Protocol of the Session on March 21, 2024

[Beifall von Orkan Özdemir (SPD)]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich strahle Sie an! Ich strahle Sie an, und ich kann mir das auch leisten, denn ich stamme aus Brunsbüttel.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN und von Stephan Häntsch (CDU)]

Da bin ich tatsächlich geboren und bis zu meinem 16. Lebensjahr aufgewachsen.

[Ronald Gläser (AfD): Hat Ihnen nicht geschadet!]

1978 gab es dort einen Störfall. Das hat keinen Spaß gemacht, niemandem von uns. Wir hatten wirklich Angst, das kann ich Ihnen sagen. Nebenwirkungen waren in einer Packungsbeilage nicht zu lesen, nein, aber ich habe Glück gehabt. Wir alle dort hatten wirklich Glück, und in Tschernobyl und in Fukushima haben Natur und Mensch kein Glück, bis heute nicht. Das Ausmaß der Katastrophe ist gigantisch; das müssen wir einfach wissen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und Brunsbüttel hat mir schon als Jugendliche klargemacht – und Sie haben es gerade eben richtig erwähnt –: Atomkraft ist in jeder Hinsicht Hochrisikotechnologie. Die SPD lehnt die Rückkehr zur Kernkraft selbstverständlich ab.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich könnte an dieser Stelle meine Rede enden lassen, aber nein, das tue ich nicht, weil die Energiepolitik doch viel zu wichtig ist. Sie müssten doch eigentlich wissen, dass Ihr Antrag auf der Bundesebene besprochen werden muss und natürlich nicht hier. Wir können das hier sowieso nicht regeln.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Adrian Grasse (CDU)]

Und Sie leugnen den Klimawandel – meine Güte! – immer noch. Sie verschweigen in Ihren wunderbaren Anträgen, die natürlich nicht wunderbar sind, auch die Gefahren, ständig und immer wieder. Es ist gerade gesagt worden: Die Endlagerproblematik ist nicht nur ungelöst, sie verschlingt Milliarden. Mittlerweile 450 Meter tief in die Erde reinbohren, und wir wissen nicht, wo wir den ganzen Kram lassen sollen, in Brunsbüttel wissen sie es nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und Atomstrom war in der Tat nie günstig. Frankreich wird die Preise erhöhen, und zwar richtig erhöhen. Die Megawattstunde geht ab 2026 nach oben. Und die neuen Kraftwerke – es ist gesagt worden – verteuern sich und sind verspätet. Und übrigens der Energieversorger – die EDF – schreibt Rekordverluste, sollten Sie mal nachlesen. All das sind Gründe, weshalb Deutschland längst aus der Atomkraft ausgestiegen ist, und das ist auch gut so.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

(Dr. Stefan Taschner)

Ach nee, das bringt keinen Spaß.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Daniela Billig (GRÜNE)]

Die AfD will zurück in ein Zeitalter der Kernkraft, erstaunlicherweise wollen das die Energiekonzerne eigentlich gar nicht so sehr. Nein, das stimmt nicht, dass sollten Sie vielleicht mal nachlesen. Und Sie verweisen jetzt schon auf 22 Staaten, die sich für die Atomkraft aussprechen – interessant! Sie erwähnen dabei aber nicht, dass auf derselben Weltklimakonferenz in Dubai über 110 den deutschen Kurs von mehr Erneuerbaren unterstützen. Das unterschlagen Sie natürlich. Das sagen Sie nicht.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katina Schubert (LINKE)]

Es ist wirklich bedauerlich, wie Sie damit so verantwortungslos umgehen. Das kann ich nicht anders sagen. Und wir werden natürlich und selbstverständlich diesen Antrag ablehnen. Und eins kann ich Ihnen versprechen: Ich habe damals mit 16 Jahren – und dieser Brief liegt hier –, weil ich nicht weiter wusste, an die Politik geschrieben, weil ich gesagt habe: Leute, das geht so nicht! – Ich möchte bitte diese Briefe nicht mehr schreiben, und die SPD wird diese Briefe nicht mehr schreiben. – Danke!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und nun hat der Kollege Hansel noch mal das Wort für eine Zwischenintervention.

[Katina Schubert (LINKE): Das wird nicht besser! – Weitere Zurufe]

Ich war ja mal fünf Jahre in der SPD, und ich lese jetzt erst die Erinnerungen von Franz Josef Strauß. Der war der erste Atomminister. Da sollten Sie einmal lesen, Frau Kollegin, Sie sind ja ein bisschen jünger, dass die SPD die Atomfetischpartei in dieser Republik war.

„Die Arbeiterklasse in Deutschland wird durch die Atomenergie siegreich werden“,

das steht da wörtlich auf dem Parteitag 1955. Das sollten Sie sich einmal angucken.

