Protocol of the Session on March 13, 2025

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 19/2291

Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. – Bitte schön, Frau Schubert, Sie haben das Wort!

[Unruhe]

Ich würde vorher gerne alle hier Anwesenden darum bitten, die Gespräche einzustellen oder nach hinten in die Wandelhalle zu verlegen, damit die Rednerin gut zu hören ist. – Bitte schön, Frau Schubert!

Frau Präsidentin, vielen Dank! – Ich beginne meine Rede ausnahmsweise mal mit einem Zitat, mit Ihrer Erlaubnis:

„Mobilität ist ein Menschenrecht! Seit 15 Jahren schon ermöglichen die roten Engel des VBB Bus&Bahn-Begleitservice für mobilitätseingeschränkte Menschen Wege, die allein unerreichbar wären. … Ich werde alles daransetzen, dass dieser wertvolle Service auch in Zukunft mit gesicherter Finanzierung angeboten werden kann.“

Wer hat es gesagt? – Damals noch Geschäftsführerin des VBB, heute Senatorin für Verkehr, Frau Bonde.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das ist auch noch gar nicht so lange her, das war im Dezember 2023. Heute dürfen wir dann von der Verkehrsverwaltung erfahren, als die Meldung kommt, der VBBBegleitservice ist in dieser Form nicht mehr aufrechtzuerhalten: Tut uns leid, wir haben kein Geld! Der Dritte Nachtragshaushalt erfordert Kürzungen. – Das geht so überhaupt nicht, zumal es falsch ist.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von André Schulze (GRÜNE) und Christoph Wapler (GRÜNE)]

Es gibt Geld. Es gibt Beschäftigte, die diese Arbeit machen können.

Was ist der Hintergrund? – 35 Menschen sind über das SGE im VBB-Begleitservice beschäftigt. Wir wissen alle: Das SGE läuft Ende des Jahres aus, aber alle Beschäftigten haben eine Beschäftigungsgarantie vom Land Berlin. Und anstatt die Leute jetzt in irgendwelche Bezirksämter oder in die Keller der Senatsverwaltungen zum Aktensortieren zu schicken, verdammt noch mal, verstetigen Sie diese Stellen beim VBB-Begleitservice! Es kostet das Land Berlin keinen Cent mehr.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von André Schulze (GRÜNE) und Christoph Wapler (GRÜNE)]

Wir haben im Moment zwei Petitionen im Umlauf, worin Nutzerinnen und Nutzer des Begleitservice ziemlich eindrücklich erklären, was es für sie bedeutet, wenn dieser Begleitservice nicht mehr läuft; eine auf Change.org, eine direkt an das Abgeordnetenhaus. Ich würde Sie sehr bitten, sich das mal anzuschauen, denn ich glaube, dann kann man nicht mit dieser Chuzpe sagen: Ist eben kein Geld mehr da! – Es gibt für diese Leute auch keine Alternative. Man kann sie auch nicht einfach zu Muva oder zum Sonderfahrdienst schicken. Wir haben gerade erst in einer Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales erfahren: Über ein Drittel der Nutzerinnen und Nutzer ist blind oder sehgeschädigt. Für die gibt es keine andere Möglichkeit als gerade den Begleitservice.

Stellen Sie sich mal vor, Sie sind blind oder sehgeschädigt und müssen allein mit dem Bus fahren, und der ist voll. Sie kommen da vielleicht noch irgendwie rein, aber wo ist denn ein Sitzplatz? Alle gucken auf ihre Handys und kümmern sich einen Dreck darum, was mit dem Menschen passiert, und dann müssen Sie sehen, dass Sie sich irgendwie festhalten. Die sogenannten roten Engel, die Menschen des Begleitservice, kümmern sich darum, dass die Menschen sich hinsetzen können, dass sie sicher dort hinkommen. Oder der Bus fällt aus, oder der Fahrstuhl ist kaputt – das haben wir ja auch ewig und drei Tage. Die Begleiterinnen und Begleiter kümmern sich darum, dass Menschen, die eingeschränkt sind – das ist jetzt auch ganz egal, welche Behinderung –, sicher von A nach B kommen, und das ist in einer Metropole wie Berlin, wo so viele Menschen allein leben, zentral wichtig, um volle Teilhabe zu garantieren.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christoph Wapler (GRÜNE)]

