Protocol of the Session on May 22, 2025

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 66. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörerinnen und Zuhörer sowie die Medienvertreterinnen und Medienvertreter sehr herzlich.

Ich darf Sie bitten, sich von den Plätzen zu erheben!

[Die Anwesenden erheben sich von den Plätzen.]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Und ganz besonders möchte ich Herrn Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer als den Vorsitzenden der margot friedländer stiftung heute hier bei uns im Berliner Abgeordnetenhaus begrüßen.

[Allgemeiner Beifall]

Margot Friedländer wurde am 5. November 1921 in Berlin geboren, sie verstarb am 9. Mai 2025 in Berlin. Dazwischen lag ein Jahrhundertleben. Es fehlte nicht viel, dass es bereits in jungen Jahren zu Ende gegangen wäre, dass sie, wie so viele Berliner Jüdinnen und Juden, deportiert und ermordet worden wäre.

Aber es kam zum Glück anders, und dass es anders kam, war auch der Entschlusskraft, der Ausdauer und dem Einfallsreichtum von Margot Friedländer zu verdanken. Sie war 21 Jahre jung, als am 20. Januar 1943 zuerst ihr jüngerer Bruder Ralph verhaftet wurde, und nur wenig später stellte sich ihre Mutter der Polizei, um den Sohn nicht alleine zu lassen. Beide wurden, wie auch der Vater, in Auschwitz ermordet. Margot Friedländer hingegen erkannte die Gefahr und entschied sich, in den Untergrund zu gehen. Ihre Mutter hatte ihr bei Freunden noch ihre Handtasche hinterlassen mit dem besagten Adressbuch und der Bernsteinkette und der mündlichen Botschaft: „Versuche, dein Leben zu machen.“

15 lange Monate lebte sie im Untergrund, in ganz unterschiedlichen Bezirken, unterstützt von ganz unterschiedlichen Menschen, die sie mal länger, mal kürzer versteckten und ihre Lebensmittelrationen mit ihr teilten. Die Stimmung dieser Monate fasste sie selbst wie folgt zusammen:

„Ich lebe für den Augenblick, die nächsten Stunden, den nächsten Tag. Jeder Abschied ist ein Abschied für immer. Die Helfer, die ich verlasse, werde ich nie wieder sehen. Ich muss ihre Namen vergessen, ihre Adressen. Je weniger ich weiß, desto weniger kann ich verraten.“

Nach einem Bombenangriff wurde sie aufgegriffen und bekannte:

„‚Ich bin jüdisch‘. Und indem ich es aussprach, war ich wieder mit dem Schicksal meiner Familie und aller anderen Juden vereint.“

Sie wurde in das Konzentrationslager Theresienstadt verbracht. Die Bedingungen dort waren fürchterlich, menschenunwürdig, mit dem ständigen Hunger, der Willkür der SS, den Seuchen und Krankheiten unter den Gefangenen, und sie schaffte es dennoch zu überleben.

In ihrem letzten öffentlichen Auftritt, am 7. Mai, im Rahmen der Gedenkfeier zur 80. Wiederkehr der Kapitulation des Deutschen Reiches hat sie aus ihren Erinnerungen vorgelesen, ihre Erinnerungen an ihr Kriegsende: die Szenen über den Abzug der SS aus Theresienstadt, den Einzug der Befreier der Roten Armee, die Gemeinschaft mit ihrem Mann Adolf, den sie nach jüdischem Ritus noch im Lager geheiratet hat. Niemand im Saal konnte sich ihrer zarten Stärke entziehen, niemand dem Gewicht ihrer mit leiser Stimme gehauchten Worte ausweichen. Die emotionale Wucht ihrer Zeugenschaft hat uns alle in ihren Bann geschlagen. Sie endete ein letztes Mal mit dem Aufruf: „Wir sind alle Menschen. Seid Menschen!“

Ihr dritter Lebensabschnitt nach der Rückkehr aus den Vereinigten Staaten war davon geprägt, Zeugnis abzulegen. Das machte sie unermüdlich, vor allem in Schulen gegenüber unzähligen jungen Menschen. Kaum glaublich, dass sie nach all den schrecklichen Erlebnissen und Verlusten, die sie in Berlin erlitten hatte, mit 88 Jahren wieder in ihre Heimatstadt, nach Berlin, zurückkehrte.

Wir dürfen sagen, dass Margot Friedländer all die Kraft für ihre Aufklärungsarbeit daraus schöpfte, dass sie das Leben liebte. Zu ihrem eigenen Erstaunen stellte sie fest, dass sie Berlin als ihre Heimat empfand. Deshalb machte sie dieser Stadt, machte sie uns allen in all ihrer Großzügigkeit das Geschenk, ihren letzten Abschnitt hier bei uns in Berlin zu verbringen. Sie hat uns einen Auftrag hinterlassen in ihren Worten, und ich darf zitieren:

„Ich spreche für die, die es nicht geschafft haben, die nicht überlebt haben. Ich spreche nicht nur für die sechs Millionen ermordeten Juden, sondern für alle Menschen, die man unschuldig umgebracht hat. Ich bin gekommen, um euch die Hand zu reichen. Ich tue es für euch, um euch zu bitten, die Zeitzeugen zu sein, die wir nicht mehr lange sein können.“

Diesem Vermächtnis von Margot Friedländer sind wir verpflichtet, und ihm wollen wir folgen, auch mit der gebotenen Wachsamkeit für die Aufrechterhaltung unserer freiheitlichen und vielfältigen Demokratie. Ihre Menschlichkeit, ihre Wärme, ihr Verstehen und ihr Mitgefühl bleiben uns Vorbild. Danke, Margot Friedländer! – Vielen Dank!

