Der zweite Pakt, „Innovation in der Hochschullehre“, soll jährlich 150 Millionen Euro in die Hochschulen bringen, die Länder steuern 40 Millionen Euro bei. Letztlich soll
der Pakt für Forschung und Innovation 2021 bis 2030 den außeruniversitären Forschungsinstituten 120 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Hier ist ein dreiprozentiger jährlicher Aufwuchs fest vereinbart. Das hätten wir uns persönlich für die Hochschulen auch gewünscht; aber wir sind auch so zufrieden, wir haben ja in Berlin den 3,5prozentigen Aufwuchs im Hochschulvertrag zugesagt.
Was heißt das nun? – Das heißt zunächst einmal, dass der Bund erkannt hat, dass die Verantwortung für die Grundfinanzierung der Hochschulen und der Wissenschaft in Deutschland nicht allein von den Ländern getragen werden kann, dass der Bund sich hier dauerhaft beteiligen muss, damit Deutschland international den Anschluss nicht verliert.
Zweitens haben wir hier auch ein eindeutiges Bekenntnis zum Wissenschaftsstandort Berlin in diesen Verträgen. Wir sehen, dass Berlin hervorragend verhandelt hat und dass die Leistung von Berlin für den Aufbau von Studienplätzen, immerhin von 135 000 auf über 190 000 in den letzten Jahren, auch gewürdigt wird. Gleichzeitig ist es gelungen, hier exzellente Forschung weiter voranzutreiben. Diese Leistungsfähigkeit des Berliner Wissenschaftssystems spiegelt sich auch in diesem Vertrag. Vielen Dank dafür!
Jetzt gieße ich einmal ein bisschen Wasser in den Wein, denn unser Wissenschaftssystem in Deutschland ist im internationalen Vergleich leider immer noch verhältnismäßig unterfinanziert. Deutschland gibt 1,2 Prozent des BIP in Wissenschaft und Forschung, im OECDDurchschnitt sind es 1,5 Prozent. Die Spitzenreiter USA, Kanada und Australien geben mit 2 bis 2,6 Prozent mehr als doppelt so viel dafür aus, United Kingdom 1,9 Prozent, und auch die skandinavischen Länder liegen mit 1,7 Prozent deutlich weiter vorn. Dass das Wissenschaftssystem in Deutschland trotzdem derart leistungsfähig ist, freut uns, aber wir sehen, dass da Luft nach oben ist. Gerade die Grundfinanzierung des Wissenschaftssystems noch weiter zu stärken, ist eine Aufgabe der nächsten Jahre, die vor uns liegt.
In Deutschland haben wir die Besonderheit der außeruniversitären Forschungseinrichtungen, die hier besonders viel Geld bekommen. Das hat Vor- und Nachteile. Wir sehen auch, dass die Kooperation zwischen Hochschulen und Außeruniversitären deutlich gestärkt werden muss. Berlin macht das in außerordentlich guter Weise, glaube ich. Nichtsdestotrotz müssen wir aufpassen, dass die Hochschulen, die im Wesentlichen die Lehre tragen, nicht weiter benachteiligt werden.
Was wir in Deutschland auch sehen, ist, dass bei uns 50 Prozent eines Jahrgangs momentan eine Hochschule
besuchen. In Norwegen – wir kommen mit dem Wirtschaftsausschuss gerade aus Oslo – sind es 75 Prozent. Wir müssen sehen, dass wir in Deutschland das duale System haben, das außerordentlich leistungsstark ist. Dennoch werden wir uns überlegen müssen, ob wir mit fortschreitender Akademisierung unter den Stichworten Arbeit 4.0, Digitalisierung, lebenslanges Lernen und wissenschaftsbasierte Wirtschaft tatsächlich mit diesem Akademikeranteil weiter an der Spitze bleiben können.
