Protocol of the Session on October 31, 2019

[Franz Kerker (AfD): „KO“ passt zu Ihnen!]

Manche Vergehen sind leichter nachzuweisen als schwere Straftaten, die im Verborgenen stattfinden. Aber auf beides muss man sich konzentrieren, einen langen Atem haben.

Vorläufiger Höhepunkt unseres Kampfes gegen die organisierte Kriminalität

(Hanno Bachmann)

[Lachen von Holger Krestel (FDP)]

war die Beschlagnahme von 77 Immobilien im Wert von über 9 Millionen Euro. Mittlerweise werden auch die Mieteinnahmen aus den Immobilien beschlagnahmt. Der Senat hat diese Vermögensabschöpfung auch personell noch gestärkt. Seit dem Jahr 2016 wird in der Staatsanwaltschaft kontinuierlich aufgebaut: von damals 314 auf heute 334 Kolleginnen und Kollegen. Weitere 26 kommen in den nächsten zwei Jahren hinzu. Das Landeskriminalamt wird über 200 zusätzliche Stellen in den nächsten Jahren erhalten. Wir als Abgeordnetenhaus, als rotrot-grüne Koalition haben noch einen draufgelegt: zusätzliche 1,1 Millionen Euro für Auswertetechnik beim LKA, damit Handys und andere Datenträger schneller ausgewertet werden können, sowie mehr Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, damit die aufwändige Vermögensermittlung, die aber so nötig ist, damit Kriminalität sich nicht lohnt, verstärkt wird. Das ist kein Pappenstiel.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das sind die nackten Zahlen. Da kann ich es verstehen, dass Herr Dregger jetzt schweigt; das hat er vorhin alles gar nicht wahrhaben wollen.

[Zuruf von Burkard Dregger (CDU)]

Was diese Koalition, diese Regierung und die Senatoren Geisel und Behrendt tun gegen die organisierte Kriminalität,

[Zuruf von Franz Kerker (AfD)]

ist im Vergleich zu dem, wie Sie sich abgelaufen haben mit Ihren Innen- und Justizsenatoren von der CDU – im Görlitzer Park versagt, in der Rigaer Straße versagt,

[Antje Kapek (GRÜNE): Die haben das Problem erst ausgelöst!]

die organisierte Kriminalität gar nicht auf dem Schirm gehabt – sehr viel. Ihre 14 Punkte von vorhin sind peinlich, Herr Dregger! Das war ein peinliches Armutszeugnis, das Sie hier abgegeben haben. Dieser Senat handelt, nicht Sie!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Dieser Senat und diese Koalition handeln mit Augenmaß und setzen darauf, dass sich der Rechtsstaat am Ende durchsetzen wird, und nicht Ihre peinlichen Reden, Herr Dregger!

[Zurufe von der AfD und der FDP]

Wir setzen uns dafür ein, dass mit den Mitteln des Rechtsstaats gegen Kriminalität vorgegangen wird. Was sind denn die Mittel des Rechtsstaats? – Das sind ein faires Verfahren, die Unschuldsvermutung; bei uns gibt es keine Sippenhaft, auch keinen Kampf gegen Familiennamen. Kein Gott, kein Kaiser noch Tribun noch Sie, Herr Dregger, haben das Recht, über Straftaten zu urteilen; das machen unabhängige Gerichte ohne Ansehen der Person. Es gibt keine Vorverurteilung. Wir setzten auch

darauf, dass die verstärkten Einsätze gegen die organisierte Kriminalität nie symbolpolitisch motiviert, sondern immer zielgerichtet sind, dass sie nicht diskriminieren und zu möglichen Stigmatisierungs- und Solidarisierungseffekten führen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD)]

Nur so kann sich der Rechtsstaat durchsetzen, indem er seine eigenen Regeln achtet.

Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität muss sich gegen alle Szenen der organisierten Kriminalität richten. Schauen Sie auf die Lagebilder! Da ist wirklich alles mit dabei. Tiefer muss man nicht darauf eingehen. Klar ist aber: Die Kampf gegen die organisierte Kriminalität darf nicht nur auf der Sonnenallee geführt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ich möchte noch einmal deutlich Bezug nehmen auf den Gipfel zur organisierten Kriminalität beim Herrn Innensenator. Es wäre schön gewesen, wenn einige Oppositionsabgeordnete, die hier so lautstark herumschreien und sonst wenig Ahnung haben, daran teilgenommen hätten.

[Lachen von Antje Kapek (GRÜNE)]

Dort, wo alle Topermittler, die Bezirksämter, die Verwaltung – mit hochrangigen Repräsentanten –, Europol, das BKA, die Landekriminalämter anderer Bundesländer vertreten waren, hätten Sie sich schlau machen können. – Wo waren Sie denn da?

[Zurufe von Florian Kluckert (FDP) und Marcel Luthe (FDP)]

Jetzt können Sie hier rumeiern und irgendwas erzählen von Kriminalität kulturell abladen, aber dann, wenn es um die Sache geht, wo sind Sie denn da?

[Georg Pazderski (AfD): Reden Sie doch mal zum Thema!]

Jetzt schreien Sie weiter, aber mal wirklich arbeiten, dafür sind Sie sich zu schade. Damit bekämpfen wir die organisierte Kriminalität auch nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf: Was soll denn das?]

Herr Pazderski! Ich – –

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Luthe?

Nein! – Ich rede zum Thema.

[Lachen bei der AfD und der FDP – Unruhe]

Herr Pazderski sucht noch einen Raum für seine Partei, für seine verlorene Fraktion, aber auch da kann ihm niemand helfen. Von Organisation haben Sie, Herr Pazderski, nicht einmal in den eigenen Reihen Ahnung. Ich wünsche Ihnen einen schönen Parteitag auf dem Tempelhofer Feld oder so!

[Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN und der LINKEN – Georg Pazderski (AfD): Ausgerechnet Sie müssen das sagen!]

Ich sage Ihnen jetzt eines: Wir haben sehr gut zugehört bei dem sehr kompetent besetzten Gipfel des Innensenators. Vom Europol-Chefermittler im Bereich der organisierten Kriminalität, Jari Matti Liukku, war deutlich zu vernehmen, wo Berlin und vor allem Deutschland, wo unser Land noch aufzuholen hat und wo es sich noch mehr anstrengen muss – und das war dabei –, den Berliner Weg weiterzugehen und kriminelles Vermögen aus Verbrechen und auch die Geldwäsche und die Steuerhinterziehung noch stärker zu bekämpfen. Die Universität Halle schätzt den jährlichen Schaden durch Geldwäsche und Steuerhinterziehung auf 100 Milliarden Euro. Hinter das, was die Financial Intelligence Unit in Ihrer – der CDU – Zuständigkeit im Bund und der Zoll dort leisten, hat Europol ein paar starke Fragezeichen gemacht. Diese Einrichtungen müssen sich stärker einbringen bei Europol, und zwar über das BKA. Dazu gibt es auch eine christlich-demokratische Verantwortung. Kein Satz von Ihnen, Herr Dregger, dazu, was wir auf Bundesebene verbessern müssen, um die organisierte Kriminalität, aber – ich sage es ganz deutlich – auch die Wirtschafts- und Steuerkriminalität besser zu bekämpfen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Völlig klar ist, dass bei diesen Finanzdelikten kein böser Gangster mit einem fetten Auto auf der Straße steht und sich sein Recht herausnimmt, aber dieser organisierte Finanz- und Steuerbetrug – organisiert –, diese Delikte können das Vertrauen in den Rechtsstaat genauso schädigen. Wenn jeder Flaschenpfandbetrug zur Anzeige gebracht wird, Deutschland aber noch immer das Paradies für Geldwäsche und Steuerhinterziehung ist und die größten Fanboys von Steuertricksern sich immer noch im Bundestag, und zwar in Ihrer Fraktion, Herr Dregger, verorten lassen:

[Lachen von Holger Krestel (FDP)]

Wieso haben Sie denn nicht dafür gesorgt, dass mit CumEx-Geschäften nicht mehr Milliarden Euro schwere Schäden angerichtet werden können?

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir sehen doch gerade in Hamburg, was es dahinter an organisierter Kriminalität gibt, die Sie ermöglicht haben als Christlich-Demokratische Union. Ihr nächster Kanz

lerkandidat ist vielleicht sogar ein Fürsprecher dessen. Bekennen Sie sich doch mal zu dieser Verantwortung, Herr Dregger, statt in der Sonnenallee nach jedem Krümel Shisha-Tabak, der unverzollt ist, zu suchen!

[Heiterkeit von Dr. Wolfgang Albers (LINKE) und Antje Kapek (GRÜNE)]

Deswegen ist es auch richtig, dass Rot-Rot-Grün die Geldwäschebekämpfung in Berlin stärkt. Im Jahr 2020 startet die Taskforce der Notaraufsicht beim Landgericht. Bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe werden mehr Leute eingestellt, um präventiv der Geldwäsche entgegenzuwirken. Außerdem stellen wir in den nächsten Jahren mehr als 400 Finanzbeamtinnen und -beamte ein, die gegen jede Form von organisierter und Wirtschaftskriminalität vorgehen können, weil wir die Behörden besser vernetzen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Eines möchte ich noch sagen: Die organisierte Kriminalität zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie Menschen einschüchtert und bedroht, die ihr nicht passen: Staatsanwälte, Richter, Politiker, Anwälte. Aber auch und gerade Zeugen oder Opfer ihrer Straftaten werden eingeschüchtert und bedroht. Wir werden nicht dulden, dass diese Menschen, die ihren Job machen, die von ihren Rechten Gebrauch machen, die wir als Zeugen brauchen, weiter eingeschüchtert werden. Und gerade hier sagen Strafermittler uns: Zeugen, Geschädigte von Straftaten können sich direkt nach der Straftat immer noch ganz gut erinnern. Aber später gibt es den Verdacht, dass sie bestochen werden, dass sie bedroht werden und dann nicht mehr aussagen wollen. Deswegen werden wir als rot-rot-grüne Koalition den Opferschutz und die Opferbetreuung stärken. Wir werden die Videovernehmung durch Richterinnen und Richter voranbringen. Wir werden bei der Einziehung von kriminellen Gewinnen darauf achten, dass mit dem Geld etwas für die Opfer getan wird. – Da können wir auch von anderen Ländern lernen. Es wäre doch ein gutes Ziel, wenn aus den Gewinnen von Zwangsprostitution Unterkünfte zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt, wenn aus den Erlösen von Drogengeschäften die Drogenhilfe und wenn mit Geld aus dem Versand von Nazipropaganda politische Bildung verstärkt werden könnte! – Das sind Ziele der rot-rot-grünen Koalition, an denen wir weiter arbeiten werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Ich denke, die Aktuelle Stunde zeigt jetzt schon, dass Rot-Rot-Grün die organisierte Kriminalität und die Diskriminierung bekämpfen kann. – Liebe Kollegen von der CDU! Sie wollen Diskriminierung nicht bekämpfen, und dass Sie organisierte Kriminalität nicht bekämpfen können, haben Sie hier am Rednerpult bewiesen.