[Zuruf von Orkan Özdemir (SPD)]

Jetzt noch einmal zur Sache: was Sie hier bringen –

[Anne Helm (LINKE): Zurück in die Fünfziger! – Lars Düsterhöft (SPD): Zurück in die Vergangenheit! – Michael Dietmann (CDU): Das hilft doch nicht! – Weitere Zurufe von der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Kollege! Man kann sich doch nicht alles anhören. Die Leute sollen doch mal in ihre eigene Tradition zurückgehen. – Wer hatte die Atomindustrie in Deutschland durchgesetzt? – Helmut Schmidt war das, und er hatte recht. Und Helmut Schmidt wäre heute bei uns, weil er mitgedacht hätte, da Sie das nicht können.

[Anne Helm (LINKE): Komm, jetzt ist ja gut, setzen!]

Noch eine Geschichte: Der deutsche Sonderweg eines Hochindustrielandes, den machen Sie, und damit gehen Sie auch unter, erst in Ostdeutschland und demnächst auch im Rest.

[Beifall bei der AfD]

Frau Wolff wünscht nicht dazu zu sprechen. – Damit hat für die Fraktion Die Linke nun Herr Kollege Scheel das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kommt sich ja vor wie im Tollhaus! Sie haben schon im letzten Jahr zu einem Antrag mit ähnlicher Zielrichtung gesprochen, und ich habe so ein bisschen das Gefühl, bei der AfD handelt es sich um Wiederkäuer der Bundesebene.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Es wird immer wieder rausgebrochen und noch mal rein. Ich weiß nicht, was die in Berlin machen, ich kann Ihnen nur einen anderen Punkt mitgeben, weil viele richtige Sachen schon gesagt worden sind: Die Bundesrepublik Deutschland hat in voller Souveränität, darauf legen Sie doch immer viel wert, den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, und wird ihn auch umsetzen. Wo ist also ihr verdammtes Problem?

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist ein Fehler!]

Das können Sie ja als Fehler sehen. Ich sage nur: Die Bundesrepublik Deutschland, und wenn Sie jetzt gucken, alle anderen Länder hätten das gemacht und man sollte hier – – Normalerweise sind Sie ja auch immer sehr ichbezogen und auf unser Heimatland, Vaterland, und hier ist alles toll. Und da auf einmal müssen Sie nach draußen gucken. Ich sage: In voller Souveränität haben wir diese Entscheidung getroffen, weil die Frage von Sicherheit, die Frage der Endlagerung und auch der Kosten überhaupt nicht geklärt sind und in keinem Verhältnis zu den Risiken stehen, die mit dieser Technologie einhergehen.

Und ich muss auch mit Folgendem aufräumen: Wir hatten zuletzt nicht mal mehr 6 Prozent Strom aus Atom.

Und wenn Sie hier so tun, als würden diese 6 Prozent eine Preissenkung produzieren, dann haben Sie bis heute das Merit-Order-Prinzip nicht verstanden.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Es geht um Spitzenzeiten!]

Der Letzte, der einspeist, der Teuerste macht den Strompreis. Das ist ein Problem. Man kann darüber reden, ob das sinnvoll ist, aber Ihre Aussage, dass der Atomstrom den Strompreis senken würde, ist einfach grundfalsch. Das haben Sie einfach nicht verstanden.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Lassen Sie mich noch einen kurzen Schlenker machen. Die Europäische Union ist auf Energie gegründet worden. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Euratom, das waren die großen Werte. Wir sind seit 2021 von der EU aus auf den Weg in die Energieunion. Vielleicht sollten Sie auch noch mal mitnehmen, dass wir in einem europäischen Verbundsystem sind, und wenn andere Staaten in ihrer Souveränität andere Entscheidungen treffen, dann haben Sie das weder zu kritisieren, noch zu bemängeln, noch irgendwas. Wir sind in einem europäischen System, und wir werden aufgrund unserer demografischen und geografischen Lage auch darauf angewiesen sein, dass wir eine stärkere Vernetzung der europäischen Länder hinbekommen

[Frank-Christian Hansel (AfD): Mit Atomstrom von anderen Ländern! Mit Atomstrom aus Skandinavien!]

mit HGÜ-Leitungen – Hochspannungs-GleichstromÜbertragungsleitungen –, die gebaut werden, damit wir auf die Wasserkraft der Skandinavier mitzugreifen können, damit wir bald Speichertechnologien haben und natürlich auch mit unseren anderen Nachbarländern einen vernünftigen Austausch haben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Alles noch nicht da!]

Doch, das ist da, und das wird auch schon gebaut, machen Sie sich dort doch einfach mal kundig.