Nachdem wir uns 1989/90 ändern mussten, seid ihr jetzt dran! –, und zwar aus dem einfachen und gleichen Grund: weil der Sozialismus in seinen unterschiedlichen Verpuppungen wieder mal keine Lösung, sondern Teil des Problems ist, damals wie heute.
Amerika macht es vor: Der woke Neosozialismus hat weder dort noch in Europa noch im Nachampeldeutschland eine Zukunft. Man kann nur hoffen, dass auch die politische Klasse in Deutschland den Schuss gehört hat und die richtigen Lehren zieht – die richtigen Lehren aus dem 9. November 1989, aber auch aus dem 5. November 2024.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Trefzer! Halten Sie es für besonders glaubwürdig, wenn jemand, in Baden-Württemberg geboren, die Gefühle der Ostdeutschen nach 35 Jahren Mauerfall hier beschreibt? Halten Sie das wirklich für glaubwürdig, Herr Trefzer?
Sie wissen vielleicht, dass ich über die Hälfte meines Lebens in Ostberlin lebe, mit einer Köpenickerin verheiratet war, verheiratet bin
Ich muss schon sagen, das finde ich peinlich. Auf der Besuchertribüne sitzt beispielsweise Carl-Wolfgang Holzapfel, der langjährige Vorsitzende der Vereinigung 17. Juni 1953. Ja, der ist auch in Westdeutschland sozialisiert worden, hat lange Jahre in Westdeutschland gelebt, saß aber in Hohenschönhausen in Einzelhaft. Nach Ihrer Logik könnte der auch nichts zu diesem Thema sagen. Ich finde das wirklich peinlich, was Sie hier gerade gemacht haben, Herr Gräff,
und weise das entschieden zurück. Es zeigt, dass Sie inhaltlich, substanziell zu dem, was ich gerade ausgeführt habe, nichts zu sagen haben
und dass Sie peinlich berührt sind von den Zusammenhängen, die ich gerade dargestellt habe, und von dem, was in den letzten Jahren in unserem Land schiefging und was jetzt an Aufbruchsignalen, auch aus Amerika, mit Trump auch nach Ostdeutschland reingeht. Ich glaube, dass Trump mehr für das Zusammenwachsen Deutschlands tun kann als viele Ostbeauftragte in Bund und Ländern,
Ich wundere mich auch nicht mehr, dass Sie von ehemaligen Dissidenten und Opfern der SED-Diktatur nicht mehr gewählt werden, sondern die AfD.
Abschließend noch ein Wort zu den Entschließungsanträgen der Koalition und der Grünen: Dass nun ausgerechnet nach dem 7. Oktober 2023, also nach dem schlimmsten Angriff auf jüdisches Leben nach 1945, zum ersten Mal in einer Resolution dieses Hauses zum 9. November 1989 das Pogrom vom 9. November 1938 nicht einmal erwähnt, geschweige denn eingeordnet werden soll, empfinde ich als absolut inakzeptabel und wirklich ein No-Go für Ihre Entschließungsanträge, liebe Koalition, liebe Grüne! Insofern fällt Ihr Entwurf hinter die Entschließungen zurück, die dieses Haus vor fünf Jahren und davor am 9. November verabschiedet hat. Deswegen werden wir Ihren Entschließungsantrag ablehnen und bitten um Zustimmung zu unserem Antrag, der auch diesen Aspekt angemessen reflektiert. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Bevor wir zur Rede des Senats kommen, freue ich mich, auch die zweite Gruppe von Dienstkräften des Landeskriminalamts als Gäste heute im Berliner Abgeordnetenhaus begrüßen zu dürfen. – Herzlich willkommen und vielen Dank für Ihre Arbeit!
Dann spricht für den Senat der Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. – Bitte sehr, Herr Chialo!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Abgeordnete! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Berlin steht wie keine Stadt in Deutschland, gar in der Welt als Symbol für Krieg und Vernichtung, aber auch für Hoffnung, Aufbruch, Freiheit und Demokratie. Kein Tag bringt diesen Kontrast so stark hervor wie der 9. November. Wir erinnern an die Schrecken der Reichspogromnacht von 1938, in der eine organisierte Welle von nationalsozialistischer Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung Synagogen, Geschäfte und Wohnungen von Jüdinnen und Juden plünderte und zerstörte. Wir wissen: Das darf sich nie wiederholen.
Es ist unsere Aufgabe, das Bewusstsein für die Gefahren von Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz wachzuhalten.
Am 9. November 1989, also 51 Jahre später, fällt die Mauer. Dieser Tag markiert das Ende der Teilung Deutschlands und den Beginn des Zusammenbruchs des Ostblocks. Der 9. November ist der Höhepunkt einer Reihe von Ereignissen, die das politische Klima in Europa veränderten und zur Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland führten. Ich empfinde es als eine Ehre, 35 Jahre deutsch-deutsche Geschichte hier in Berlin zu feiern, in einer Stadt, die seit 1989 als ein leuchtendes Symbol für Freiheit gilt. Dieses Glück verdanken wir vielen mutigen Frauen und Männern, die in aktiver Opposition zur SED-Diktatur standen und sich jahrzehntelang gegen Repression auflehnten, so wie während der Solidarność in Polen oder in der Charta 77 in der Tschechoslowakei, wie es auch Rainer Eppelmann eindrücklich in seiner großartigen Festrede erläutert hat.
