Protocol of the Session on November 16, 2017

dass jede Kleinigkeit erst durch Dritte ans Licht gebracht werden musste, weil es insgesamt, und zwar beginnend oben in der Senatsverwaltung für Inneres über verschiedene Ebenen in der Polizei dann heruntergebrochen, mittlerweile eine Kultur des Tricksens, Täuschens und Tarnens gibt, um möglichst doch die für jedermann ganz offensichtlichen Probleme nicht nach außen dringen zu lassen. Das ist nicht der Umgang, den unsere Polizei erwarten kann.

Unsere Polizei muss von einem Parlament erwarten können, dass sich das Parlament ihrer annimmt, dass es sich darum kümmert zu kontrollieren, ob tatsächlich das, was wir hier an Gesetzen beschließen, auch umgesetzt werden kann, ob man sich denn beispielsweise – da fangen wir nur einmal mit einem Beispiel an – in der Schießstandaffäre tatsächlich darum gekümmert hat, dafür zu sorgen, dass die Polizeibeamten bei Ausübung ihrer Dienste gesund bleiben können. Die Antwort ist: Nein, man hat sich darum nicht gekümmert. Das ist ein wichtiger Aspekt im Personalwesen der Polizei und nicht allein das kleine Thema der Polizeiakademie.

Wir müssen uns fragen, warum in der Tat Leute nicht bereit sind, über ihre Kritik offen zu sprechen. Das hat sehr viel mit der etablierten Mobbingkultur bei der Polizei zu tun, die wiederum oben anfängt. Sie haben auf der anderen Seite eine Verpflichtung nach den §§ 35 und 36 des Beamtenstatusgesetzes, deutlich zu machen, wenn irgendetwas von Ihrem Vorgesetzten falsch läuft.

Diese Kritik findet aber nicht statt. Ich bin im Übrigen sehr auf die Antwort auf meine diesbezügliche Anfrage gespannt, wie viele dieser Meldungen es allein im letzten Jahr bei der Berliner Polizei gegeben hat. Es werden erschreckend wenig sein, weil es überhaupt nicht gewünscht ist, dass sie erfahren, wie die Situation ist.

Wir haben sogar die Manipulation von Personalakten bei der Berliner Polizei, festgestellt durch das Verwaltungsgericht, durch die Polizeivizepräsidentin, der der eine Bewerber offensichtlich genehmer war als der andere. Auch das ist ein Missstand im Personalwesen der Polizei.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Woldeit von der AfD?

Vielen Dank, Herr Kollege Luthe! In dem Zusammenhang: Für wie glaubwürdig schätzen Sie die Aussage der Frau Vizepräsidentin Koppers ein, als sie in der Sondersitzung des Innenausschusses sagte, jeder, der eine Sorge habe, könne sich mit einer E-Mail an sie wenden, was zumindest bei den Teilnehmern der Polizei im Gästeraum für ein gewisses Raunen sorgte?

[Holger Krestel (FDP): Das war Situationskomik!]

Ich nehme an, dass die Beamten zunächst einmal davon überrascht waren, dass Frau Koppers per E-Mail zu erreichen ist. Das ist insgesamt bei der Verwaltung häufig nicht der Fall, jedenfalls für uns Abgeordnete nicht.

[Heiterkeit bei der FDP und der AfD – Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wie glaubwürdig das aber zu sehen ist, werden wir in dem Moment beantworten können, in dem wir beispielsweise den gerade von dem Kollegen Taş zitierten anonymen Hinweisgeber einmal gehört haben, wie denn sein Gespräch mit Herrn Kandt und Frau Koppers gelaufen ist, ob das tatsächlich die Kultur der offenen Diskussion, des Dialogs und der konstruktiven Kritik war, die wir uns so wünschen würden und die auch im Beamtenstatusgesetz vorgesehen ist, oder ob man ihm nicht vielmehr gedroht hat, er möge sich doch zukünftig mit Kritik zurückhalten. Das werden wir dann klären.

