Protocol of the Session on March 21, 2024

Ich rufe auf

lfd. Nr. 18:

Mobilität für alle: ein kostenfreies, öffentliches Fahrradverleihsystem für Berlin

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Mobilität und Verkehr vom 29. November 2023 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 24. Januar 2024 Drucksache 19/1416

zum Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 19/1048

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke und hier der Kollege Schenker. – Bitte schön!

Dann würde ich jetzt gerne die Mobilitätssenatorin zitieren, denn die ist gar nicht anwesend bei diesem schönen Thema.

[Katina Schubert (LINKE): Wir sind vielleicht auch zu schnell! – Rolf Wiedenhaupt (AfD): Wir sind vor der Zeit!]

Dann würde ich darüber abstimmen lassen. Wer dem Antrag, die Senatorin zu zitieren, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Linksfraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die AfD-Fraktion und ein fraktionsloser Abgeordneter. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltungen der CDUFraktion und der SPD-Fraktion warten wir dann auf das Eintreffen der Senatorin.

So, da ist auch Frau Senatorin Schreiner, dann können wir mit der Tagesordnung fortfahren.

Ja, wunderbar! – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Knapp ein Jahr regieren CDU und SPD jetzt in Berlin zusammen, und mein Fazit für den Radverkehr lautet: Stoppen, Anhalten, Bremsen – egal, wie Sie es nennen wollen, die Verkehrswende wird jedenfalls ausgebremst. Zahlreiche Radwegeprojekte wurden gestoppt, verzögert oder Gelder sind verfallen. Wir lesen das immer wieder. Kein Wunder: Die CDU hat sich im Wahlkampf als Anwältin für das Auto aufgeschwungen und bleibt sich selbst leider treu; das muss man immerhin anerkennen. Ich würde mal sagen: Das, was wir in Berlin erleben, ist gerade so was wie eine Cancel Culture für die Mobilitätswende.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Anne Helm (LINKE): Uui! – Zurufe von der CDU]

Und es geht ja nicht nur um Radwegeprojekte, denen Sie an den Kragen wollen, sondern Sie blockieren auch Verkehrsberuhigung oder mehr Aufenthaltsqualität durch Kiezblocks. Ich bin aber überzeugt: Wir brauchen eine Mobilitätspolitik, die alle im Blick hat, und dazu gehören eben auch die vielen Zehntausend Berlinerinnen und Berliner, die täglich mit dem Fahrrad unterwegs sind oder unterwegs sein wollen, und das wollen sie schnell, bequem und vor allem sicher. Zu einer guten Radinfrastruktur gehören neben sicheren Radwegen, mehr Abstellmöglichkeiten und auch so etwas wie Fahrradreparaturstationen eben auch mehr Räder in der Stadt, und dabei kann ein besser ausgebautes öffentliches Fahrradverleihsystem ein wichtiger Baustein sein.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir wollen ein kostenfreies kommunales Leihfahrradsystem mit mindestens 10 000 Rädern und 1 000 Stationen für Berlin auf den Weg bringen. Das wäre in etwa eine Verdopplung dessen, was wir bisher in Berlin als Angebot haben. Der Zeitpunkt ist auch genau richtig, denn wir reden ja gerade über eine europaweite Neuausschreibung und Neukonzeptionierung. Wir denken, dass so ein kommunales und eben kostenfreies Leihfahrradsystem wichtig für die Mobilitätswende wäre, gerade auch für Menschen in den Randbezirken.

Der Blick über den Tellerrand zeigt, ein funktionierendes kostenfreies Leihfahrradsystem gibt es zum Beispiel in Hamburg. Da sind die ersten 30 Minuten der Nutzung kostenfrei. Die Räder werden kommunal betrieben, und die Erfahrung zeigt, dass gerade das noch mal eine zusätzliche Attraktivitätssteigerung ist.

Leihfahrradsysteme sind nicht nur für Touristinnen und Touristen. Tatsächlich gibt es auch viele Berlinerinnen und Berliner, die vielleicht nicht jeden Tag mit dem Rad in der Stadt unterwegs sein wollen. Deswegen wäre so etwas ein gutes Angebot.

Auch in anderen europäischen Metropolen gibt es bereits leistungsfähige und attraktive Fahrradverleihsysteme. Vélib’ in Paris zum Beispiel ist weltweit das größte öffentliche Fahrradverleihsystem und bietet allein im Großraum Paris circa 20 000 Fahrräder, davon 40 Prozent elektrisch, und 1 400 Stationen an. Im Pariser Stadtgebiet gibt es mittlerweile alle 300 Meter eine Station. Ich glaube, es lohnt sich, da noch mal hinzuschauen. Das ist eine sehr gute Sache.

