Protocol of the Session on November 7, 2024

Wir finden, dass der Weg endlich weg von Großunterkünften hin zu dezentraler Unterbringung und vor allem zum besseren Zugang zu Wohnungen führen muss.

[Unruhe]

Sie müssen schon zuhören und nicht die ganze Zeit reinschreien! – Dazu haben wir verschiedene Vorschläge gemacht, wie die Ausweitung des Wohnberechtigungsscheins auf Geflüchtete, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, ein kommunales Wohnungsbauprogramm für WBSInhaberinnen, höhere Belegungsquoten für WBS-Berechtigte und Geflüchtete in landeseigenen Wohnungen und die stärkere Inanspruchnahme von Leerstand. Das meiste davon ist aber nicht umgesetzt, und nun besteht auch noch das Risiko, dass über 2 500 Geflüchtete, die derzeit in Hotels und Hostels leben, in Massenunterkünfte wie Tegel ziehen müssen oder gar obdachlos werden, wovor selbst das Senatsschreiben warnt –

[Beifall von Katina Schubert (LINKE)]

und das, obwohl in Tegel katastrophale Zustände herrschen, es an Privatsphäre, Rückzugsmöglichkeiten und vielem mehr mangelt, wie wir alle von den vielen Beschwerden von Betroffenen wissen. Es ist daher unverantwortlich, den Verlust bestehender und neuer Unterkunftsplätze in Kauf zu nehmen und stattdessen Tegel weiter auszubauen – das geht vor allem an Sie, Herr Bürgermeister! –, aber genau das droht.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Der Senat spricht auch hier nicht mit einer Stimme. Während die Sozialsenatorin Kiziltepe – von hier aus auch gute Genesungswünsche an sie – in etlichen Integrationsausschusssitzungen, im letzten Plenum auch, davon sprach, dass Tegel schnellstmöglich zu schließen sei, soll der Regierende hingegen in einem Gespräch mit Auslandskorrespondenten gesagt haben, dass er vom erheblichen Ausbau von Tegel ausgehe. – Auch im letzten Plenum wollten Sie das nicht dementieren. Ein Kommentator im Tagesspiegel schreibt daher dazu – ich zitiere –:

„Für Wahlkampf ist es erstens zu früh und zweitens wäre er auf dem Rücken der Geflüchteten schäbig.“

Ich finde, er hat recht.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Hören Sie daher auf mit den Debatten, und schaffen Sie umgehend die Voraussetzung dafür, dass die notwendigen Mittel für die Hotelzimmer freigegeben werden können. Legen Sie ein verwaltungsübergreifend mit den Bezirken, den NGOs und den Geflüchtetenvertretungen erarbeitetes Konzept mit einem verbindlichen Zeitplan zur Auflösung von Tegel und zum Umzug der Geflüchteten in Wohnungen und übergangsweise in reguläre Unterkünfte vor.

[Zurufe von Christian Gräff (CDU) und Dennis Haustein (CDU)]

Sie sprechen in Ihrem Koalitionsvertrag von dezentraler Unterbringung, von Teilhabe, von Berlin als sicherem Hafen. Dann werden Sie diesem Anspruch auch endlich gerecht. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Wohlert das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen im Abgeordnetenhaus! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesländer sind nach dem Asylgesetz des Bundes dazu verpflichtet, entsprechend des monatlichen Zugangs die erforderlichen Aufnahmeeinrichtungen und Unterbringungsplätze für Asylbegehren bereitzustellen. Dieser Verpflichtung muss die SPD-geführte Senatsverwaltung für Integration nachkommen. Diese Verpflichtung müssen wir als CDU-Fraktion erfüllen. Diese Verpflichtung erfüllen wir als Koalition. Wir nehmen gemeinsam unsere Verantwortung wahr.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zu dieser Verantwortung gehört aber auch, jede potenzielle Unterkunft für Asylbewerber und Flüchtlinge im Lichte der herausfordernden finanziellen Lage des Landes Berlin umfassend zu prüfen und seriös zu bewerten.

Dabei stellen wir stets folgende Fragen: Ist die Anmietung oder Mietverlängerung bei einer Unterkunft wirtschaftlich? Welche Kosten soll und kann das Land Berlin für etwaige Umbau- und Sanierungsarbeiten tragen? Wäre ein Kauf der Immobilie unter Umständen wirtschaftlicher als die Anmietung? Welche Standortalternativen stehen mit Blick auf die in vielen Kiezen angespannte soziale Infrastruktur und bereits vorhandene und geplante Unterkünfte im Umfeld zur Verfügung? Wie kann der geschaffene Wohnraum allen Bevölkerungsgruppen zugutekommen? Welche Nachnutzungsperspektiven gibt es für die Unterkunft? Diese Fragen müssen vor der Entscheidung über eine neue Unterkunft oder eine Mietverlängerung gemeinsam beantwortet werden.