Nun haben wir eine UN-Behindertenrechtskonvention – das ist geltendes Recht, das ist nicht nice to have –, und die verpflichtet uns, Barrieren abzuräumen, damit Menschen mit Beeinträchtigungen volle Teilhabe haben können. Und was macht dieser Senat? – Er baut Barrieren auf! Und das wäre ein massiver Aufbau von Barrieren. Wir haben aber auch andere Beispiele wie den Bildungsbereich. Da hat uns die Behindertenbeauftragte des Senats im letzten Ausschuss noch mal sehr eindrücklich erklärt, was alles gerade abgebaut wird. Über die Persönliche Assistenz werden wir auch noch weiter diskutieren. Das, was dieser Senat hier macht, ist, mit dem Abbruchhammer durch inklusive Politik zu gehen, und das kann es wirklich nicht sein.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und hier geht es noch nicht mal um Geld, hier geht es um falsche Prinzipien. Es wäre ein Leichtes für Sie zu sagen: Okay, wir beschäftigen die Leute weiter. Wir nehmen das

(Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour)

Geld, das ohnehin da ist, aus dem SGE, für diejenigen, die dann regulär beim Land Berlin weiter beschäftigt werden, bauen ein Landesprogramm auf und machen damit den VBB-Begleitservice sicher und auch unabhängiger von Arbeitsmarktmitteln. – Ich sehe das schon auch: Das ist ein Problem, wenn solch eine zentrale Einrichtung vor allen Dingen über Arbeitsmarktmittel finanziert wird; wir haben ja auch noch Stellen nach § 16i und § 16e SGB II im VBB-Begleitdienst. Natürlich wären eine Verstetigung und ein ordentliches Programm dafür der richtige Weg. Das ist das, wozu ich Sie auffordere.

Ich paraphrasiere noch mal die gleiche Pressemitteilung des VBB vom Dezember 2023. Dort wurde uns nämlich versprochen, dass langfristig eine Unabhängigkeit von befristeten Finanzierungen gesucht wird und dass

„eine dauerhafte Aufnahme des VBB Bus&BahnBegleitservice in den Landeshaushalt ab … 2026/2027 angestrebt“

wird. Meine Forderung an diesen Senat ist: Kümmern Sie sich darum, dass das auch stattfindet! Das erwarten wir.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und wenn jetzt der halbe Senat auf Bundesebene Koalitionsverhandlungen führt: Vielleicht können Sie ja mal dafür sorgen, dass das auch entsprechend bundesgesetzlich abgesichert wird. Freie Spitzen müssen ja da sein. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Franziska Brychcy (LINKE): Wuu!]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Freymark das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! – Liebe Frau Schubert! Vielen Dank für Ihren Einsatz! Auch wenn es heute mit etwas im Hals ein bisschen schwieriger für Sie war, habe ich herausgehört, dass Sie mit großer Leidenschaft für den VBB-Begleitservice kämpfen. Ich glaube, damit sind Sie hier ganz sicher nicht allein. Ganz im Gegenteil, Sie finden dafür große Unterstützung auch bei der CDU-Fraktion, vermutlich auch bei der SPD-Fraktion und anderen Fraktionen hier im Haus.

Um ganz offen zu sein, wenn es den VBB-Begleitservice nicht gäbe, müsste man ihn eigentlich erfinden. Etwas abzuschaffen, was dieser Stadt viel Kraft gibt, viel Hilfe leistet, das kommt für uns nicht in Frage. Deswegen setzen wir uns sehr aktiv dafür ein, dass wir trotz der haushälterischen Lage in die Situation kommen, dass der

VBB-Begleitservice erhalten bleibt. Sie zitieren die Senatorin Bonde auch insofern richtig, weil ich sie nie anders verstanden habe, ganz im Gegenteil: Sie setzt sich sehr dafür ein. Aber, ja, diese Stellen sind damals auf Zeit angelegt worden. Diese sogenannten solidarischen Grundeinkommenstellen, SGE-Stellen genannt, müssen jetzt verstetigt werden. Das ist die eigentliche Aufgabe, an der es etwas hakt. Das sehe ich auch kritisch. Da hätte ich mir gewünscht, dass man gar nicht erst in die Situation kommt, dass außerhalb dieses Hauses der Eindruck entsteht, dass die Mittel gekürzt werden oder die Stellen wegfallen könnten.

Es ist ganz klar. Die Diskussion darum ist fast schon bedauerlich, weil, so glaube ich, auch ein bisschen Vertrauen verloren gehen könnte. Wir werden uns aber mit Nachdruck dafür einsetzen. Ich habe Frau Bonde und auch Herrn Evers so verstanden, dass sie beide gerade sehr bemüht sind, das genau in eine Form zu gießen, die dann auch langfristig trägt und die Sicherheit gibt, dass der VBB-Begleitservice in der jetzigen Qualität erhalten bleibt. Das bedeutet im Übrigen weiterhin für die Menschen, die das in Anspruch nehmen, ein selbstbestimmtes Leben mit und durch den ÖPNV. Über 20 000 Nutzer pro Jahr nutzen das mittlerweile. Es werden jedes Jahr mehr und mehr. Und das ist auch gut so! Das wollen wir also stärken.