Es ist wie immer ein schwieriger Übergang, zum Geschäftlichen zu kommen, aber als Geschäftliches habe ich

folgende Mandatsveränderungen mitzuteilen: Infolge ihrer Wahl in den Bundestag haben weitere Abgeordnete ihr Mandat niedergelegt, nämlich Herr Adrian Grasse von der Fraktion der CDU, Frau Julia Schneider von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie Frau Katalin Gennburg und Herr Ferat Koçak von der Fraktion Die Linke. Ich danke ihnen für ihren Einsatz, ihre Arbeit und ihr Wirken im Berliner Abgeordnetenhaus.

Nachgerückt sind bei der Fraktion der CDU Herr Marco Hahnfeld, bei der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Benedikt Lux und bei der Fraktion Die Linke Herr Dr. Michael Efler und Frau Franziska Leschewitz. Ihnen allen ein herzliches Willkommen beziehungsweise willkommen zurück im Berliner Abgeordnetenhaus und auf gute Zusammenarbeit!

[Allgemeiner Beifall]

Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Wirt

schaftliche Situation in Berlin“ – Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Wirt

schaftliche Situation in Berlin“ – Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum

Thema: „Kaputtgespart, missachtet und vor der Privatisierung: Schwarz-rote Tragödie in der Kultur geht mit neuer Besetzung weiter“ – Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Kaputt

gespart, missachtet und vor der Privatisierung: Schwarz-rote Tragödie in der Kultur geht mit neuer Besetzung weiter“ – Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Polizisten

ohne Schutz vor Gewalttätern – schöne Reden reichen nicht, der Senat muss handeln“.

Die Fraktionen haben sich auf das Thema der Fraktion der SPD verständigt. Somit werde ich gleich dieses Thema für die Aktuelle Stunde aufrufen. Die anderen Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann darf ich auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Dringlichkeitsliste verweisen. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, die dort verzeichneten Vorgänge unter den Tagesordnungspunkten 18, 43, 44 sowie 80 A und 80 B in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch zur Dringlichkeitsliste höre ich nicht. Damit ist die dringliche Behandlung dieser Vorgänge so beschlossen. Unsere heutige Tagesordnung ist damit so beschlossen.

Auf die Ihnen zur Verfügung gestellte Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen – und stelle fest, dass dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit angenommen.

Dann darf ich Ihnen noch die Entschuldigungen des Senats mitteilen: Frau Senatorin Dr. Badenberg ist aufgrund der Verbraucherschutzkonferenz abwesend. Frau Senatorin Dr. Czyborra nimmt an der Exzellenzkommission für die Exzellenzstrategie zur Stärkung der Universitäten teil. Herr Regierender Bürgermeister wird die Sitzung gegen 19 Uhr zur Vorbereitung der nächsten Bundesratssitzung verlassen.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Vereidigung eines Mitglieds des Senats von Berlin

Der Regierende Bürgermeister hat Herrn Joe Chialo auf dessen Bitte aus dem Amt als Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt entlassen. Im Namen des gesamten Hauses darf ich Herrn Chialo für seine in diesem Amt geleistete Arbeit und sein Engagement sehr herzlich danken und wünsche ihm weiterhin für die Zukunft alles Gute!

[Allgemeiner Beifall]

Der Regierende Bürgermeister hat mitgeteilt, dass er heute Frau Sarah Wedl-Wilson zur neuen Senatorin für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt ernannt hat. Wir kommen daher zur Vereidigung nach dem Senatorengesetz. – Frau Senatorin Wedl-Wilson, ich darf Sie bitten, mit mir in die Mitte des Saales zu kommen. – Sie darf ich bitten, sich nach Möglichkeit zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Die vom Regierenden Bürgermeister ernannten Mitglieder des Senats leisten gemäß § 4 des Senatorengesetzes vor dem Abgeordnetenhaus folgenden Eid, der jetzt von mir vorgesprochen wird:

„Ich schwöre, mein Amt gerecht und unparteiisch, getreu der Verfassung und den Gesetzen zu führen und meine ganze Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen.“

Die Mitglieder des Senats leisten den Eid mit der Schwurformel „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!“ oder „Ich schwöre es!“. – Frau Senatorin Wedl-Wilson, ich bitte Sie nun um Ihre Schwurformel.

Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe!

Vielen Dank! Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für Ihr Amt!

[Allgemeiner Beifall]

Ich rufe auf

(Präsidentin Cornelia Seibeld)

lfd. Nr. 2:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Wirtschaftliche Situation in Berlin