Protocol of the Session on December 14, 2017

Der vor Ihnen liegende Entwurf für den Doppelhaushalt bedeutet für mein Ressort, dass vieles begonnen werden kann, was wir uns für diese Legislaturperiode vorgenommen haben. Es sind fünf Jahre. Ein Jahr haben wir schon hinter uns. Manches schaffen wir schon bis 2019. Im Mittelpunkt stehen für mich, lieber Herr Juhnke, lieber Herr Kluckert, Fragen der gleichberechtigten Teilhabe aller am gesellschaftlichen und damit auch am kulturellen Reichtum. Das ist der rote Faden. Was wollen Sie mehr? Das ist die Schwerpunktsetzung.

Der vorliegende Haushalt erlaubt es uns, die Vielfalt und Breite der Berliner Kulturlandschaft zu erhalten und auch auszubauen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es zahlreichen Kunstschaffenden ermöglichen, frei zu arbeiten, ohne materielle Existenzängste zu leben. Beides ist dringend notwendig.

Atelier- und Arbeitsräume in privaten Immobilien brechen uns durch die Entwicklung des Grundstücks- und Gewerbemietenmarkts zusehends weg und damit die Orte, an denen die weltweit gefeierte Kultur Berlins entsteht. Mit diesem Haushalt erhalten wir Ressourcen, um das zu ändern. Wir können aktiv und partizipativ Räume für Kultur sichern und Künstlerinnen und Künstlern zur Verfügung stellen. Das löst die Probleme nicht alle, und es bedeutet auch eine noch ziemlich große Anstrengung, die erforderliche Anzahl von 2 000 Arbeitsräumen bis zum Ende der Legislatur zu erreichen, aber es kann gelingen. Dafür werden wir auch neue Wege gehen müssen, und es wird auch die Unterstützung aus dem Haus brauchen, denn Herr Kluckert hat mit einem recht: kontinuierlich verstetigt abgesichert ist all das für die Folgejahre noch nicht. Wir müssen uns aber immer vor Augen führen: Bis zum vergangenen Jahr ist dort im Grunde gar nicht passiert. Das ist der Punkt.

Kudamm-Bühnen, Theater ohne Namen – da hat es geklappt, und ich bin ganz zuversichtlich, dass wir das mit dem Kollwitz-Museum auch noch schaffen. Da, wo Immobilien gefährdet sind, sehen wir uns in der Pflicht, Alternativorte zu suchen. Wir machen das gemeinsam mit den Kunstschaffenden, und bisher ist es im Großen und Ganzen gut gelungen.

Immer gibt es natürlich keine Garantie. Bei den UfaHallen haben wir es gesehen. Ich würde es auch ablehnen, spekulativ mitzubieten und dann noch dafür zu sorgen, dass diejenigen, die ihre Immobilien für einen möglichst hohen Preis an den Markt bringen wollen, dann auch noch vom Land Berlin subventioniert werden. Das kann jetzt auch nicht die Logik sein.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Dr. Clara West (SPD)]

Berliner Aushängeschilder wie der Karneval der Kulturen oder die Fete de la Musique, CTM und Atonal, die Berlin Art Week oder das Performing Arts Festival haben sich in den vergangenen Jahren in steter Unsicherheit von Förderperiode zu Förderperiode gehangelt. Mit diesem Haushalt können wir das ändern. Der Festivalfonds bietet uns die Chance dafür, diese und eine ganze Reihe weiterer Festivals langfristig zu sichern.