Um solche Fragen zu klären, geht Ihr Antrag, lieber Kollege Dregger, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, deutlich zu kurz. Bei einem Sonderermittler hätte ich angenommen, dass Sie aus der Causa Amri gelernt haben. Ein Sonderermittler dient nur einem, er dient der zeitlichen Verzögerung. Der Versuch, dann wiederum den Sonderermittler noch weiter zu verzögern, Herr Kollege Zimmermann, führt genau eben weiter zu einer Verzögerung. Dieses ganze Abwarten, das Tricksen, Täuschen, Tarnen und Abwarten bei jedem Skandal, der sich im Bereich der Polizei und Justiz in dieser Stadt auftut, ist Ihre Strategie, die Sie seit dem Jahr 2001, seit Herrn

Wowereit, verfolgen, die Probleme kleinzureden und möglichst nicht hochkommen zu lassen.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Damit muss Schluss sein.

Was wir brauchen und was wir hoffentlich mit der Unterstützung auch derjenigen auch in Ihren Reihen erreichen werden, ist ein Untersuchungsausschuss, der sich mit der gesamten Situation des Personalwesens bei Polizei und Justiz in dieser Stadt beschäftigt und der nicht an einem kleinen Symptom herumdoktert, sondern der zunächst einmal klärt, was die Ursache für diese Symptome ist, die wir jetzt gerade wahrnehmen und die vielen, vielen anderen, von denen uns in den letzten Monaten regelmäßig berichtet worden ist. Dieses kleine Schräubchen drehen und dann auch noch darüber diskutieren, ob denn die eine oder andere Kritik berechtigt sein könnte, schafft an der Lösung des Problems gar nichts. Es dient nur dazu, mal wieder eine Diskussion ruhig zu halten. Das werden wir Freie Demokraten nicht mitmachen, Herr Kollege Zimmermann.

[Beifall bei der FDP und der AfD]

Wir haben gehört, es ginge darum, den Ruf der Polizei zu schützen. Die Polizei, der einzelne Beamte, hat für seine hervorragende Arbeit einen hervorragenden Ruf. Der einzig große Angriff, den ich auf den Ruf der Polizei wahrgenommen habe, war ziemlich genau vor einem halben Jahr am 17. Mai dieses Jahres, als sich der Innensenator hingestellt und seine unbewiesenen Vorwürfe medienwirksam, um von seinem Versagen abzulenken, entsprechend über einen einzelnen Beamten in der Presse ausgewalzt hat, statt es in Ruhe zu prüfen und zu diskutieren. Das, was Sie immer verlangen, Herr Zimmermann, genau das hat Ihr Senator nicht getan. Insofern sehen wir keine Veranlassung an dieser Stelle weiter zu warten, zu warten und zu warten, sondern hoffen auf entsprechende Unterstützung aus den anderen Reihen der Opposition bei einem entsprechenden Ausschuss, der genau diese Fragen einmal grundlegend klärt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Dann haben wir jetzt als Letzten in der Runde von Bündnis 90/Die Grünen Herrn Kollegen Lux.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz aller Spannung hier in dieser Debatte verfolgen wir ein gemeinsames Ziel, eine möglichst gute Polizei auszubilden, die unsere Stadt, die Bürgerinnen und Bürger schützt. Wir sind hier in einer historischen Situation. Wir haben 2003 bis 2006 nicht ausgebildet. Dann ging es los

mit wenigen hundert. Momentan haben wir über 2 500 Polizeischülerinnen und -schüler sowie Polizeistudentinnen und -studenten in der Ausbildung. Für alle von denen tragen wir eine Verantwortung, mit ihren guten Seiten, mit ihren schlechten Seiten. Ich möchte sagen: Diese 2 500 jungen Menschen sind ein Riesenschatz für die Berliner Sicherheit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Burkard Dregger (CDU)]

Sie sind in einer internationalen, in einer weltoffenen, in einer digitalen Gesellschaft aufgewachsen. Und von den unter 21-jährigen Berlinern und Berlinerinnen haben natürlich 43 Prozent einen Migrationshintergrund. Es ist richtig, dass die Polizei jetzt entsprechend nachholt und Leute, die die Stadt abbilden, in ihren Reihen aufnimmt. Der Migrationshintergrund beträgt bei den Polizeischülerinnen und -schülern mittlerweile 40 Prozent. Vor wenigen Jahren betrug er noch nicht einmal 5 Prozent. Wer diesen Verlauf betrachtet, der wird sehen, dass die Berliner Polizei aufzuholen hat. Wir sind da auf dem Weg, und der ist auch richtig.

