Protocol of the Session on December 14, 2017

Wir müssen uns auch über die Frage „Sprung ins digitale Zeitalter“ bei den einzelnen Häusern unterhalten. Das ist eine zentrale Herausforderung der Zukunft, in der Frage auch der Kommunikation mit künftigen Generationen. Da

(Frank Jahnke)

sehe ich aber auch noch keine Konzepte. Mit anderen Worten: Was fehlt, ist, glaube ich, ein transparenter, zielgerichteter Kulturplan. Da müsste man auch mal mit der Informationserhebung beginnen: Wo stehen wir eigentlich, auch im internationalen Vergleich? Wir können uns nicht immer nur darauf verlassen, dass Berlin scheinbar unbegrenzt attraktiv ist und eine Strahlkraft besitzt, sondern wir müssen auch jetzt die strategischen Weichen für die Zukunft stellen, damit Berlin diese kulturelle Anziehungskraft behält.

Wir als CDU-Fraktion haben, glaube ich, etwas höhere Erwartungen an ein eigenständiges Kulturressort in dieser Stadt formuliert. Ich glaube, dass der Gestaltungsanspruch, den der Senator selbst formuliert hat, bisher noch nicht eingelöst wurde, denn trotz der blendenden finanziellen Ausgangslage verstrickt sich der Senator in Fallstricke. Ich denke da an die Debatte um Chris Dercon, den Intendanten der Volksbühne, wo öffentlich Kritik geäußert wurde, wo der Vertrag infrage gestellt wurde, für einen Juristen, glaube ich, ein etwas unkonventionelles Vorgehen. Lederers Attacken gegen Dercon zeigten langfristige Wirkung, sie bereiteten den Boden für die Volksbühnenbesetzer, die sich im Geist mit dem Senator einig fühlten. Das sage nicht nur ich, das sagt Ernst Elitz im „Cicero“.

[Regina Kittler (LINKE): Na, wenn Sie es sagen, wird es ja stimmen!]

Ich glaube, das ist auch ein einmaliges Vorgehen, das hier ein Angebot an Besetzer gemacht wird, von Räumen, die in der ganzen Stadt fehlen, wo alle anderen Künstler sich die Finger nach lecken.

Ein weiterer sehr kritischer Punkt, wie ich sehe, ist das Thema Humboldt-Forum. Anstatt die Probleme und konzeptionellen Defizite herbeizureden, wäre es doch die Aufgabe des Senats, den Berliner Beitrag optimal vorzubereiten. Das Humboldt-Forum ist, glaube ich, eine wahnsinnige Chance für Berlin, und wir haben das Privileg, uns hier in einer Ausstellung darzustellen, die die Menschen tatsächlich auch sehen wollen, Menschen aus Berlin, aber auch von anderswo. Dafür sollte man alles tun und nicht die Aufgabe darin suchen, vermeintliche konzeptionelle Leerstellen zu identifizieren. Und ich glaube, hier geht es vor allem darum, den Inhalt madig zu machen, weil man gegen die Verpackung immer war und ist, wobei es in Wirklichkeit nicht darum geht, längst vergangene Schlachten hier wieder aufzunehmen, Kuppelkreuz nur ein Stichwort usw. Ich glaube, wir haben eigene Provenienzthemen in Berlin zu lösen, da sollte man sich zuerst um diese Dinge kümmern.

In der Tat ist eine der größten Herausforderungen der Zukunft das Thema Räume und Ateliers. Wir haben allerdings keine großen Neubauvorhaben, wir haben in dem Zusammenhang viel Nebulöses hier gehört. Wir haben auch bei der letzten Anhörung gehört, dass Dysfunktionalitäten bestehen, die Schnittstellen zwischen den einzel

nen Akteuren unklar sind. Dort muss noch vieles passieren. Es sind sehr viele Bälle im Spiel. Je höher man die wirft oder je höher man sie verbal treibt, ich denke an das Haus der Statistik und was man sich da alles vorstellen kann, desto mehr werden sie einem auf die Füße fallen. Hier wäre auch ein bisschen Ehrlichkeit gefragt, auch der Gedanke, die Privatinitiative mit ins Boot zu nehmen und nicht die Fehler, die Frau Lompscher an dieser Stelle macht, zu wiederholen. Ich denke da an das Stichwort Alte Münze.

Hier haben wir eine Möglichkeit, das einzulösen, was der Linken-Politiker Lederer vor seiner Ernennung zum Senator eingefordert hat, dass wir eine stärkere Verschmelzung von Kultur und Kreativwirtschaft in dieser Stadt hinkriegen, vielleicht auch später in einer Verantwortung, dass es nicht mehr daran hapern kann, dass sich die einzelnen Senatsverwaltungen im Kompetenzwirrwarr nicht um irgendwelche Leute kümmern, weil sie zwischen die Stühle fallen. So kann man sich zumindest international nicht darstellen. Da ist noch einiges zu tun.