Um die Zahl erforderlicher Unterkünfte zu reduzieren, muss die neue Bundesregierung ab dem Jahr 2025 die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen, Migration spürbar zu reduzieren.

[Beifall bei der CDU]

Als CDU-Fraktion erwarten wir unter anderem die Ausweitung sicherer Herkunftsstaaten, mehr Migrationsabkommen mit Herkunfts- und Transitländern und die Beschleunigung von Asylverfahren.

Als Land Berlin müssen wir weiteren bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen und damit auch tatsächlich bleibeberechtigte Flüchtlinge schaffen, wie alle anderen Bundesländer die Bezahlkarte einführen und die Anstrengungen, Ausreisepflichtige zurückzuführen, weiter erhöhen.

Unabhängig von den Bemühungen des Landes und hoffentlich bald auch des Bundes geht unser Regierender Bürgermeister Kai Wegner zu Recht davon aus, dass wir angesichts des Unterbringungsdrucks nicht nur Großunterkünfte, Containerstandorte und viele Dinge, die Sie aufgezählt haben, brauchen, sondern bis auf Weiteres auch das Ankunftszentrum in Tegel benötigen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Omar das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder streitet der schwarz-rote Senat auf offener Bühne über eine zentrale Frage in unserer Stadt, nämlich die Unterbringung von Geflüchteten. Sie führen sich gegenseitig vor, das letzte Mal im Hauptausschuss letzten Freitag.

Worum aber geht es dieses Mal konkret? Es geht um etwa 2 900 Unterbringungsplätze in Hotels und Hostels, deren Mietverträge, Kollege Wohlert, zum Ende des Jahres auslaufen. Diese Mietverträge müssen eigentlich schon jetzt verlängert werden, damit Planungssicherheit da ist. Es war beabsichtigt, dem Parlament spätestens Ende Oktober die im Senat abgestimmte Vorlage vorzulegen, damit diese gerade noch rechtzeitig am letzten Freitag durch den Hauptausschuss geht.

[Dennis Haustein (CDU): Der Hauptausschuss tagt am Mittwoch!]

Aber nein, die Senatsverwaltung blockiert. Finanzsenator Evers verweigert die Unterzeichnung. Seit Wochen liegt das in seiner Senatsverwaltung. Also schickt die zuständige Sozialsenatorin Kiziltepe die Vorlage ohne Zustimmung des gesamten Senats in den Hauptausschuss, denn sonst wird es für die Verlängerung der Verträge zu spät.

Die zuständige Sozialsenatorin wird von diesem Koalitionspartner immer wieder blockiert und bloßgestellt. Der Regierende Bürgermeister hat wiederholt auf offener Bühne gezeigt, dass die Sozialsenatorin entweder durch seine Politik entmachtet oder ihre Fachkompetenz in Frage gestellt wird. Ich erwähne die Bezahlkarte für Geflüchtete, bei der sich der Regierende Bürgermeister auf

(Elif Eralp)

der MPK entgegen des Rates seiner zuständigen Senatorin für eine Bargeldbegrenzung von 50 Euro ausgesprochen hat, obwohl die zuständige Sozialsenatorin gesagt hat, dass dies für ihre Verwaltung enorm viel Bürokratie mit sich bringen werde und für die Integration von Geflüchteten nicht sinnvoll sei. Auch beim Thema Beschulung von geflüchteten Kindern in den Unterkünften hat sich der Regierende Bürgermeister wieder auf die Seite seiner Bildungssenatorin aus der eigenen Partei gestellt, gegen die Sozialsenatorin Kiziltepe.

