Protocol of the Session on October 20, 2022

[Zuruf von der FDP: Wo?]

Dem Vorschlag der FDP kann ich dennoch etwas abgewinnen, Herr Rogat. An der alten Idee, individuelle und digitale Rechte festzuschreiben, können wir gerne gemeinsam weiterarbeiten, aber leider hat die FDP die Chance nicht genutzt, das Ganze einmal ausführlich und ausdrücklich aufzuschreiben.

In dem Antrag steht sehr schwammig zum Beispiel „Gewährleistung … der digitalen Handlungsfähigkeit“, und dann, kurz danach, steht, dass dem Senat der Auftrag gegeben wird, es konkret auszuformulieren. Es freut mich total, dass die FDP so viel Vertrauen in den Senat hat, dass der das gut ausformulieren kann, aber wir sind hier der Gesetzgeber im Abgeordnetenhaus, und wir werden uns darum kümmern.

Vielleicht fällt Ihnen und uns in den Ausschussberatungen dann etwas Spannendes ein. Ich bin sehr gespannt. – Ich bedanke mich. Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Förster das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lehmann! Auch, wenn Sie inzwischen hier im Hause sind und an Bord sind, müssen wir dennoch über viele schwache Performances Ihrer Regierungskoalition und des Senats reden, denn Berlin verkauft

sich bei der Digitalisierung weiterhin sehr stark unter Wert.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Berlin hinkt hinterher, und das konsequent. Das gilt für Dienstleistungen, die gemäß Onlinezugangsgesetz digitalisiert werden sollten. Hier wurden Fristen gerissen. Das gilt auch für die Einführung der E-Akte, die auf den 1. Januar 2025 verschoben werden musste, und ich bin mir nicht mal sicher, ob wir dieses Datum überhaupt halten werden.

Das Thema Free Wifi wird zu einem neuen BER. Eigentlich versprach die Regierende Bürgermeisterin Giffey, dass Ende dieses Jahres ein Regelbetrieb für freies WLAN an den Start gehen sollte. Versprochen gebrochen! Im Ausschuss haben wir erfahren: Man ist jetzt gerade dabei, das Ganze zu vergeben.

Bei der Versorgung mit 5G haben wir noch ganz große Lücken, und wir haben erst gestern im Ausschuss gehört, dass es bis 2030 dauern wird, bis wir die Gigabitstrategie in unserem Land umgesetzt haben. Und jetzt legen die Kollegen der FDP hier den Finger in die Wunde. Sie gehen hier in eine gute Richtung, indem Sie einen gesetzlichen und einklagbaren Anspruch der Bürger auf Nutzung digitaler Dienstleistungen der Berliner Verwaltung fordern.

Mir ist schon klar, warum die Koalitionsfraktionen diesen Antrag ablehnen werden. Wir haben es von Herrn Lehmann gehört: Sie haben Angst, dass früher oder später die Einklagbarkeit gar nicht durchgesetzt werden kann und wir überall Klagen zu erwarten haben.

Nach den Vorstellungen der FDP soll der Zugang zu digitalen Verwaltungsdienstleistungen unter anderem dadurch gewährleistet werden, dass es einen flächendeckenden Zugang zum Internet gibt. Das finde ich gut. Das ist überfällig. Hier muss bei der Hardware nachgearbeitet werden, also bei der Versorgung mit Gigabitbreitband und mit 5G. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor für den Wirtschaftsstandort Berlin, bei dem wir noch viel Nachholbedarf haben.

Werte Kollegen der FDP! Ich finde es aber bedauerlich, dass Sie in Ihrem Antrag sehr vage bleiben und auch nicht den großen Sprung wagen.

[Stefan Förster (FDP): Wir sind ja auch kein Känguru!]

Sie zitieren das bayerische Digitalgesetz. Wenn Sie es in Ihrem Antrag zitieren, dann seien Sie doch so mutig und gehen den Schritt, den die Landtagskollegen in Bayern gegangen sind. Im Übrigen: Ihre Kollegen der FDP im bayerischen Landtag haben das Gesetz am Ende dahingehend kritisiert, dass es nur halbgare Lösungen gab. Sie scheinen sich hier allerdings damit zufriedenzugeben,

dass wir das E-Government-Gesetz in Berlin nur ein Stück ausweiten oder konkretisieren.

Es ist gut, dass aus unserem Parlament Druck kommt, aber der Senat und die Koalitionsfraktionen müssen stärker vorangehen. Da reicht noch lange nicht das, was wir wahrscheinlich zukünftig zu erwarten haben. Ich vermisse generell Mut. Ich vermisse Ideen. Ich vermisse Strategien.