Ein Thema wäre in dem Zusammenhang das Filmhaus. Hierbei geht es nicht um eine Branchenrepräsentanz in zentraler Lage als Zielstellung, sondern wenn man das wirklich bis zum Ende durchdenkt, geht es hier um nicht mehr und nicht weniger als ein Humboldt-Forum des bewegten Bildes. Das ist eine große Chance, die die Stadt hier ergreifen kann. Da sollte man sich übrigens auch vonseiten des Senats – der zuständige Chef der Senatskanzlei ist gerade nicht da – nicht ärgern, wenn andere einmal eine gute Idee haben, sondern Initiative ergreifen.

Herr Lederer! Sie haben sich mit ihrem Credo als Beschützer der Kultur oder der Freiheit der Kultur dargestellt. In der Szene gibt es die eine oder andere Sorge, dass Sie die Kultur vor allem auch als Waffe für gesellschaftliche Veränderungswünsche sehen oder die Kultur als gesellschaftlichen Reparaturbetrieb verstehen. Ich weiß nicht, ob Sie der Beschützer der kulturellen Freiheit sind, hoffentlich auch dann, wenn die Kultur nicht nur ihre eigenen Zwecke bedient, sondern sich tatsächlich auch nicht instrumentalisieren lässt. Das Gegenstück zur Freiheit der Kunst ist, dass man das Produkt dann natürlich auch kritisieren darf. Was aber nicht geht, ist, wenn man die Kultur durch den Haushalt maßregeln will. Wer das mit seinen Anträgen wie die AfD versucht, der hat Grundlegendes nicht verstanden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Kollegin Kittler das Wort.

(Dr. Robbin Juhnke)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hildegard Knef hat einmal gesagt: „Wer sich mit der Kunst verheiratet, bekommt die Kritik zur Schwiegermutter.“

[Stefan Förster (FDP): Und wer ist hier die Schwiegermutter?]

Ich empfinde die Koalition in einer guten Ehe mit der Kunst, und ich glaube auch, dass wir ganz glücklich miteinander sind. Da halten wir auch CDU und FDP als böse Schwiegermütter aus.

Und R2G bringt in diese Ehe ein ganz beachtliches Startkapital mit, was der Kunst und auch den Berlinerinnen und Berlinern guttun wird. Schon der Senat gab als Mitgift fast 120 Millionen Euro mehr als bisher. Und wir haben jetzt noch einmal 19 Millionen Euro dazugetan.

[Sebastian Czaja (FDP): Das lag am Rührei in der Volksbühne!]

Die Schwerpunkte unserer Koalitionsvereinbarung sind damit in vielen Bereichen angepackt und können nun umgesetzt werden. Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung der Gießkanne – und ich frage Sie auch noch einmal, Herr Juhnke: Was ist denn das für ein Blödsinn, was Sie hier laufend mit „Gießkanne“ verbreiten? Sie haben von den 26 Änderungsanträgen der Koalition in Ihrem Änderungsantrag 21 inhaltlich aufgenommen. Insofern: Blödsinn, was Sie hier gerade gesagt haben.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Dr. Robbin Juhnke (CDU): Umgekehrt!]

Von den Schwerpunkten möchte ich Ihnen hier noch einmal einige nennen. Vielleicht verstehen Sie es ja heute. Wir verbessern die Arbeits- und Lebensbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern durch Tarifangleichungen, durch eine angemessene Bezahlung bei Ausstellungen und an den Musikschulen durch das Einlösen unseres Versprechens, 20 Prozent der Lehrkräfte fest anzustellen. Wir fördern die freie Szene und sichern die soziale Infrastruktur mit mehreren Millionen mehr für künstlerische Festivals und Veranstaltungen – da Sie mir nicht zuhören, Herr Juhnke, wissen Sie es das nächste Mal auch nicht mehr –

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Hilft ja nicht bei Ihnen!]

oder auch für die Aufführung und Produktionen an besonderen Orten wie dem Radialsystem. Wir stärken die kulturelle Basis in den Bezirken durch die Verdopplung des Bezirkskulturfonds

[Sibylle Meister (FDP): Ja, Schlosspark-Theater!]