Tarifsteigerungen fielen bisher oft immer den künstlerischen Etats zur Last. Sie gingen so zulasten der kreativen Produktionsprozesse. Heftiger ist die Situation noch in der freien Szene. Prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen und die sprichwörtliche Selbstausbeutung zeigen, unter welch schwierigen Bedingungen Kunst entsteht. Mit diesem Haushalt können wir beides ändern. Die hundertprozentige Umsetzung der Tarifsteigerungen im Kulturbereich ist in ihn ebenso eingestellt wie die Sicherung sozialer Mindeststandards bei der Förderung von Künstlerinnen und Künstlern und bei Ausstellungshonoraren in kommunalen Galerien. Damit erkennt das Land Berlin an, dass die Produktion von Kunst und Kultur Arbeit ist, die fair bezahlt werden soll, und dass der öffentliche Sektor da Vorbild sein muss.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir haben in Berlin zudem auch einen enormen Investitionsstau bei unserer kulturellen Infrastruktur, zusammengenommen sind es etwa eine Milliarde Euro, die fehlen. Mit diesem Haushalt können wir über Jahre Vernachlässigtes endlich beginnen. Die für 2018 eingestellten 38,5 Millionen Euro erlauben uns einen Start in die Sanierungsoffensive, die unsere Kultureinrichtungen dringend brauchen: Theater an der Parkaue, BE, Stadtmuseum, Gedenkstätte Hohenschönhausen, jetzt auch das Maxim-Gorki-Theater und viele andere. Daran werden wir arbeiten. Aber ich brauche auch Ihre Unterstützung für eine zukünftige Verstetigung dieser Sanierungsmittel, und Barrierefreiheit lässt sich auch nur umsetzen, wenn wir in die Infrastruktur investieren.

Eines der zentralen Anliegen ist mir, die Zugänge für Kunst und Kultur zu erleichtern, Hürden abzusenken und die frühe Teilhabe an Kunst und Kultur zu fördern. Es ist unsere Pflicht, Kulturpolitik für alle zu machen. Mir sind die kulturellen Leuchttürme Berlins wichtig, daran lasse ich überhaupt keinen Zweifel aufkommen. Die Staatsoper ist saniert worden, die Komische Oper wird es, strukturell gestärkt auch jenseits des Hauptstadtfinanzierungsvertrags sind viele unserer Einrichtungen. Über Spitzenleistungen hinaus leisten sie Großes: aufsuchende Arbeit, den Opern-Dolmusch, Berlin-Konzerte der Deutschen Staatsoper, wo Daniel Barenboim und ich Berlinerinnen und Berliner eingeladen haben, die bisher überhaupt noch nicht die Möglichkeit hatten, in diese Einrichtung zu gehen.

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

Die Museen und Gedenkstätten mit ihrer Diversität und Vermittlungsarbeit, ganz großartig. Und Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Herr Juhnke, beim Humboldt-Forum mit den 1,5 Millionen Investitionsmitteln werden wir eine ganz hervorragende Berlin-Ausstellung hinbekommen, und Herr Spies hat jede Unterstützung von mir, da ein ganz großartiges Schaufenster der Berliner Kultur im Humboldt-Forum zu etablieren.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Aber es muss eben auch in der Fläche, von Spandau bis Marzahn-Hellersdorf, leuchten, der Humus ausgebracht werden, auf dem Spitzenkunst gedeiht. Deswegen müssen wir die dezentrale Kulturarbeit stärken: Verdoppelung des Bezirkskulturfonds, Erhöhung im Projektfonds kulturelle Bildung. Das bietet die Chance, gute kulturelle Angebote und mehr Angebote kultureller Bildung zu schaffen.

Die Jüngsten und Jüngeren frühzeitig an Kultur heranzuführen, das bietet nicht nur schöne Erlebnisse, sondern diese prägenden Erlebnisse sorgen auch dafür, dass die Kinder auch als Erwachsene keine Berührungsängste mit Kultureinrichtungen haben. Und wenn wir eben nicht wollen, dass nur ein Viertel der Stadtgesellschaft immer wieder in unsere Einrichtungen geht, dann müssen wir genau das ausbauen. Kinder- und Jugendtheater sind genau deswegen eben keine Theater zweiter Klasse, und Musikschulen sind unverzichtbare kulturelle Infrastruktur.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Mit diesem Haushalt können wir die Kinder- und Jugendtheater deutlich stärken. Wir können das Versprechen von 20 Prozent Festeinstellungen in Musikschulen sofort einlösen. Ich finde, das ist ein Meilenstein.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Mit diesem Haushalt wollen wir die Entwicklungsperspektiven für Bibliotheken gestalten und mit dem Outreach-Programm die Vermittlungsarbeit und mit Provenienzforschung die Aufarbeitung in den Landesmuseen und Gedenkstätten stärken.

