU – Abg. Kiefl CDU: Sehr gut!)

bevor wir die Schulen noch mehr zum Reparaturbetrieb mangelnder familiärer Erziehungsleistung machen.

(Beifall bei der CDU)

Es stimmt, dass wir in unserer Bildungspolitik der veränderten familiären Situation Rechnung tragen müssen. Dies haben wir in der Vergangenheit getan, und dies werden wir auch weiterhin tun. Wir werden dies aber nur dann und nur dort tun, wo auch der tatsächliche Bedarf besteht. Den Grundsatz der Bedarfsorientierung unserer Angebote haben wir schon bei der Einführung der verlässlichen Grundschule berücksichtigt, und wir tun dies hier auch bei den Ganztagsangeboten.

(Abg. Kiefl und Wacker CDU: Sehr gut!)

Die derzeit bestehenden Ganztagsangebote an unseren Schulen sind Teil des anfangs der Neunzigerjahre entwickelten Gesamtkonzepts zur Betreuung von Kindern an Schulen. Dieses Grundkonzept beinhaltet neben der Kernzeitenbetreuung an Grundschulen, den Horten und der verlässlichen Grundschule auch die Einrichtung von Ganztagsschulen, die wir dort, wo sie notwendig sind, Zug um Zug einrichten.

Hierher gehören auch die variablen Betreuungsbausteine als Teilprojekt des Konzepts „IMPULSE Hauptschule“, an dem sich im vergangenen Schuljahr 84 Schulen mit guten Erfahrungen beteiligt haben.

Eine Besonderheit der Ganztagsschulen im Vergleich zu den anderen Betreuungskonzepten ist es, dass neben der Betreuung vor allem die pädagogische Hilfe für Schülerinnen und Schüler aus einem schwierigen Umfeld im Vordergrund steht. Wir richten deshalb in Baden-Württemberg vor allem an den so genannten Brennpunktschulen, ob Ihnen das passt oder nicht, einen Ganztagsbetrieb ein, also an Schulen, die ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag unter erschwerten Bedingungen erfüllen.

Gerade an unseren Hauptschulen finden wir zunehmend solch schwierige Bedingungen.

(Abg. Deuschle REP: Aha!)

Dies zu bestreiten wäre völlig falsch und fehl am Platze. Nach meiner Einschätzung als Schulleiter einer Hauptschule ist dies aber keinesfalls an der Mehrheit der Hauptschulen so. Vielmehr gehen wir schon zu Recht davon aus, dass an knapp 130 Schulen derart erschwerte Bedingungen herrschen, dass dies einen zusätzlichen Ressourceneinsatz rechtfertigte.

Wenn eine solche Schule den Ganztagsbetrieb will, so erhält sie eine erhöhte Lehrerzuweisung von bis zu sieben Lehrerwochenstunden je Ganztagsklasse, und dafür sind in unserem Landeshaushalt zusätzlich 2,5 Millionen DM veranschlagt.

(Zurufe der Abg. Bebber und Zeller SPD)

Neben dieser erhöhten Lehrerzuweisung für die schulischen Angebote tragen die Schulträger die Kosten für die Freizeitbetreuung und für den Mittagstisch. Eine Umfrage des Städtetags, lieber Herr Zeller, zu den Ganztagsschulen im Land hat ergeben, dass fast alle Schulen, die sich an der Umfrage beteiligt haben, der Landesinitiative positiv gegenüberstehen.

(Abg. König REP: Das waren 28!)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie haben es eben gehört, oder der eine oder andere hat es vielleicht auch in der sehr fundierten und ausführlichen Stellungnahme des Ministeriums zu Ihrem Antrag gelesen: Wir tun heute schon viel bei der Betreuung von Kindern an unseren Schulen. Auf unserem Kleinen Parteitag im vergangenen Monat haben wir beschlossen, unsere Angebote im Ganztagsbetrieb schrittweise und bedarfsgerecht auszubauen. Mit bisher, Herr Zeller, nicht 54, sondern 74 Angeboten, ohne die Zahlen an den Sonderschulen zu berücksichtigen, stehen wir im Ländervergleich

(Abg. Zeller SPD: Spitze?)

ganz gut da.

(Lachen bei der SPD)

Denn in anderen Ländern geht gar nichts. Wenn Sie Nordrhein-Westfalen anführen, dann nehmen Sie die vielen Gesamtschulen, die es vorher schon gegeben hat, in die Rechnung hinein.

Wir von der CDU haben keinerlei Berührungsängste mit dem Thema Ganztagsschulen.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Ach was?)

Was wir nicht wollen, sind die von Ihnen zumindest in der Vergangenheit geforderten Ganztagsangebote im Doppelpack mit dem gescheiterten SPD-Modell der Gesamtschule.

(Beifall bei der CDU – Abg. Ingrid Blank CDU: Richtig!)

Wir werden Ganztagsangebote dort machen, wo der Bedarf besteht und wo dieser Bedarf nicht durch eines der vielen anderen Angebote gedeckt ist.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Wo leben Sie denn?)

In diesem Zusammenhang möchte ich ausdrücklich die ganz hervorragende Arbeit der Jugendmusikschulen und der Musikschulen sowie unserer vielen Sportvereine erwähnen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen,

(Abg. Christine Rudolf SPD: Zu danken!)

den dort zumeist ehrenamtlich Tätigen ganz herzlich zu danken. Wir sind stolz auf diese außerordentlich vielfältigen Angebote in Baden-Württemberg, die wir auch weiterhin fördern wollen.

Mit einer flächendeckenden Einführung der Ganztagsschule in Baden-Württemberg würden wir uns finanziell übernehmen. Außerdem würden wir dem in Jahrzehnten gewachsenen Vereinsleben damit auf einen Schlag das Wasser abgraben.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Was? – Abg. Braun SPD: Das ist ein blühender Unsinn!)

Jeder Zweite in Baden-Württemberg ist Mitglied in einem Verein.

(Abg. Bebber SPD: Sonst so vernünftig und jetzt so ein Unsinn!)

Gerade die Jugendarbeit in diesen Vereinen wäre kaum denkbar, lieber Herr Bebber

(Dem Redner wird das Ende seiner Redezeit ange- zeigt.)

Herr Präsident, ich bin gleich so weit –, diese Vereinsarbeit wäre kaum mehr möglich, wenn Schülerinnen und Schüler diese Angebote an Nachmittagen nicht mehr wahrnehmen könnten.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Wer hat Ihnen denn den Quatsch aufgeschrieben? So ein Unsinn! – Abg. Christine Rudolf SPD: Reden Sie doch ein- mal mit den Sportvereinen!)

Dass Sie sich vor diesem Hintergrund mit der von Ihnen beantragten Debatte so kurz vor der Landtagswahl einen Gefallen getan haben, wage ich zu bezweifeln. Aus den von mir angeführten Gründen lehnt die CDU-Fraktion Ihren Antrag ab, den Antrag der Grünen ebenfalls,

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist aber schade!)