und die Entwicklung einer städtischen Bibliotheksentwicklungsplanung und die kulturelle Bildung mit einer Steigerung von mehr als 50 Prozent. Das sind Schwerpunkte.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Und Schwerpunkte setzt der vorliegende Doppelhaushaltsplan auch bei der Sicherung von Arbeitsräumen und Ateliers, was angesichts der spekulativen Preisentwicklung auf dem Grundstücks- und Mietenmarkt immer schwieriger wird, uns aber besonders wichtig ist. Die Koalition zeigt mit diesem Haushaltsplan ebenso, dass sie erkannt hat, welch großartige Arbeit die Kinder- und Jugendtheater in Berlin leisten, und dass uns diese Arbeit auch mehr wert sein muss, weil sie Kindern und Jugendlichen die Herzen für Kunst und Kultur und für Fantasie öffnet und sie stark macht, mit wachem Blick die Welt, in der sie leben, zu sehen und offen zu sein für die Vielfalt unserer Stadt. Für diese Vielfalt stehen auch die großen Bühnen unserer Stadt, die nicht nur Stücke produzieren, sondern sich mit ihnen einmischen in die Auseinandersetzungen, die in unserer Stadt vor sich gehen.

Und wenn Berndt Schmidt als Intendant des Friedrichstadtpalasts gestern zum Lichterfest Chanukka in seinem Haus mahnte, dass wer sich nicht gegen Worte wehrt, zulässt, dass Taten folgen, dann danke ich ihm hier ausdrücklich für sein Engagement, sowie ich auch Ulrich Khuon und Shermin Langhoff und allen anderen Intendantinnen und Intendanten und Künstlerinnen und Künstlern und Ensembles danke, die die Freiheit der Kunst nutzen, um eben nicht nur zu beobachten, sondern Kunst schaffen, die Artikel 1 unseres Grundgesetzes lebt.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und es ist unsere Aufgabe, diese Freiheit der Kunst zu schützen, und das werden wir auch tun.

Ich möchte bloß noch eine Bemerkung in Richtung CDU machen: Was Sie hier gerade von sich gegeben haben, steht übrigens im Gegensatz zu dem, dem Sie hier zustimmen wollen: Von unseren 26 Änderungsanträgen – ich sage es noch einmal – übernehmen Sie 21 inhaltlich.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Haben sie übernommen, ist doch toll!]

Und da sagt Herr Graf heute früh, dass dieser ganze Haushaltsplan nichts taugt.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wieso schließen Sie sich dann unseren inhaltlichen Schwerpunktsetzungen hier plötzlich an? Das ist ein Widerspruch in sich.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Sebastian Czaja (FDP): Ja, stimmt!]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Neuendorf das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Prinzipiell begrüßt es die AfD-Fraktion, dass nach Jahren des Sparens wieder mehr Geld in den Kulturhaushalt fließt. Für viele kulturelle Einrichtungen ist das eine sehr gute Sache. Aber viel zu oft ist es reine Klientelpolitik. Unsere Anträge zur Unterstützung der Kinder- und Jugendtheater wie auch zur Chorförderung wurden von der Koalition erst abgelehnt und dann in entsprechender Weise doch gesetzt.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wir haben uns bei den Haushaltsverhandlungen immer so entschieden, wie es der Sachlage entsprach, und haben natürlich auch oftmals dafür gestimmt, wenn wir die Anträge von Rot-Rot-Grün vernünftig fanden.

[Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Kulturprojekte, die einer breiten Öffentlichkeit dienen, unterstützen wir gerne. Staatlich alimentierten Kulturkampf lehnen wir dagegen entschieden ab.

[Beifall bei der AfD]

Die Festschreibung, das Gorki-Theater müsse sich gesellschaftspolitisch positionieren, ist nichts anderes als die Aufforderung zum Agitproptheater. Gerade wieder ist das Theater mit einer unglaublichen Mittelverschwendung aufgefallen: 50 000 Euro für die Aufstellung von Schrottbussen vor dem Brandenburger Tor.

[Beifall bei der AfD]

Das ist teures Theater der besonderen Art. Ein weiteres Beispiel ist die Verklärung von Terroristen in der Märtyrer-Ausstellung im Haus Bethanien. Der Begriff Märtyrer wird hier besonders weit gefasst und leistet einer Verharmlosung islamistischer Attentäter Vorschub.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von der AfD: Sauerei!]

Man müsste meinen, dass der Kultursenator ein Problem damit hätte, dass hier Martin Luther King oder Rosa Luxemburg in eine Reihe gestellt werden mit einem der Bataclan-Attentäter. Fehlanzeige. Ist ja künstlerische Freiheit, ungeachtet der Proteste von Opferverbänden und der französischen Botschaft. Ich rufe die Kulturpolitiker und Kulturschaffenden auf, feinfühlig mit dem Leid der Opfer und Hinterbliebenen umzugehen.

[Beifall bei der AfD]