Was ist die Aufgabe der Hochschulen? – Erstens: Sie sichern individuell Arbeit und Einkommen, das ist ganz klar. Arbeitslosigkeit ist hier deutlich geringer, Einkommen sind deutlich höher. Sie sichern dem Gemeinwesen die benötigten Fachkräfte. In Berlin werden wir das besonders zu spüren bekommen, und insofern sind auch diese 190 000 Studienplätze, die wir haben, dringend, damit junge Menschen aus aller Welt und aus der Bundesrepublik Deutschland zu uns kommen und nach Möglichkeit auch hier bleiben – als Pflegekräfte ausgebildet an der ASH, als Rechtspfleger an der HWR, als Ingenieurinnen und Ingenieure und in all den anderen Berufen, die wir ebenfalls dringend benötigen, und bei einer Nachfrage, die wir mit dem Nachwuchs, der hier gerade in Berlin heranwächst, nicht befriedigen. Wir müssen uns vor Augen führen: Die Anzahl der 15-Jährigen beträgt weniger als die Hälfte im Vergleich zu den 55-Jährigen, die in zehn Jahren in Rente gehen werden. Wenn wir also nicht durch Studium und Ausbildung Menschen in diese Stadt holen, dann werden wir ein Problem haben, hier den Fachkräftebedarf zu sichern, sowohl für die Wirtschaft als auch für den öffentlichen Dienst.
Drittens: Die Wissenschaft ist notwendig, um unsere lokalen als auch unsere globalen Probleme zu lösen. Es geht dabei um unsere sozialen Systeme, es geht um die Frage, wie sich Kieze organisieren, wie wir Beteiligung in den Sozialwissenschaften organisieren, bis hin zu den großen, globalen Problemen Klima und Energie, wo wir erwarten, dass Wissenschaft und Forschung uns Wege zeigen, wie wir diese globalen Probleme bewältigen können.
Ich habe darüber gesprochen, dass das Wissenschaftssystem in Deutschland im Vergleich zu anderen Standorten ein wenig unterfinanziert ist, und habe Standorte genannt, die das dadurch lösen, dass sie enorm hohe Studiengebühren verlangen. Wozu führt das aber? – Das führt zu einem Ausbluten der Mittelschicht, das führt dazu, dass sich Mittelschichtfamilien zum Teil die Ausbildung ihrer Kinder nicht mehr leisten können, weil sie, bis sie 80 Jahre alt sind, an ihren eigenen Studienkrediten kaputtgehen. Das führt dazu, dass enorm hohe Kreditausfälle und Insolvenzen vor allem in der Mittelschicht auftreten, das führt dazu, dass zum Beispiel in Großbritannien mittlerweile 45 Prozent dieser Studienkredite gar nicht mehr zurückgezahlt werden und dann am Ende doch
wieder beim Staat hängenbleiben. Wir sehen also, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie wir eine öffentlich finanzierte Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung von Anfang bis Ende, bis zum Studienabschluss, hier in Deutschland realisieren und trotzdem die finanzielle Ausstattung unserer Hochschulen der der genannten Länder angleichen können.
Wir müssen uns dabei auch vor Augen führen, dass wir eine enorm hohe Rendite haben. Es gibt verschiedene Zahlen dazu. Der Stifterverband hat einmal ausgerechnet, dass der Return on Investment, also das, was wir verdienen, wenn wir in Wissenschaft investieren, bei 9,4 Prozent liegt. Ein Großteil der Wertschöpfung bleibt in der Region, das heißt, der Zuwachs durch Hochschulen in der Region beträgt bis zu 35 Prozent. Wir haben enorme Effekte auf den Arbeitsmarkt, enorme Effekte auf das Wirtschaftswachstum, und zwar nicht nur für die akademisch Ausgebildeten, sondern davon profitieren alle, auch die Nicht-Akademiker profitieren von dem Wirtschaftswachstum, sie profitieren aber auch von den Lösungen, die Wissenschaft zur Verfügung stellt, in Kooperation mit kleinen Unternehmen, in Kooperation zum Beispiel mit der Gesundheitsbranche. Auch der Müllwerker profitiert von Wissenschaft, wenn es darum geht, unterstützende Systeme durch Robotik zu haben. Auch die Pflegekraft im Krankenhaus profitiert von Wissenschaft, auch die Patienten, auch die Kundinnen und Kunden profitieren von all diesen Innovationen. Insofern ist der Wachstumseffekt durch das, was wir hier heute sehen, durch das Geld, das nach Berlin fließt, in unsere Wissenschaft und Forschung, nicht zu unterschätzen. Ich bin sehr froh, dass Berlin zugesagt hat, dass wir diese 50 Prozent Kofinanzierung dauerhaft sicherstellen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es freut mich, dass wir heute an so exponierter Stelle auf der Tagesordnung über den Wissenschaftsstandort Berlin sprechen. Es kommt ja nicht allzu häufig vor, dass die Berliner Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktuellen Stunde Aufmerksamkeit und die Würdigung erhalten, die ihnen eigentlich zustehen. Es hat uns als CDU-Fraktion nicht wirklich überrascht, dass die Koalitionsfraktionen das Thema zum jetzigen Zeitpunkt als Priorität sehen. Auch aus Sicht der CDU-Fraktion ist der aktuelle Anlass durchaus ein erfreulicher, denn am
Freitag haben sich die Vertreter von Bund und Ländern auf die zukünftige Ausgestaltung der Wissenschaftspakete verständigt. Das ist ein wichtiger und vor allem lange ersehnter Schritt, der den Berliner Hochschul- und Forschungseinrichtungen für die kommenden Jahre Planungssicherheit bietet.