Die CDU-Fraktion hat schon viele Punkte vorgeschlagen, was man anders machen kann. Warum können Banken Kunden darauf hinweisen, wenn die Karten ablaufen und diese neu verschicken? Warum schaffen wir das nicht als Stadt? Warum schafft der Senat es nicht, seine Bürger darüber zu informieren, wenn zum Beispiel der Personalausweis abgelaufen ist und verlängert werden muss?

[Carsten Schatz (LINKE): Das steht doch drauf!]

Berlin scheitert mit diesem Senat an Grundlagen, Umsetzung, Onlinezugangsgesetz, Einführung E-Akte, Versorgung mit schnellem Internet.

Werte Koalitionsfraktionen! Werter Senat! Wenn Sie mut- und visionslos sind oder auch einfach keine Lust haben, machen Sie den Weg frei für Menschen, die hier was reißen wollen. Die CDU will was reißen. Wir stehen bereit. Ich freue mich, dass wir diesen Antrag demnächst im Ausschuss diskutieren werden und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Ziller jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Sehr geehrte Berlinerinnen! Ich freue mich über die Gelegenheit, zum Thema E-Government zu sprechen. Zum Antrag der FDP möchte ich allerdings nur kurz etwas sagen, denn ich glaube, der Antrag spricht für sich. Der Antrag fordert den Senat auf, den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen dieser Stadt einen gesetzlichen Anspruch einzuräumen.

[Zuruf von Stefan Förster (FDP)]

Ich denke, das spricht für sich selbst. Entweder, die FDP bringt hier einen Gesetzesentwurf ein, oder sie überarbeiten Ihren Antrag noch mal. Aber der Senat räumt keine Rechtsansprüche oder Gesetze ein. Die beschließen wir. Wir sind Gesetzgeber.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

(Christopher Förster)

Insofern glaube ich, dass Sie nicht besonders viel darüber nachgedacht haben. Zum Glück ist das bei uns Grünen anders.

[Lachen von Stefan Förster (FDP)]

Mit dem Koalitionsvertrag haben wir dem Senat den Auftrag gegeben, eine Novelle des E-GovernmentGesetzes im Jahr 2022 auf den Weg zu bringen. Leider liegt noch nichts vor, aber wir können die Debatte nutzen, der für Digitalisierung zuständigen Senatorin noch mal nahezulegen, intern nachzufragen, wo es denn hakt, sodass wir den Gesetzentwurf demnächst kriegen. Es wäre doch schön, das noch in diesem Jahr auf den Weg zu bringen.

Um ein wenig nachzuhelfen haben Bündnis 90/Die Grünen inzwischen Eckpunkte erarbeitet. Die liegen den Koalitionspartnerinnen vor. Ich will die Debatte nutzen, um fünf Punkte daraus kurz darzustellen und damit auch den Wettstreit um gute Gesetze und gute Ideen zu befördern.

Als Erstes: Wir brauchen diskriminierungsfreie Automatisierungs- und Entscheidungssysteme. Denn manche Formulare kann auch der Computer prüfen. Unser Ziel für die Gesetzesüberarbeitung ist, dass die Verwaltung regelmäßig prüft, welche Vorgänge und Leistungen automatisch erbracht werden können. Wir sind überzeugt, dass die Digitalisierung Verwaltung entlasten kann. Gleichzeitig wollen wir in dem Gesetz sicherstellen, dass dies nur durchdacht passiert und jede Automatisierung vorher eine Prüfung erhält, damit sie keine Diskriminierung befördert. Wir wissen alle, das kann bei Algorithmen relativ schnell passieren.

Das Zweite, das Recht auf E-Mail an die Verwaltung: E-Mails ersetzen heute in fast allen Lebensbereichen den traditionellen Brief. Das muss auch für Behörden gelten. Wir wollen das Recht auf elektronische Kommunikation unmissverständlich im neuen Gesetz verankern. Das ergänzt das Recht aller Bürgerinnen, Leistungen vor Ort in Anspruch zu nehmen. Klar ist, die Digitalisierung meint eben vor und hinter dem Schreibtisch. Deswegen soll es keine Faxgeräte mehr geben, kein Abtippen. Eine moderne und digitale Verwaltung bedeutet, dass Serviceleistungen verständlich und online für die Bürgerinnen und Bürger sind, aber auch für die Abläufe intern in der Verwaltung.