Dieses Bekenntnis fehlt in Ihrem Antrag. Genauso fehlt mir in dem Antrag das Bekenntnis zu mehr Frauen und mehr Frauen in Führungspositionen in der Berliner Polizei.

[Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Es kann nicht sein, dass nur 24 Prozent der Polizeikräfte weiblich sind. Nein, das müssen auch mehr werden, damit dort die Gesellschaft in der Stadt abgebildet wird. Und man hat ja gehört, dass Frauen häufig – und das ist auch meine Erfahrung in den Klassen, die ich unterrichte – einen beruhigenden Einfluss auf manche Hitzköpfe haben. Da ist durchaus noch mehr drin.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Die Einstellungsvoraussetzungen für die Polizei sind streng. Es dürfen nur deutsche Staatsbürger und EUBürger Polizistinnen und Polizisten werden. Vorstrafen werden nicht geduldet. Ich kann Ihnen sagen: Zu sämtlichen anderen Berufen ist dort die Polizei Vorbild, hat strengere Regeln für Leute, die einiges auf dem Kerbholz haben könnten. Der Auswahlmechanismus funktioniert sehr gut.

Hier wurde auch etwas zur Kritikkultur und ihren Grenzen gesagt. Ich möchte auch mal auf die Grenzen abstellen. Der Antrag kümmert sich nicht um das Problem und den Widerspruch, auf der einen Seite Loyalität einzufordern und Treue von den Beamtinnen und Beamten, die es geben muss, aber auf der anderen Seite auch Kritik zuzulassen. Das ist ein Widerspruch, den man in Ausgleich bringen muss. Hier gibt es kein Vertun; das Strafgesetzbuch sieht dort enge Grenzen vor. Wir können keine Kritik dulden, die unwahr ist, die andere Leute einer falschen Verdächtigung aussetzt, die beleidigend ist. Üble Nachrede, Verleumdung, das sind alles Straftatbestände.

(Marcel Luthe)

Wenn sie teils auch nicht für Abgeordnete gelten – Stichwort Indemnität –, gelten sie doch für die Bürgerinnen und Bürger, und das müssen wir natürlich beachten, bei aller Kritik, die da berechtigterweise kommen kann. Das muss man im Einzelnen prüfen. Aber ich sehe das genauso wie der Innensenator, Kollege Taş und die Polizeiführung: Da waren wirklich verleumderische und zwar gegen sämtliche Gruppen verleumderische Kritiken mit dabei. Da waren alte Rechnungen mit einer starken Frau in der Polizeiführung offen, namentlich mit Margarete Koppers.

[Lachen bei der FDP]

Ich sehe, dass Sie ein Problem mit starken Frauen haben – auch schon vorher hatten!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zurufe von der FDP – Georg Pazderski (AfD): Wir haben kein Problem mit qualifizierten Frauen!]

Kollege Lux! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luthe?

Herr Kollege! Definieren Sie starke Frauen beispielsweise durch die durch das Verwaltungsgericht festgestellte Manipulation von Zeugnissen von Kollegen, weil ihr der eine genehmer ist als der andere? Ist das stark für Sie?

Ich glaube, dass Sie auf einer bestimmten Führungsebene führen müssen

[Lachen bei der AfD und der FDP – Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

und dass sie in der Verantwortung sind, wenn sie Veränderungen wollen, natürlich auch nicht immer alle mitnehmen können. Dass man da mal einen Fehler macht, meine Güte, das kann doch passieren!

[Zurufe von der CDU und der FDP]

Aber trotzdem: Sie geben ein Lippenbekenntnis ab, dass Sie Polizisten vertrauen. Wo ist denn Ihr Vertrauen in die Polizeiführung?

[Zurufe von der AfD]

Ja, das ist nicht da. Aber da bringen Sie sich doch in Widerspruch! Das nimmt Ihnen doch keiner mehr ab, dass Sie sagen: Die einzelnen Polizisten sind alle toll, aber jeder, der ein Sternchen mehr auf dem Revers hat,

der ist schon wieder nicht mehr so toll, weil er in einer Führungsposition ist. Natürlich gibt es Frauen und auch Männer auf mittleren Führungsebenen, die sich genauso mit Verantwortung auseinandersetzen müssen und natürlich auch Fehler machen im täglichen Dienst.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Aber auch Menschen, die Fehler machen,

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]