In einem persönlichen Gespräch hatte ich zu Beginn meiner Amtszeit die Gelegenheit, Frank Ebert kennenzulernen. Seine Geschichte hat mich tief berührt. Frank Ebert ist heute der Beauftragte des Landes Berlin zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Im Jahr 1989, als er gerade einmal 19 Jahre alt war, stellte er sich gegen das Regime, indem er systemkritische Untergrundzeitschriften druckte und für freie Wahlen am Alexanderplatz demonstrierte. Sein Engagement führte ihn nicht nur zu Mahnwachen für politisch Inhaftierte, sondern auch direkt in die Fänge des Staates. Er wurde verhaftet, verhört, geschlagen und verbrachte mehrere Nächte in der Stasiuntersuchungshaftanstalt Rummelsburg. Frank Eberts Geschichte ist Teil eines größeren Ganzen, das von vielen Menschen, auch in unseren Gedenkstätten, erzählt wird, die im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit bereit waren, alles zu riskieren, einige sogar ihr Leben.
Es gibt viele mutige Stimmen, die mit der Friedlichen Revolution 1989 die Welt veränderten. Sie erinnern uns daran, was Diktaturen anrichten können und dass der Kampf für Freiheit und Demokratie stets Mut erfordert, einen Mut, an den wir heute hier erinnern und den wir heute hier auch feiern. Es ist wichtig, dass wir uns an den Mut der Menschen in der ehemaligen DDR erinnern und ihn dankbar anerkennen. Mut zur Veränderung und die Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen, sind der Schlüssel zu einer starken Gesellschaft und einer besseren Zukunft. Freiheit und Verantwortung gehen dabei Hand in Hand. Wir tragen die Verantwortung, die Geschichte unseres Landes wachzuhalten und die Gedenkorte auch in Zukunft zu bewahren. Gleichzeitig sollten wir mit Entschlossenheit den heutigen Krisen und Angriffen auf unsere freiheitliche Grundordnung begegnen.
In einer Ära, in der die Integrität der Demokratie maßgeblich davon abhängt, den Wählerwillen zu achten, sehen sich die transatlantischen Beziehungen durch die Wahl des neuen Präsidenten vor ernste Herausforderungen gestellt, während der gestrige Dammbruch im Bund eine tiefgreifende demokratische Krise heraufbeschwört, die ebenfalls als Lackmustest für die politische Stabilität wahrgenommen wird.
Genau jetzt ist Mut gefragt, der Mut, den uns die Menschen in der DDR vorgelebt haben, der unerschütterliche Mut und die unbändige Zuversicht, die sie auf ihrem entschlossenen Weg in die Freiheit angetrieben haben.
Deshalb lade ich alle Berlinerinnen und Berliner ein, mit uns gemeinsam zu gedenken. Die Stärkung der Demokratie muss im Zentrum staatlichen Handelns stehen. Hier in Berlin tun wir das mit der Demokratiekonferenz, dem Demokratietag und vielen weiteren Formaten. Denn ohne Freiheit gibt es keine Demokratie.
Die Gedenkstätten und Bildungsorte in Berlin, die an die Bürgerbewegungen der DDR, an die Friedliche Revolution und an die Wiedervereinigung erinnern, sind von großer Bedeutung. Institutionen wie die Gedenkstätte Berliner Mauer, Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen oder auch das ehemalige Stasi-Gefängnis in der Keibelstraße sowie der Campus für Demokratie leisten täglich einen unverzichtbaren Beitrag zu unserem gemeinsamen Erinnern. Ich möchte deshalb allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Gedenkstätten sowie allen, die sich in zivilgesellschaftlichen Aktionen engagieren, unseren herzlichen Dank aussprechen.
[Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Kristin Brinker (AfD)]
Wir gedenken zuerst der mutigen Frauen und Männer, die für unsere Freiheit ihr Leben gegeben haben. Ohne sie wären wir heute nicht in der Lage, 35 Jahre Freiheit und Einigkeit zu feiern. Aus dieser tiefen Dankbarkeit heraus senden wir am Samstag von Berlin aus ein starkes Zeichen der Hoffnung in die Welt. Am 8. und 9. November wird hier in Berlin eine 4,5 Kilometer lange Plakatinstallation unter dem Motto „Haltet die Freiheit hoch!“ gezeigt, die sich mit der Friedlichen Revolution in der DDR und dem Mauerfall beschäftigt.
Ich freue mich besonders auf die Band für die Freiheit, bei der Hunderte von Musikerinnen und Musiker, aber auch alle Berlinerinnen und Berliner, also auch Sie, herzlich eingeladen sind, entlang des ehemaligen Mauerverlaufs zu spielen und zu singen. Es wird spannend, gemeinsam einen Klangteppich zu schaffen und die verbindende Kraft der Musik zu erleben. „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen steht dafür sinnbildlich und dürfte auch gespielt werden.
Möge unser Fest ein inspirierender Aufruf sein, für die Freiheit aller einzutreten und die Hoffnung auf eine gerechtere Welt zu verbreiten, während wir uns gleichzeitig verpflichten, niemals den Mut zu verlieren, für unsere Demokratie aufzustehen und sie zu verteidigen. Wenn wir es nicht tun, macht es keiner. – Herzlichen Dank!
Wir kommen zur Behandlung der Anträge. Vorgesehen ist eine sofortige Abstimmung. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, zunächst über den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 19/1988 – 35 Jahre Revolution und Mauerfall – abzustimmen. Wer diesen Antrag annehmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der AfDFraktion. Enthaltungen? – Bei Enthaltungen zweier fraktionsloser Abgeordneter. Damit ist der Antrag angenommen.
Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den inhaltsgleichen Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/1986.
Es folgt noch eine Abstimmung über den Antrag der AfD-Fraktion. Wer den Antrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 19/1999 – 35 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall – annehmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Gegenstimmen? –Bei Gegenstimmen aller anderen Fraktionen
und eines fraktionslosen Abgeordneten. Enthaltungen? – Bei Enthaltung eines fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag abgelehnt.