Wir wollen die Medienfreiheit im neuen E-GovernmentGesetz nach vorne stellen, und wir wollen die Mehrsprachigkeit verankert, denn in einigen Bezirken leben mehr Berlinerinnen mit Migrationshintergrund als ohne. Daher denken wir unsere Vision einer digitalen Verwaltung nicht in einer, sondern in mehreren Sprachen. Wir schlagen vor, im Gesetz mindestens die Zweisprachigkeit für Serviceleistungen zu verankern.

Zu guter Letzt, weil die CDU hier durchaus einen Punkt hat: Alle unsere Vorhaben werden nur umgesetzt, wenn die politische und organisatorische Steuerung funktioniert. Mit dem neuen Gesetz wollen und müssen wir den bisherigen IKT-Lenkungsrat durch eine handlungsfähige, ebenenübergreifende Gremienstruktur ersetzen. Wir

schlagen dazu eine Verkleinerung nach Brandenburger Vorbild vor. Meine Frage an Sie: Was haben Sie für Vorschläge? Vielleicht können wir im Ausschuss darüber reden, wie wir da vorankommen. Vielleicht haben Sie auch Ideen, dann her damit. Die potenzielle Wahlwiederholung darf in meinen Augen nicht Ausrede sein, die Novelle des E-Government-Gesetzes auf die lange Bank zu schieben. Mit der Senatsstudie mit Handlungsempfehlungen zur Fortentwicklung des Rechts der digitalen Verwaltung aus dem Mai 2021, ich glaube, da war Kollege Geisel noch Digitalisierungssenator, liegt eine Entscheidungshilfe lange vor. Lassen Sie uns gemeinsam das nächste Kapitel E-Government in Berlin auf den Weg bringen. Den FDP-Antrag brauchen wir dafür aber nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Vallendar jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es direkt zu sagen, wir werden diesen Antrag ablehnen, nicht, weil wir das inhaltliche Ziel nicht mittragen würden. Auch die AfD-Fraktion wünscht sich Fortschritte bei der Digitalisierung der Verwaltung. Auch wir wünschen uns, dass die Bürger möglichst bald viele Behördendienste digital in Anspruch nehmen können. Aber, was Sie, werte Herren und Damen von der FDP-Fraktion, hier fordern, begründet einen Rechtsanspruch für Bürger gegenüber dem Land Berlin. Vom Land Berlin würden mit solchen Gesetzesnormen Leistungen erwartet, die es teils gar nicht liefern kann.

Ich möchte das kurz erläutern. Erstens: Bei der Bereitstellung von Internetzugängen und Mobilfunk ist das Bundesland Berlin letztlich auf Mitwirkung der Wirtschaft angewiesen, kann also das, was Sie fordern, nicht abschließend garantieren, sondern lediglich die Rahmenbedingungen für die Telekommunikationsbranche setzen, beziehungsweise verbessern.

Zweitens: Das Bundesland Berlin kann die Verwaltungsdigitalisierung nicht ohne die Mitwirkung des Bundes oder anderer Bundesländer durchführen. Ja, Sie sprechen in Ihrer Begründung zum Antrag an, dass die elektronische Akte bis 2025 zur Verfügung stehen solle, aber das allein reicht nicht, um alle Verwaltungsfachverfahren

(Stefan Ziller)

online zur Verfügung zu stellen. Interessant ist letztlich, ob bis 2025 alle IKT-Fachverfahrens soweit modernisiert sein werden, dass sie die Anforderungen des Onlinezugangsgesetzes sowie des Berliner E-Government

Gesetzes erfüllen.

Die Entwicklung und Modernisierung der circa 600 einzelnen IKT-Fachverfahren erfolgt nach dem Einer-füralle-Prinzip in Kooperation mit den anderen Bundesländern. Das heißt, das Land Berlin hat nur bedingten Einfluss auf die Gesamtzeitplanung. Weiterhin gibt es einige grundlegende Hemmnisse, die sich aus der Bundesgesetzgebung ergeben. Werte Kollegen von der FDP! Sie sind doch im Bund mit an der Regierung. Vielleicht können Sie Ihre Kollegen dort daran erinnern, dass es immer noch etliche Einzelgesetze gibt, die papierschriftliche Unterschriften verlangen, teils sogar persönliche Vorsprachen auf dem Amt. Das heißt letztlich, dass nach aktueller Gesetzeslage einige Fachverfahren gar nicht vollständig digitalisierbar sind.

Solange solche gesetzgeberischen Hemmnisse bestehen, ist der Antrag, der uns hier heute zur Debatte vorliegt, schlicht nicht umsetzbar. Daher können wir ihm leider auch nicht zustimmen. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Für Die Linke hat Kollege Schulze das Wort.