Austausch untereinander, miteinander ist im Kleinen so wichtig wie im großen Bezugsrahmen. Hier kommt Berlin eine sehr zentrale Rolle im europäischen Kontext zu. Es ist an uns, den Europagedanken zu stärken, beispielsweise durch den Ausbau partizipativer Formate, gerade um diejenigen zu erreichen, die bisher keinen Draht dazu hatten.

Mit unserer Erinnerungskultur erinnern wir an die wechselvolle Geschichte Berlins. Ich kann das jetzt nicht ausführlich machen, aber die Havemann-Gesellschaft endlich in die Regelförderung zu bekommen, die Erinnerungskultur tatsächlich zu stärken, Zukunftsverantwor

tung wahrzunehmen mit der Unterstützung des Zentrum Judaicum und einer Förderung der Entwicklung des jüdischen Lebens – ich finde das alles ganz großartig, dass wir das wir das hier leisten können.

Und wir haben Glück, das gemeinsame kulturelle Erbe Europas mit zwei großartigen Projekten im Rahmen des europäischen Kulturerbejahrs verknüpfen zu können. Berlin ist ganz aktiv dabei, auch das ist neu und wird uns mit diesem Etat ermöglicht.

Ich möchte schließen. Vor einem Jahr hat meine Verwaltung diesen Weg begonnen. Ich bin froh, wie weit wir nach einem Jahr schon sind. Dank an die vielen, die sich beteiligt haben, an das Haus, an den Kulturausschuss und die Fraktionen für die konstruktive Begleitung! Wir bauen die Infrastruktur, die Kunst machen die Künstlerinnen und Künstler. Auch dafür meinen Dank! Ihre Freiheit werden wir verteidigen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Nun liegen noch weitere Wortmeldungen zum Thema Europa vor. Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Bronson das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema EU möchte ich mit einem Zitat von Dr. Volker Löwe beginnen. Falls Sie ihn nicht kennen: Er ist der Leiter des Büros des Landes Berlin bei der EU in Brüssel. Er kam am 27. September zu einer Anhörung in den Fachausschuss für Europa und Bundesangelegenheiten. Dr. Löwe sagte uns: „Das Maß des Erträglichen ist wirklich erreicht.“ Was hat er damit gemeint? Er sagte das im Zusammenhang auf meine Frage nach dem sogenannten Designierungsverfahren, mit dem der Berliner Senat jahrelang zu kämpfen hat. Dabei handelt es sich um ein kostenaufwendiges und bürokratisches Verfahren von Antragstellungen, die notwendig sind, um an die berechtigten Fördermittel des Europäischen Sozialfonds und des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung heranzukommen. Da stellt sich doch dem einfachen Mann eine einfache Frage: Worin besteht der Mehrwert für den deutschen Bürger, wenn der Ertrag seiner Arbeit über den Bundeshaushalt an die EU fließt, um dann durch ein ausgefeilt kompliziertes Labyrinth mühevoll an die Investitionsbank Berlin zurückzufließen? Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme – ABM – für Verwaltungsbeamte springt dabei zwar heraus, für die im Haushalt auch Gelder zur Verfügung gestellt werden, um eine gewisse Europakompetenz zu erwerben. Damit werden die Fachkräfte geschult, um sich mit den Kaskaden von Antragstellungen vertraut zu machen.