Es hört hier nicht auf, aber ich komme zurück zum Thema, denn die Beispiele, wie der Senat mit dieser sozialen Frage umgeht, sind wirklich sehr bedenklich, und das führt dazu, dass auch die Integration darunter leidet. Die Frage, die wir uns als Opposition stellen, lautet: Hat der Regierende Bürgermeister überhaupt noch Vertrauen in seine Sozialsenatorin? Wie lange wird der Koalitionspartner SPD die eigene Fachfrau auf offener Bühne vom Koalitionspartner angreifen lassen und nichts dagegen machen? So kann man diese Stadt nicht regieren, jedenfalls nicht gut regieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Aber zurück zum Thema des jüngsten Konflikts, der diesen Streit ausgelöst hat, der dezentralen Unterbringung von Geflüchteten in der Stadt. Wenn wir im Ausschuss fragen: Warum werden die MUF-Standorte in den Bezirken nicht realisiert? Warum wird die dezentrale Unterbringung in der Stadt nicht organisiert? –, dann zeigt der Senat auf die Bezirke und sagt, dass die Bezirke die Standorte blockieren

[Thorsten Weiß (AfD): Weil sie nicht wollen!]

und vereinzelt auch nicht wollen, dass der Wohnraum dort entsteht.

Aber auch wir führen Gespräche mit den Bezirken, mit Bezirksbürgermeisterinnen und -meistern, mit den Stadträtinnen und -räten, mit den BVV-Verordneten, übrigens aller demokratischer Farben, und es ist nicht so, wie es der Senat darstellt. Ja, es gibt manchmal vereinzelt über bestimmte Standorte Uneinigkeit zwischen dem Senat und den Bezirken, aber das kann man durch Gespräche, durch die Ermittlung der Bedarfe der Bezirke auch bereinigen.

Man kann die Forderungen in den Bezirken auch erfüllen. Die Bezirke wollen, dass, wenn neue Unterkünfte entstehen, auch die soziale Infrastruktur mitwächst. Das ist ihr gutes Recht, denn letztendlich geht es um die Integration von Geflüchteten, nicht nur um ihre Unterbringung. Der Senat muss sich jetzt wirklich an die Arbeit machen, mit den Bezirken gemeinsam in enger Zusammenarbeit diese Standorte feststellen und die dezentrale Unterbringung ermöglichen, anstatt sich gegenseitig zu blockieren.

Denn Tegel, die Kollegin Elif Eralp hat es ausgeführt, ich will es nicht wiederholen, ist extrem teuer, ist menschen

unwürdig und integrationsfeindlich. Tausende von Menschen abgeschirmt von der Stadt unterzubringen, ist nicht zielführend und dazu auch noch extrem teuer.

[Beifall von Vasili Franco (GRÜNE)]

Der Senat riskiert mit seiner Vorgehensweise, dass sogar bestehende Hotelplätze verloren gehen, weil auch die Betreiber keine Planungssicherheit haben. Herr Wohlert! Wir sind jetzt im November, Anfang November, und die Verträge laufen bis zum Ende des Jahres. Wir haben noch keine Zusage vom Senat, dass diese 2 900 Plätze in den Hotels und Hostels gesichert werden. Deswegen hat die Senatorin versucht, das über den Hauptausschuss hinzubekommen.

Lieber Senat! Hören Sie auf, sich auf dem Rücken der Geflüchteten zu profilieren und zu streiten, und machen Sie sich stattdessen an die Arbeit! Denn es gibt genug zu tun, damit unsere Stadt weiterhin funktioniert. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Özdemir das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Frau Eralp! Ich verstehe Ihre Sorgen, denn es gibt in dieser Stadt Gruppen von Menschen, die anderen Menschen ernsthaft den Dreck unter ihren Fingernägeln nicht gönnen, und es gibt eine spezifische Gruppe von Menschen in diesem Land, die andere Menschen herabwürdigen und erniedrigen. Es gibt eine Gruppe von Menschen in diesem Land, die andere Menschen verächtlich und als minderwertig betrachten, und es gibt eine Gruppe von Menschen in diesem Land, die nichts lieber machen würde, als geflüchtete Menschen ‒ Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderungen, Seniorinnen und Senioren, queere Menschen ‒ in Lager zusammenzupferchen und zu deportieren. Eine dieser Gruppen sind die Faschisten von der AfD.

[Lachen von Dr. Kristin Brinker (AfD) ‒ Zuruf von Rolf Wiedenhaupt (AfD)]

Ich kann Ihnen jedoch versichern, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Oppositionsfraktionen, dass das Ziel der Koalition weiterhin ist, geflüchtete Menschen menschenwürdig unterzubringen. Ich kann Ihnen versichern, dass die Direktive der Koalition weiterhin ist, die geflüchteten Menschen nach Möglichkeit dezentral unterzubringen. Ich kann Ihnen versichern, dass uns bewusst ist, dass die Unterbringungssituation in Tegel suboptimal ist und nur aus der Not heraus in dieser Form stattfindet. Ich kann Ihnen versichern, dass wir alle

(Jian Omar)