Protocol of the Session on May 19, 2022

[Zuruf von Jeannette Auricht (AfD)]

Schon heute gibt es Klassenfahrten, Ferienangebote, Waldkitas, Waldschulen, touristische Angebote und Ausflugsziele wie Baumkronenpfade oder Kräuterwanderungen. Es gibt Fortbildungen für Sportvereine, die Sportarten in der Natur anbieten. Das alles sind bestehende Möglichkeiten der Natur- und Umweltbildung, die die Bedeutung unserer Lebensräume erläutern, schützen und stär

ken. Die vielen Projekte in diesem Bereich brauchen ein Jagd- und Forstmuseum nicht.

Aber was will die Koalition? – Wir machen uns stark, klar, wir wollen auch neue Museen. Das ist eine Frage der Prioritäten. Rot-Grün-Rot in Berlin steht für eine moderne, vielfältige Gesellschaft mit sozialem, ökologischem und historischem Bewusstsein. Wir sind stolz auf unsere breite Museumslandschaft und wollen, dass sich Berliner Museen weiterentwickeln, sich als Kultur-, Bildungs- und Sozialräume verstehen, breite Publikumsschichten ansprechen, auf Inklusion, Diversität und Familiengerechtigkeit achten. Wir wollen auch, dass sich die Museumslandschaft weiterentwickelt. Wir haben mit den Gedenkstätten, den Kunst- und Kultur-, Geschichtsmuseen und dem Technikmuseum ein breit gefächertes Angebot, das Berlinerinnen und Berliner und im Übrigen alle internationalen Gäste sehr gerne nutzen. Uns fehlt auch noch das eine oder andere Museum, zum Beispiel ein Einwanderungsmuseum.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Jetzt zitiere ich mal aus unserem Koalitionsvertrag:

Die Koalition will der Einwanderung des 20. und 21. Jahrhunderts einen höheren Stellungswert in der gemeinsamen Erinnerungskultur geben und dies stärker zum Gegenstand der Ausstellungs- und Museumslandschaft machen. Dazu soll bis Ende 2023 ein Konzept für eine angemessene museale Würdigung und Darstellung erarbeitet werden.

Ich sage ja, wir setzen Prioritäten, und deshalb lehnen wir die vorliegende Initiative ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dr. Juhnke jetzt das Wort.

[Melanie Kühnemann-Grunow (SPD): Glanzstunde des Parlamentarismus! Die Sau ist tot! – Alexander Kaas Elias (GRÜNE): Es lebe die Sau!]

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Schöne an der Kulturpolitik ist ihre Vielfalt: vom Bibliotheksentwicklungsplan über Tanzhaus bis zu den Hohenzollern, heute das Thema Jagdkultur. Wir betreten damit auch einen ganz wichtigen Bereich, denn:

Das ist des Jägers Ehrenschild, dass er beschützt und hegt sein Wild, waidmännisch jagt, wie sich’s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Lachen von Melanie Kühnemann-Grunow (SPD)]

Aus diesem Motto, der ersten Strophe des Gedichts „Waidmannsheil“

[Melanie Kühnemann-Grunow (SPD): Waidmanns Dank! Halali!]

von Oskar von Riesenthal, darf man als Quintessenz das herauslesen, was des Waidmanns Handwerk ausmacht, nämlich Ökologie, Nachhaltigkeit und Schutz des ihm überantworteten Wildes. Von daher, denke ich, hat man daraus schon gelernt, dass sich dieses Thema nicht für die politische Vereinnahmung entweder von der rechten Seite für einen Kanon, der Tradition und Waffen vielleicht betont, oder das Bashing von der linken Seite zum Thema Uniformen und Fleischgenuss oder ähnlichen Dingen eignet,

[Lachen von Benedikt Lux (GRÜNE)]

sondern dass es sich um ein wichtiges gesellschaftliches Subjekt handelt. Diese Menschen vereinnahmen zu wollen – die 400 000 Jäger, die es in Deutschland gibt –, hieße, sie für dumm zu verkaufen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

Kommen wir aber zur kulturpolitischen Bewertung der drei Anträge, die wir vorliegen haben. Wir haben einmal den Antrag, das Jagdwesen in das immaterielle Kulturerbeverzeichnis aufzunehmen. Ich finde, dagegen kann man überhaupt nichts haben. Es gibt vernünftige Argumente dafür und große Vereine, die das fordern. Die Frage ist nur: Muss Berlin das Bundesland sein, das so einen Vorschlag macht? Mir würden spontan andere Bundesländer einfallen, die dafür vielleicht glaubwürdiger und geeigneter wären.

[Zurufe von Benedikt Lux (GRÜNE) und Harald Laatsch (AfD)]

Die Anzahl der Vorschläge ist leider begrenzt, und insofern weiß ich nicht, ob Berlin sein Konvolut an dieser Stelle – in Anführungszeichen – verschießen sollte.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Kommen wir zum zweiten Antrag. Da fordern Sie, dass der Senat in Kombination mit anderen Museen Ausstellungen organisieren möge. Um Gottes willen! Da, glaube ich, verkennen Sie komplett verschiedene Arbeitsteilungen in der Kulturpolitik. Der Senat ist nicht aufgefordert, eigene Veranstaltungen durchzuführen oder in die inhaltliche Hoheit der Häuser einzugreifen. Also ich würde mir das jedenfalls verbitten, und insofern bin ich schon aus grundsätzlichen Erwägungen gegen diesen Antrag, den Sie vorgebracht haben.

