Protocol of the Session on November 16, 2017

Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. In der Runde der Fraktionen beginnt die FDP. – Herr Kollege Fresdorf! Bitte schön, Sie haben das Wort.

Vielen Dank! – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie einige von Ihnen wissen, wohne ich im wohl schönsten Bezirk unserer schönen Stadt, in Spandau.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD): Steglitz! – Torsten Schneider (SPD): Pankow! – Weitere Zurufe]

Spandau hat in den letzten Tagen auch in Bezug auf die Schulsanierung ein bisschen Berühmtheit erlangt. Dort gibt es eine Schule, in der in den Ferien in der Eingangshalle eine Decke herunterkam, weil es einen Wassereinbruch in diese Decke gab. Das führte dazu, dass der Unterricht nach den Ferien nicht wieder so aufgenommen werden konnte, wie man sich das eigentlich vorstellt, sondern für viele Schülerinnen und Schüler dieser Schule zwei Tage ruhte. Die Lehrerinnen und Lehrer dieser Schule sind seit Langem besorgt über den baulichen Zustand der Schule, was dazu führte, dass sie einen Brandbrief schrieben und jetzt mit Atemschutz und Bauhelm vor der Schule demonstrierten, weil sie Sorge um Leib und Leben hatten und sagen: Das sind keine Zustände, in denen man Schülerinnen und Schüler Unterricht geben kann. Hier kann man niemanden fit machen für die Zukunft. Das ist ein altes Gemäuer, hier muss schnell etwas passieren.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Dann gab es die Handreichung der Senatorin dazu, dass Schulleiter sich nicht unbedingt selbst zum Kronzeugen über den baulichen Zustand ihrer Einrichtung machen sollen. Sie sollen vielmehr die positiven Seiten herauskehren. – Frau Scheeres! Sie haben ja recht, der Zustand unserer Schulen bietet auch viele Chancen. So kann man zum Beispiel anbieten: Bringen Sie Ihr Kind auf Schule xy, denn dort können Sie an seltenen Pilz- und Schimmelarten forschen!

[Heiterkeit bei der FDP und der CDU]

Oder Do-it-yourself-Experience-Seminare für Manager am Wochenende: Streichen Sie Wände, verputzen Sie diese, verkleiden Sie Decken unter Einsatz von Leib und Leben – schönes Teambuilding-Seminar! Oder ein bisschen Geschichte: Wie roch es früher auf dem Plumpsklo? Gehen Sie auf Berliner Schultoiletten! – Das alles sind Chancen, die es dort gibt, und ich denke, die kann man auch ergreifen, wenn man darüber nicht immer negativ berichten möchte.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Wie sieht das denn die Stadtgesellschaft? – Ein Anhaltspunkt dafür ist oft die Presseberichterstattung. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich ein paar Schlagzeilen

der letzten Wochen und Monate zum Thema Schulsanierung, um einmal ein Bild zu bekommen, wie das in Berlin gesehen wird. Sind das denn Chancen? – Die „Berliner Morgenpost“ titelte am 5. Februar 2017: „Die Schulsanierungen in Berlin gehen nur schleppend voran“, der „Tagesspiegel“ am 27. Juni: „Sanierungskonzept des Senats – auf Chaos folgt Verwirrung“, die „Berliner Morgenpost“ am 28. Juni: „Berlins absurde ‚Taskforce Schulbau‘ bremst den Schulbau“.

[Regina Kittler (LINKE): Haben Sie auch eine eigene Meinung?]

Am 15. November berichtete die „B.Z.“: „Marode Schule – Protestmarsch der Lehrer“, und die beste Meldung fanden wir in der „Berliner Morgenpost“ am 3. November: „FDP legt Konzept für Turbo-Schulbau in Berlin vor“.

[Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Na, dann mal los!]

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot-Grün! Es gibt ein Projekt, an dem Sie sich werden messen lassen müssen, wenn diese Wahlperiode zu Ende ist: das Projekt, das Sie selbst gern eine Schulbauoffensive nennen. Die Berlinerinnen und Berliner, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel schauen Ihnen auf die Finger. Sie schauen ganz genau hin, was Sie bei der Schulsanierung machen,

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Natürlich! – Anja Kofbinger (GRÜNE): Selbstverständlich!]

denn sie sind es leid, dass ihre Kinder in maroden Schulen hocken und Angst haben müssen, dass ihnen die Decken auf den Kopf fallen. Sie sind es leid, dass man sich in Berlin darüber streiten kann, was schneller kaputt geht: Schulinfrastruktur oder Lernniveau.