(Bürgermeister Dr. Klaus Lederer)

Schauen wir uns genauer an, wie viel Geld der Senat für welche Aktivitäten bereitstellt, die in einem direkten Zusammenhang mit der EU stehen. Für das kommende Jahr sind insgesamt aufgerundet 1 836 000 Euro vorgesehen, 2019 stolze 1 928 000 Euro; im Großen und Ganzen sicherlich ein kleiner Posten, der vernachlässigt werden kann, doch diese Gelder ließen sich viel leichter einsparen als jeder andere Posten im Berliner Haushalt.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Bemerkenswert ist die Geldverschwendung für die sogenannte Förderung des Europagedankens. Dafür werden bis zum Ende des Jahres 2019 115 000 Euro zur Verfügung gestellt. Darin enthalten sind auch Steuergelder für Werbekampagnen, um die Bürger im Mai 2019 zur Teilnahme an der Wahl zum neuen EU-Parlament anzuregen. Nach Verständnis der AfD ist das aber die alleinige Aufgabe der Parteien, die mit ihren Programmen und ihrem Personal die Wähler überzeugen sollen, zum Wahlbüro zu kommen und ihre Stimme abzugeben. Zu diesem Zweck hat der Staat schließlich die staatliche Parteienfinanzierung eingerichtet, damit die Parteien das selbst finanzieren können.

[Ronald Gläser (AfD): Sehr richtig! Bravo! – Beifall bei der AfD]

Im Haupt- und Fachausschuss darauf angesprochen, sind die diätenbeflissenen Blockparteien nicht einmal imstande gewesen, die EU von Europa zu unterscheiden. Europa ist ein geografischer Begriff. Europa ist ein Kontinent und keine politische Größe. Oder gibt es auch einen Afrika-Gedanken oder einen Südpol-Gedanken? Und wenn dem so ist – warum werden die nicht gefördert? Es kann doch niemand etwas gegen Pinguine haben.

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Gunnar Lindemann (AfD): Bravo!]

Es ist ohnehin eine beliebte Nebelkerze, den Begriff „EU“ durch „Europa“ zu ersetzen. Scheitert der Euro, so scheitert Europa – das bekannte Mantra einer Kanzlerin, die schon 2010 eine existenzielle Bewährungsprobe für Europa heraufbeschwören wollte.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmidt?

Des Kollegen Schmidt?

Ja, Henner Schmidt!

Ich habe für Zwischenfragen keine Zeit. Anschließend vielleicht gerne! – Zum Glück ist die kontinentale Herausforderung der Uckermärkerin folgenlos an Staaten wie

Island, Weißrussland oder der Schweiz vorübergegangen. Auch Norwegen hat keine tektonischen Verwerfungen gemeldet.

Es ist das erklärte Ziel der AfD, den propagierten Vereinigten Staaten von Europa entgegenzuwirken, denn die Vision eines Martin Schulz ist kein Versprechen, sondern eine Drohung.

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD]

Es muss zuerst Volksabstimmungen in allen Mitgliedsstaaten geben, ob dieser neue Staat überhaupt gewollt wird.

[Zuruf von Ronald Gläser (AfD)]

Was hat das alles mit dem Berliner Haushalt zu tun? –

[Zurufe von der SPD und der LINKEN]

Ganz einfach, um Dr. Löwe noch einmal zu zitieren: Das Maß des Erträglichen ist wirklich erreicht.

[Torsten Schneider (SPD): Da haben Sie recht!]

Anstatt die EU zu deformieren, wird jetzt zementiert. Die AfD wird sich daher weigern, auch nur die allerkleinste Ausgabe für die Eurokraten in Brüssel oder in Berlin abzusegnen.

[Beifall bei der AfD]

Das Nachtkriegsmodell Montanunion – EWG – EU muss in die demokratische Moderne überführt werden. Ob und was letztlich davon übrig bleibt, entscheiden die Völker Europas und alleine die Völker Europas. Bis dahin gibt es von der AfD keinen Cent für dieses Auslaufmodell EU.