Kommen wir zum dritten Antrag – die Gründung eines Jagdmuseums. Wir haben mit dem Jagdschloss Grunewald bereits ein Jagdmuseum. Es gibt in Groß Schönebeck in der Schorfheide ein entsprechendes Museum,

es gibt verschiedene kleinere Museen landauf, landab, die sich mit dieser Thematik beschäftigen. Und nur nach dem Pol der Beliebigkeit zu verfahren und zu sagen: Viel hilft viel –, kann, glaube ich, nicht die Priorität sein, die wir in der Kulturpolitik an den Tag legen sollten. Mir fallen spontan ein halbes Dutzend von Museen ein, zu denen in den vergangenen Jahren Menschen auf mich zugekommen sind und gefragt haben: Gibt es dafür Geld? Gibt es dafür Mittel? Zirkusmuseum, Pressemuseum, Modemuseum, Museum für Schaustellerfahrgeschäfte usw., alles interessante Sachen, die in gewisser Weise auch mit der Urbanität der Stadt zu tun haben. Insofern kann ich diese kulturpolitische Priorität jetzt nicht erkennen, zumal wir schon ein Museum dergestalt haben. Deswegen wird es vermutlich nicht unsere Zustimmung finden, liebe AfD. Von drei Schüssen, die Sie abgesendet haben, ist nur einer auf die Zielscheibe gekommen. Das war ein bisschen dünn. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Billig jetzt das Wort.

[Torsten Schneider (SPD): Will eigentlich der Senat noch das Wort ergreifen?]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Gäste! Ich war letzte Woche zuerst einmal ziemlich überrascht über dieses Thema, das da über mich gekommen ist, denn die Worte Jagd und Kultur hatte ich bisher noch nicht zusammengebracht.

[Harald Laatsch (AfD): Das glauben wir!]

Ich wäre nicht auf diese abwegige Idee gekommen. Ich habe dann recherchiert und festgestellt: Das Wort gibt es gar nicht, zumindest nicht in einschlägigen Lexika, nicht im Duden, nicht mal bei Wikipedia. Es gibt allerdings eine obskure Seite von Jagdlobbyisten, deren Texte im Übrigen auch sehr an Ihre Anträge erinnern. Da gibt es sogar Begründungen, warum diese beiden Worte zusammengebracht werden, die ich, ehrlich gesagt, ziemlich verstörend fand – wenn da die Rede von selig empfundenem Jagderlebnis ist. Da wird dann diese sogenannte Jagdkultur mit der Kultur insgesamt auf eine Stufe gestellt, und es wird behauptet, beide hätten einen schweren Stand. Bei der ersteren, der sogenannten Jagdkultur, hat das, denke ich, gute Gründe. Bei der zweiten, nämlich der Kultur insgesamt, ist das nur bei der AfD so, dass die einen schweren Stand hätte.

Deswegen ein kurzer Exkurs zu unseren Haushaltsberatungen in Kultur: Bei einer ganzen Reihe unserer vielfältigen und beliebten, qualitativ sehr hochwertigen und aus

(Dr. Robbin Juhnke)

guten Gründen geförderten Kulturinstitutionen sollten, so die AfD in ihren Änderungsanträgen, die Förderungen gestrichen werden. Da war zu lesen, dass man die Kinder davor beschützen müsse.

[Zuruf von Ronald Gläser (AfD)]

Also wenig überraschend: Es gibt gar kein Herz bei der AfD für die Kultur.

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

Wovor wir unsere Kinder allerdings dringend beschützen müssen, denke ich, ist genau das, was Sie hier als Jagdkultur bezeichnen. Sie werfen in den Anträgen Ökologie und Umweltschutz, die Vielfalt von Flora und Fauna und Wertschätzung der Natur in einen Topf mit der Jagd. Das hat aber, wenn man recherchiert, genau gar nichts miteinander zu tun. Das dient nur als fadenscheiniges Deckmäntelchen für diese sogenannte Jagdkultur. Aussterbende Wildtiere wie Luchs, Wolf und Wildkatze sind wegen der Jagd bedroht,

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

weil sie nämlich von Jägern als Konkurrenz betrachtet werden und wurden. Die viel beschworene Hege gibt es ebenso wenig wie die sogenannte Regulierung der Bestände. In Wahrheit wird hochgepäppelt, was die Jäger danach gerne erschießen wollen. Angeschossene Tiere, die verletzt durch den Wald irren, durch Munition vergiftete Wälder sind die Folgen der Jagd, also die Zerstörung der Natur und Tierquälerei, und das werden wir nicht auch noch glorifizieren.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wenn Sie dann noch von Trophäen sprechen, haben Sie sich endgültig entlarvt, denn bei diesem Kult um Siegeszeichen, der direkt aus der Zeit des Nationalsozialismus stammt,

[Karsten Woldeit (AfD): Oh!]

merken wir, wes Geistes Kind Sie sind.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Sie können jetzt über grüne Ideologien schimpfen, aber wenn in Berlin die Kulturorte mit explizitem Jagdbezug eine Rarität sind, dann liegt das an der Jagd selbst und ihrer Praxis, und dann brauchen wir die auch nicht, zumindest nicht noch mehr.

[Holger Krestel (FDP): Die Rede ist ganz schön billig!]

Natur, Wildtiere und Pflanzen, die wir nicht direkt vor der Tür haben, können wir im Naturkundemuseum erleben. Meine Kollegin Melanie Kühnemann-Grunow hat bereits gesagt, was wir alles an Umwelt- und Bildungsinstitutionen haben, wie wichtig das ist und wie das Angebot ist. Wenn Sie sich das mal anschauen würden, würden Sie feststellen, dass Ihre Anträge überflüssig sind. Und wenn sich jetzt tatsächlich noch Privatpersonen bemüßigt

fühlen, Museen oder Ausstellungen für diese Jagdkultur zu eröffnen, dann können wir sie möglicherweise nicht daran hindern. Aber öffentliche Gelder und Ressourcen dafür zu verschwenden, das können wir glücklicherweise verhindern.