Nicht zuletzt ist eine gute Radinfrastruktur für die ganze Stadt eben auch eine soziale Frage, denn um die Attraktivität des öffentlichen Leihfahrrads zu stärken und Mobilität für alle zu fördern, die nicht vom Geldbeutel abhängig ist, sollten zumindest die ersten 60 Minuten für alle Nutzenden grundsätzlich kostenfrei sein. Damit lassen sich die meisten Gelegenheiten in Berlin erreichen. Also Mobilität für alle, unabhängig vom Geldbeutel, statt Klientelpolitik für einen kleinen Teil, der ausschließlich

(Präsidentin Cornelia Seibeld)

Auto fährt, das würden wir uns wünschen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Kraft das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schenker! Sie haben einiges Richtiges gesagt. Ja, es ist richtig, das wettbewerbliche Verfahren für die Neuausschreibung ist gerade in Gang. Das ist ein europaweiter Prozess. Es ist innerhalb kürzester Zeit gelungen, auch eine personelle Verstärkung zu bekommen, um eine sachgerechte Betreuung zu gewährleisten. Nichtsdestotrotz, weil in der Vergangenheit wenig passiert ist, wird es vermutlich nicht möglich sein, das Verfahren bis zum Auslaufen zu Ende zu führen, das heißt, es wird an einer Überbrückung mit dem aktuellen Betreiber gearbeitet.

Aber gucken wir uns mal die Situation an! Im Kerngebiet gibt es – Stand heute – an allen S- und U-Bahnhöfen und Haltestellen der Straßenbahn mindestens eine Station für Leihfahrräder. Aktuell sind es 2 400 Stationen. Es sind 6 500 Leihfahrräder in dieser Stadt unterwegs. Der Vertrag wurde 2014 geschlossen. Dieses Angebot kostet das Land Berlin jährlich 1,5 Millionen Euro, so die Größenordnung. Wenn Sie das mal mit der Inflation in den letzten zehn Jahren in Relation setzen, dann kommen Sie darauf, dass Sie mindestens den Faktor zwei obendrauf legen müssten. Dann wären wir, um den Stand jetzt zu halten, wenn wir eine neue Ausschreibung zu gleichen Konditionen machen würden, mindestens bei 3 Millionen Euro, also 3,2, um genau zu sein, um den Betrieb zu gewährleisten. Also halten wir mal fest: Ganz so schlimm ist die Situation in Berlin nicht, aber ich bin bei Ihnen, es gibt durchaus Verbesserungsbedarf.

Was fordern Sie in Ihrem Antrag? Schauen wir uns das mal an! Sie wollen 10 000 Leihfahrräder. Zur Erinnerung: Jetzt sind es 6 500. Sie wollen in einem Jahr 1 000 Stationen, und zwar bauliche Stationen. Aktuell gibt es 300 bauliche Stationen, 294, um genau zu sein. Das heißt, Sie wollen innerhalb eines Jahres die Anzahl der Stationen mehr als verdreifachen. Sie wollen die Ausdehnung des Angebots in die Außenbezirke. Ehrlich, finde ich nicht verkehrt, aber für mich wäre es vergleichsweise wichtiger, an den S-Bahnhöfen endlich mal genügend Fahrradabstellanlagen zu bauen, denn das ist das eigentliche Problem, nicht das Fehlen von Leihfahrrädern.

[Zuruf von Kristian Ronneburg (LINKE)]

Hätten Sie ja machen können, haben Sie nicht getan! – Und Sie wollen Pedelecs und Lastenräder. Dann wollen Sie ein kostenloses Angebot für Schüler, Azubis, Studenten und die Berechtigten des Berlin-Tickets S. Klingt alles nett. Dann wollen Sie die kostenlose Ausleihe in den ersten 60 Minuten, also alles im Wesentlichen kostenlos. Warum ist das alles kostenlos? – Weil, wenn Sie mal mit den Anbietern sprechen, die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Leihfahrrads beträgt, je nachdem, welcher Anbieter, zwischen 10 und 15 Minuten. Wenn Sie 60 Minuten kostenlos machen, ist es quasi ein kostenloses Angebot. Und ehrlicherweise, diese Subventionitis, die Sie immer an den Tag legen, egal bei welchem System, wenn es um den ÖPNV geht, finde ich schwierig, denn, das, glaube ich, müssen Sie auch endlich mal anerkennen, Gleichheit ist nicht Gerechtigkeit.