Eine eigentlich fast dankbare Position für einen Oppositionspolitiker, mag man da denken. Ich könnte also die nächsten fünfeinhalb Minuten darüber reden, was hier in Berlin in der Bildung alles falsch läuft, könnte Ihnen sagen, woran es bei Schulbau, -sanierung und -neubau krankt, und ich könnte, ohne zuzuspitzen, das Versagen dieses Senats immer wieder aufzeigen und eine wahre Geschichte erzählen, die die Berlinerinnen und Berliner nachvollziehen können, und ein großer Teil würde dem auch zustimmen – eine Geschichte von Gleichgültigkeit, Ignoranz und Befindlichkeiten. Danach könnte ich mich in die Oppositionsreihen setzen, dort drüben bei den Oppositionsführern hier im Haus, bei den Freien Demokraten,

[Beifall bei der FDP – Lachen von Stefan Franz Kerker (AfD)]

und ich hätte fast alles richtig gemacht, aber eben nur fast alles; denn das ist nicht unser Ansatz.

Ich habe es Ihnen kurz dargestellt: Eine Vielzahl der Berlinerinnen und Berliner und auch meine Fraktion

(Präsident Ralf Wieland)

befürchten, dass Ihre groß angekündete Schulbauoffensive eher in einem Schulbaugeplänkel enden wird, und das zulasten der Schülerinnen und Schüler in dieser Stadt, der Lehrerinnen und Lehrer und der Zukunftsfähigkeit unseres Landes, denn der Bildungserfolg ist dafür von erheblicher Bedeutung.

Wir haben uns dieses Vorgehen nun fast ein Jahr lang angeschaut. Wir haben von Anfang an gefragt: Wie ist der Stand bei den Gründungen der Sanierungs-GmbHs? Was passiert denn da? – Wir wurden vertröstet, bekamen keine Antworten. Dann kamen der Senat und Frau Scheeres und stellten Ihren Plan vor, der in Ansätzen nicht falsch ist, aber nicht konsequent zu Ende gedacht wurde. Nachdem Sie diesen Plan veröffentlicht hatten, Frau Scheeres, wurden Sie von den Bezirken auch flugs am Nasenring an den maroden Schulen vorbeigezogen. – Es gibt ein altes Sprichwort: Wenn du einen Plan hast und Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähle ihm von diesem Plan. – Ich denke, in diesem Fall ist es eher ein Weinen als ein Lachen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Erzählen Sie uns einmal von Ihrem Plan!]

In einer Situation, in der in Berlin Schulen verzweifelt um Hilfe rufen und Frau Scheeres zur Hilfe einen Maulkorb auswirft, um sie zu retten, müssen wir als Opposition aber nicht nur den Finger in die Wunde legen, sondern auch aufzeigen, was der richtige Weg ist und wie man die Berliner Schulen wieder für die Zukunft fit machen kann.

[Beifall bei der FDP]

Es ist an uns, unsere Inkompetenz-KompensationsKompetenz einzusetzen und Ihnen dabei zu helfen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): In zwei Tagen geht es nicht mehr! – Weitere Zurufe von der LINKEN]

Was wollen wir also machen? – Wir legen Ihnen heute das Konzept für einen Turbo-Schulbau vor, wie es die „Morgenpost“ titelte.

[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Ich kann Ihnen versichern, wir haben es uns damit nicht leichtgemacht, denn dieses Konzept rüttelt auch an unseren Grundüberzeugungen, sind wir doch Streiter für die Subsidiarität. Wir sagen aber, jetzt ist der Zeitpunkt, an dem gehandelt werden muss, an dem wir schnell und konkret einen Weg finden müssen, wie wir endlich Kraft auf die Schiene bekommen und den Schulbau schnellstmöglich, ohne auf Befindlichkeiten einzugehen, umsetzen können.

[Steffen Zillich (LINKE): Richtig! Bringen Sie mit aller Entschlossenheit einen Antrag vor!]

Wir schlagen vor, die Berliner Bezirke von der Last der Schulsanierung und des Schulneubaus zu entlasten. Wir nehmen Druck aus den bezirklichen Bauämtern und ertüchtigen diese, andere wichtige Aufgaben in den Bezir

ken zu erledigen, denn Schulsanierung ist zwar eins der großen Probleme dieser Stadt, aber leider nicht das einzige. Es gibt so viele Sachen, wofür wir Ressourcen in der Stadt brauchen und die die Bauämter zu erledigen haben, dass dies ihnen guttun wird.

Konkret wollen wir für die Dauer von zehn Jahren den Schulneubau und die Schulsanierung komplett in eine GmbH übertragen, die zu 100 Prozent im Besitz des Landes Berlin ist, eine GmbH, die als Schulinfrastrukturgesellschaft ein Kompetenzzentrum in dieser Stadt darstellt, welches Synergien und Erfahrungen bündelt und das einsetzt, um unsere Schulen auf einen modernen Stand zu bringen. Wir möchten nicht, dass diese GmbH erst ab 5 oder 10 Millionen Euro eingreift, sondern sie soll wesentlich früher eingreifen, wenn es darum geht, Schulen zu sanieren.