Mit 194 Millionen Euro fließt ein erheblicher Teil der zusätzlich vereinbarten Pauschalen für Stadtstaaten in den kommenden Jahren in unsere Hauptstadt. Das Gesamtvolumen des „Zukunftsvertrags Studium und Lehre“ – ja, so heißt er – und der Vereinbarung „Innovation in der Hochschullehre“ – so heißt die Vereinbarung – beläuft sich von 2021 bis 2030 auf ca. 41,5 Milliarden Euro, ein wahnsinnig hoher Betrag. Darin enthalten sind wichtige und richtige Investitionen, auch für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Berlin.
Es ist daher nicht verwunderlich, liebe Kollegen und Kolleginnen der Koalitionsfraktionen, dass Sie nun versuchen, vom Ergebnis der Verhandlungen an dieser Stelle zu profitieren. Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass es sich um Investitionsmittel handelt, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, wohlgemerkt der Bund. Daher ist es aus unserer Sicht wichtig zu betonen, dass der Dank eben auch vor allem der Bildungsministerin Anja Karliczek gelten muss,
die dieses Ergebnis mit verantwortet, für die Länder damit eine gute Grundlage zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Wissenschafts- und Forschungslandschaft Deutschlands legt.
Während es also aus dem CDU-geführten Bildungsministerium gute Nachrichten für den Wissenschafts- und Forschungsstandort gibt, gab es vonseiten des Bundesfinanzministers Scholz, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion,
jüngst nur Schreckensmeldungen: Pläne zur Kürzung des Etats für Bildung und Forschung im Jahr 2020 um 533 Millionen Euro. Ein fatales Signal, das zu Recht kritisiert wurde, aber eben in erster Linie von der Bundesbildungsministerin korrigiert wurde.
Herr Bürgermeister Müller! Die unglaublichen Summen, die der Bund hier nach Berlin überweist, täuschen nicht über Ihre leider sehr schwache Wissenschaftspolitik in Berlin hinweg.
Wenn wir also heute über die Stärkung des Wissenschaftsstandorts Berlin sprechen möchten, dann ist es aus unserer Sicht auch ein Anliegen, den Finger in die Wunde zu legen.
Dann möchten wir auch über Probleme sprechen, bei denen der Senat eine Lösung bisher schuldig geblieben ist. Als wir erfahren haben, dass Sie die Stärkung des Wissenschaftsstandorts hier als Thema für die Aktuelle Stunde vorgeschlagen haben, hat sich damit auch für mich die Hoffnung verbunden, dass sich die Koalitionsfraktionen tatsächlich darüber einig sind, dass diese Stärkung ohne ideologische Vorbehalte erfolgen muss. Bekennen Sie sich, und ich richte diese Frage ausdrücklich an die Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, zur Exzellenzstrategie, und werden Sie sich für eine Fortführung einsetzen? – Denn während wir uns hier regelmäßig über das erfolgreiche Abschneiden der Berliner Hochschulen freuen, haben Ihre Parteikollegen auf Bundesebene die Abschaffung dieses für die Universitäten so bedeutsamen Förderprogramms gefordert.