[Beifall bei der CDU]

Was Sie am Anfang vorgetragen haben, Ihre Polemik, ehrlicherweise, spielt ja keine Rolle, es muss alles kostenlos sein, woher das Geld kommt, interessiert uns nicht. Gucken wir uns doch mal an, was passiert, wenn man solche Subventionierungsmodelle macht! In aller Regel ist es eine Subventionierung von unten nach oben, und das wird mit der CDU nicht zu machen sein. Also ein vermutlich gut gemeinter Antrag, völlig unklar, woher das Geld kommen soll, aber das ist ja bei den Linken in der Regel nie so im Fokus.

[Katina Schubert (LINKE): Wer hat eigentlich diesen Haushalt verabschiedet? – Zuruf von Sebastian Scheel (LINKE)]

Lassen Sie uns darüber im Ausschuss sprechen! Vielleicht finden wir da noch eine Variante. – Vielen Dank, Frau Schubert!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Hassepaß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Zu „unklar, woher das Geld kommen soll“ sage ich mal heute lieber nichts.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Dieser Antrag führt mich zieldirekt zu meinem Lieblingsthema, dem Fahrrad, kostengünstig, schnell, effizient, ohne Lärm und Abgas und sogar noch gut für die Gesundheit. Das Fahrrad ist einfach ein Alleskönner.

[Beifall von Dr. Bahar Haghanipour (GRÜNE)]

Immer mehr Menschen haben das erkannt und sind aufs Rad umgestiegen. Über 30 Prozent pendeln bereits mit dem Fahrrad zur Arbeit. Auch die Nachfrage nach

Leihrädern ist massiv gestiegen. Nextbike verzeichnet eine Zunahme von 72 Prozent allein im letzten Jahr. Das ist eine großartige Nachricht für die stadtverträgliche Mobilität.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wie unverständlich und jammerschade ist es da, dass für diese positive Entwicklung nicht ausreichende Mittel im Haushalt bereitgestellt wurden. Der Senat will trotz der Rekordnachfrage das Angebot nicht ausweiten. Das ist nicht nachvollziehbar. Dabei müsste gerade die autoorientierte CDU ein Interesse daran haben, dass mehr Menschen aufs Rad steigen und die Straßen nicht zusätzlich verstopfen. Stellen Sie sich doch nur mal vor: Wenn alle Radfahrenden morgen auch ins Auto steigen und sich mit einfädeln würden, dann würden die Straßen in dieser Stadt komplett lahmgelegt werden. Also, liebe Autospezis der CDU, es wird Zeit, den Menschen, die mit dem Rad unterwegs sind, einmal laut Danke zu sagen, danke für ihre Entschlossenheit, Wege durch den urbanen Dschungel auf dem Rad zu suchen, und das, obwohl viele Wege immer noch unsicher, unbefahrbar oder gar nicht vorhanden sind.

Eine gut funktionierende Stadt wird es ohne die Lösung Fahrrad nicht geben, denn sowohl der private Bereich als auch der Wirtschaftsverkehr werden auf die Vorteile, die das Fahrrad bringt, nicht mehr verzichten.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ronneburg?

Ja!

Vielen Dank, Frau Kollegin, für die Möglichkeit der Zwischenfrage! – Die wollte ich eigentlich gerade dem Kollegen Kraft stellen, aber ich stelle sie Ihnen jetzt, denn ich bin anscheinend nicht mehr rangekommen. Frau Hassepaß! Sie haben auch die Frage der Finanzierung erwähnt. Können Sie sich noch an die Haushaltsberatungen für den Einzelplan erinnern, und können Sie sich auch an Anträge der Opposition für mehr Geld für Leihfahrradsysteme und die Ausschussdebatte, in der bestritten wurde, auch von der CDU-Fraktion, dass wir dafür mehr Geld bereitstellen müssten, erinnern?

Vielen Dank für die Frage, Herr Ronneburg! – Daran kann ich mich gut erinnern. Wir mussten für Fußverkehr, Verkehrssicherheit und auch diese Leihfahrradtitel kämpfen. Da wurde klar gesagt, dass nicht mehr Geld zur Verfügung steht. Das ist jammerschade.

Ich war gerade bei dem privaten Bereich und dem Wirtschaftsverkehr, ich rede jetzt noch mal weiter, denn sowohl die Hebamme als auch der Logistiker und die Schülerin warten auf endlich sichere Fahrradwege, um sicher unterwegs sein zu können. Das heißt, einfach machen, Fahrradwege ausbauen, Fahrradparkplätze umsetzen, Leihradstationen für die ganze Stadt schaffen, besonders an den ÖPNV-Stationen, besonders an Schulen, Unis und verstärkt in den Außenbezirken, gerade in den Außenbezirken.

Kurz gesagt: Öffnen Sie Ihr Herz für die Fahrradkultur, wie es andere Metropolen vormachen! Machen Sie smarte Mobilität auch in Berlin möglich! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Schopf das Wort.