Es ist eine hohe Identifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort zu spüren. Das merkt man, wenn man mal mit begleitet, wenn man in die Zentrale fährt, wenn man mit den Einzelnen dort spricht. Auch die Umfragen unter den Nutzern sind außergewöhnlich gut. Ich kenne fast keine Initiative im Land Berlin, die sich so selbst kontrolliert und versucht, besser zu werden. Sie merken schon, ich versuche nicht, Frau Schubert, jetzt hier mit irgendwelchen halbseidenen Aussagen den Eindruck zu erwecken, man kümmert sich schon, sondern wir haben sehr wohl verstanden, was der Wert des VBBBegleitservice ist.

[Katina Schubert (LINKE): Das ist auch gut!]

Deswegen werden wir uns sehr stark dafür machen, dass er weder wegfällt, noch dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sorge sein müssen, was mit ihren Stellen passiert. Ganz im Gegenteil, wir brauchen sie alle, liebe Frau Rau vom VBB-Begleitservice, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch diejenigen, die als Kunden hier das Angebot nutzen. Sie werden sich auf uns verlassen können. Das ist unsere Zusage. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Wapler das Wort. – Bitte schön!

(Katina Schubert)

Die Worte höre ich wohl, Herr Kollege,

[Beifall von Heiko Melzer (CDU)]

wir müssen dann auch Taten sehen, denn seit mittlerweile 17 Jahren gibt es den Begleitservice und viele Tausend Male haben die Fachkräfte Fahrgäste durch den öffentlichen Nahverkehr in Berlin begleitet, Tag für Tag von Tür zu Tür. Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal den Mitarbeiterinnen des Begleitservice danken: Was Sie tun, ist bewundernswert und sichert eine aktive Mobilität in dieser Stadt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Florian Dörstelmann (SPD)]

Denn wir alle wissen, wie es ausschaut mit der Barrierefreiheit im Berliner Nahverkehr. Wir wissen auch, wie dringend erforderlich die Unterstützung durch den Begleitservice ist, damit die Menschen tatsächlich ihren Weg durch die Stadt machen können. Und ja, diese Möglichkeit steht jetzt akut auf der Kippe. Dass der Begleitservice in Gefahr ist, zeichnete sich schon länger ab. Da liegt vielleicht auch eine leise Kritik an dem Dringlichkeitsantrag der Linken, denn schon in der Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Januar haben wir über die Zukunft der Mitarbeiterinnen gesprochen. Die werden hauptsächlich durch das Arbeitsmarktprogramm Solidarisches Grundeinkommen finanziert, das Ende des Jahres ausläuft. Es wird eigentlich kein AbendschauBericht benötigt, um die Dringlichkeit deutlich zu machen. Ich darf in diesem Zusammenhang unseren Antrag nennen „Den Teilnehmer*innen und Projekten des Solidarischen Grundeinkommens (SGE) eine sinnvolle Perspektive geben“, der heute ebenfalls auf der Tagesordnung steht.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Penn?

Wo ist er? – Ja, bitte.

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Kollege Wapler, dass Sie die Zwischenfrage zulassen! Sie erwähnten gerade richtigerweise, dass der Begleitservice schon seit 17 Jahren existiert. Davon haben Sie auch eine erhebliche Zeit mitregiert. So stelle ich meine Frage: Warum ist es Ihnen nicht gelungen, eine dauerhafte Sicherung schon früher zu ermöglichen?

Diese Platte spielt sich ab. Wir haben alle die gemeinsame Verantwortung, hier tatsächlich eine Nachfolge für den Begleitservice zu finden. Ich habe das jetzt so verstanden, dass wir uns auch in dieser Sache einig sind.

[Danny Freymark (CDU): Ja!]

Eigentlich könnten wir dann auch diesen Antrag hier sofort zur Abstimmung stellen und den hier auch beschließen. Wenn wir uns da einig sind, dann glaube ich, finden wir einen Weg. Aber ich habe bei Ihnen bis jetzt noch nicht gesehen, was Sie tatsächlich machen wollen. Das Problem haben Sie jetzt, denn jetzt ist die Frage akut und jetzt müssen Sie etwas tun. Sie sind in der Regierung. Machen Sie jetzt was.