Ist das zu viel Leistung, liebe Linksfraktion? Ist das zu viel Erfolg, liebe Linksfraktion? Ist das zu viel Elite?
Noch schlimmer als schlechte Wissenschaftspolitik ist Untätigkeit. Nehmen wir mal die aktuellen Zukunftsfelder Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Berlin ist zwar vonseiten der privaten Akteure durchaus vernünftig aufgestellt. Dass der Senat diese Themen aber mit Blick auf die Zukunft wirklich anpacken will und die Hochschulen und Forschungseinrichtungen unterstützen möchte, können wir nicht im Geringsten erkennen.
Sie als Regierungsfraktionen haben keine Strategie, die Berlin auch langfristig eine Vorreiterrolle sichert. Entsprechende Initiativen werden wir als CDU-Fraktion daher in Kürze auf den Weg bringen.
Vor drei Tagen haben wir im Wissenschaftsausschuss im Rahmen einer Anhörung über die Beschäftigungssituation studentischer Hilfskräfte im nichtwissenschaftlichen Bereich der Unis gesprochen. Ich muss Ihnen sagen, als CDU-Fraktion waren wir fassungslos angesichts der Ignoranz und Blockadehaltung. Seit über einem halben Jahr sind sowohl die Hochschulen als auch die Studenten im Ungewissen darüber, wie es dort weitergeht. Verträge sind ausgelaufen, Bibliotheken konnten nicht durchgehend geöffnet werden. Der reibungslose Ablauf an den Hochschulen ist gefährdet. Doch anstatt nun endlich eine Lösung herbeizuführen – ja, Herr Müller –, lassen Sie die Hochschulen im Regen stehen. Das ist nicht nur schlechte Politik, das ist gar keine Politik. Das ist Untätigkeit.
Ich möchte an dieser Stelle auch das Thema studentisches Wohnen mit aufgreifen. Der Senat hatte damals einen Beschluss gefasst und sich verpflichtet, bis zum Jahr 2020 5 000 neue Wohnheimplätze zu schaffen. Wir haben Sie, sowohl im Ausschuss als auch im Plenum,
immer wieder an Ihr Versprechen erinnert. Jüngst mussten wir erfahren, dass der Senat seine selbstgesteckten Ziele nicht einhalten kann,
und das, obwohl sich auch aktuell noch Tausende Studierende auf der Warteliste befinden. Aus Sicht der CDUFraktion gehört zur Stärkung des Wissenschaftsstandorts Berlin eben gerade, für die notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen, um Fachkräfte nach Berlin zu holen und langfristig an die Stadt zu binden. Dass der Senat hier geliefert hat, davon kann man mit Sicherheit nicht sprechen. Das ist eine sehr schwache Leistung von Ihnen, verehrte Senatsmitglieder.
Zur falschen Prioritätensetzung, so möchte ich noch auf das Thema der kommenden Wissenschaftssitzung eingehen: Nicht zum ersten Mal möchten Sie, liebe Regierungsfraktionen, mit uns über ein mögliches Promotionsrecht für Fachhochschulen sprechen.
Vorab in aller Deutlichkeit: Aus Sicht der CDU-Fraktion muss das Promotionsrecht auch weiterhin grundsätzlich den Universitäten vorbehalten bleiben.
Denn während unsere Fachhochschulen im Bereich der anwendungsbezogenen Lehre, also berufsorientierten Ausbildung, hervorragende Arbeit leisten – dass muss man hier auch ganz klar benennen –, ist die Kernaufgabe der Universitäten aber die Wissenschaft. Und aus unserer Sicht und im Sinne einer Stärkung des Wissenschaftsstandorts Berlin gilt es daher, die jeweiligen Kernkompetenzen von Hochschulen und Fachhochschulen zu stärken und nicht aufzuweichen und erst recht nicht zu verwischen, zumal den Fachhochschulabsolventen bereits jetzt der Weg im Rahmen der Promotionsordnung durch Öffnungsklauseln geebnet ist.