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE)]

Diese GmbH soll auch die Möglichkeit erhalten, wenn die Bezirke es wünschen, die Instandhaltung der Schulen zu übernehmen, um ihnen diese Last von den Schultern zu nehmen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Was ist denn daran jetzt Turbo?]

Der Vorteil dieser GmbH ist unter anderem auch, dass sie nicht in das städtische Tarifrecht eingebunden ist und übertariflich bezahlen kann. Sie kann diese GmbH also auf dem Markt viel attraktiver darstellen, welche Aufgaben zu bewältigen sind, und Leute entsprechend entlohnen. Diese GmbH soll sich auch mit Drittmitteln versorgen können. Um diese abzusichern, könnte man mit Erbbaurecht Schulen an die GmbH übertragen. Diese kann dann mit den Drittmitteln die Sanierung voranbringen.

[Zuruf von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Nach zehn Jahren soll diese GmbH aber die Schulsanierung wieder auf die Bezirke zurückübertragen, und die Bezirke sollen innerhalb dieser zehn Jahre in der Lage gewesen sein, ihr Personal entsprechend aufzubauen und die dann sanierten Schulen wieder instand zu halten.

Wir laden Sie herzlich ein, diesen Antrag umzusetzen. Wir werden Sie dabei gerne unterstützen, denn die Bildung geht uns alle an und ist der Garant für eine erfolgreiche Berliner Zukunft.

[Beifall bei der FDP]

Im Ostteil dieser Stadt hat man lange gesungen „auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“. Ich hoffe, dass wir das in zehn Jahren auch von unseren Schulen sagen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Danke schön, Herr Kollege! – Bevor ich Frau Dr. Lasić von der SPD-Fraktion das Wort gebe, möchte ich Ihnen kurz erklären: Heute finden hier im Haus Filmaufnahmen für unseren neuen Imagefilm für die Besuchergruppen statt. Wundern Sie sich darüber nicht. – Bitte schön, Frau Dr. Lasić, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Unmut der Eltern und Lehrerkollegien in der Stadt wegen des Sanierungsstaus ist groß und unübersehbar, nicht nur an der Carlo-Schmid-Schule, an der die Decke nach einem Wasserschaden runtergepurzelt ist, sondern überall. Immer wieder werden Geschichten über marode Schulen vorgetragen, wo die Zustände nicht mehr lange hinnehmbar seien. Bezogen auf den einzelnen Standort ist dies sicherlich in vielen Fällen zutreffend. Für eine Bewertung der Schulbauoffensive in ihrer Gesamtheit reicht es aber nicht, sich einzelne Standorte herauszugreifen und an ihnen als Negativbeispiele zu konstatieren, es passiere nichts.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir sind hier nicht am Stammtisch, wo wir uns damit begnügen können festzustellen, was alles nicht laufe. Wir sind im Abgeordnetenhaus, und unser Anspruch muss es sein, die Schulbauoffensive in ihrer Gesamtheit zu betrachten und zu bewerten. Ich versuche deshalb, den Zeitpunkt, an dem wir uns jetzt befinden, in einen Gesamtkontext zu betten.

Im Zuge der letzten Abgeordnetenhauswahlen haben sich alle drei Koalitionspartner zu der Sanierungsoffensive bekannt. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ja, der Sanierungsstau ist enorm, aber unser Bedarf an neuen Schulplätzen ist größer. Wir müssen 70 000 bis 80 000 neue Plätze innerhalb der nächsten sieben Jahre generieren. Das sind 50 neue Schulen, und die MEPs sind da noch nicht enthalten. Und das, nachdem wir jahrzehntelang gar keine Schulen gebaut haben. Allein das ist ein Unterfangen, das die Baukapazitäten in einer Stadt, die nicht nur Schulen, sondern auch Wohnungen bauen will, enorm belastet. Der einfache Weg wäre gewesen, sich auf die wachsende Stadt zu beziehen und zu sagen: Ein paar Großsanierung schaffen wir, aber mehr nicht. – Aber das haben wir nicht gemacht. Wir haben anerkannt, dass die Konsolidierung der Nullerjahre an unseren Schulen so große Spuren hinterlassen hat, dass wir uns nicht damit begnügen können, den baulichen Unterhalt aufzustocken. Wir wollen allen Berliner Schulen eine Perspektive geben, wann, von wem und in welchem Umfang sie saniert wird.