Protocol of the Session on July 6, 2017

Das Abgeordnetenhaus von Berlin richtet gemäß Artikel 48 der Verfassung von Berlin einen Untersuchungsausschuss ein, der das Ermittlungsvorgehen im Zusammenhang mit dem Terroranschlag am Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 untersuchen soll.

Der Ausschuss besteht aus zwölf Mitgliedern (drei Mitglieder der Fraktion der SPD, zwei Mitglieder der Fraktion der CDU, zwei Mitglieder der Fraktion Die LINKE, zwei Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, zwei Mitglieder der Fraktion der AfD und ein Mitglied der Fraktion der FDP) sowie zwölf Stellvertreter/-innen.

III.

Jede Fraktion erhält für die personelle Ausstattung eine pauschale Erstattung nach § 8 Abs. 6 des Fraktionsgesetzes. Diese beträgt für die Dauer der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses bis zu 5 000 Euro monatlich (Arbeitgeberbrutto); § 10 Abs. 1 des Fraktionsgesetzes gilt entsprechend.

Der Untersuchungsausschuss soll folgende Sachverhalte prüfen:

A. Vorfragen

Aufenthalt und Identifizierung des Amri

1. Welche Erkenntnisse gibt es darüber, wo sich Amri seit seiner Einreise nach Deutschland im Juli 2015 bis zu seinem Tod mit welchen Identitäten aufgehalten hat (Bewegungsprofil) und wo wurde er von welchen Stellen mit welcher Identität registriert? Wann fanden durch welche Behörden Abgleiche mit oder Übermittlungen an zentral geführte Datenbanken mit jeweils welchen Ergebnissen statt?

2. Wann, von wem und auf Grund welcher Umstände wurde Amri eindeutig identifiziert und wann erhielten welche Behörden Kenntnis von der wahren Identität Amris?

3. Wann waren welche Behörden des Landes Berlin in welcher Weise mit Amri befasst (Landeschronologie Berlin)?

Einstufung des Amri als Gefährder und als Träger extremistischer Bestrebungen sowie Ermittlungsverfahren

4. Welches LKA war in chronologischer Abfolge und auf Grund welcher Kriterien jeweils für Amri als Gefährder zuständig und hat auf Grund welcher Kriterien, welcher Erkenntnisse, für welchen Zeitraum Amri als Gefährder mit welchem Gefährdungs

grad eingestuft (Chronologie der Einstufung)?

5. Warum wurde Amri Anfang 2016 bei seiner Ankunft am Berliner ZOB von der Berliner Polizei angesprochen und erkennungsdienstlich behandelt? Warum wurde später dem LKA Berlin vom LKA NRW vorgeworfen, durch die offene Maßnahme gegen „Absprachen“ verstoßen zu haben? Welcher Art waren diese „Absprachen“ und ggf. warum hielt sich das LKA Berlin nicht an diese?

6. Welche Rolle spielt bei der GefährderBewertung durch die Berliner Sicherheitsbehörden eine sich verändernde Nähe eines Gefährders zum Drogenmilieu oder zur allgemeinen Kriminalität?

7. Welche Verfassungsschutzbehörde war in chronologischer Abfolge und auf Grund welcher Kriterien jeweils für Amri als Träger extremistischer Bestrebungen zuständig und zu welchem Zeitpunkt, mit welchen Mitteln und auf Grund welcher Erkenntnisse und mit welchen Ergebnissen erfolgte eine Überwachung Amris durch den Berliner Verfassungsschutz oder den Verfassungsschutz des Bundes oder anderer Länder?

8. Inwieweit erfolgt eine Abstimmung zwischen Staatsanwaltschaft, Verfassungsschutz und LKA, um im Milieu gewaltbereiter Islamisten mögliche Beobachtungslücken zu vermeiden?

9. Zu welchen Personen, die von wem und aus welchen Gründen als Gefährder oder als Träger extremistischer Bestrebungen eingestuft wurden, oder weiteren relevanten Personen hatte Amri wann in Deutschland Kontakt?

10. Welche strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden bundesweit gegen Amri unter welcher Identität, mit welchen Ergebnissen geführt und war gewährleistet, dass die Generalstaatsanwaltschaft Berlin in den Informationsfluss im GTAZ eingebunden war? Welches strafrechtlich relevante Verhalten des Amri ist den Berliner Behörden bekannt?

11. Wann, mit welchem Inhalt und in welcher Form wurde vor dem Anschlag von der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, dem

LKA Berlin oder dem Berliner Verfassungsschutz die Hausleitung der jeweils zuständigen Senatsverwaltung über Amri informiert und ggf. mit welchem Ergebnis?

12. Wie liefen die Zusammenarbeit und der Informationsfluss zwischen dem GTAZ und den Berliner sowie den NordrheinWestfälischen Landesbehörden ab? Welche Berliner Landesbehörden waren wann und wie im GTAZ eingebunden?

B. Erkenntnisse von Behörden des Landes Berlin bis zu Beendigung der Überwachungsmaßnahmen am 21. September 2016

Prüfung der zeitnahen Vorlage aller Erkenntnisse bei einer zuständigen Staatsanwaltschaft

13. In welcher Form waren das LKA Berlin und die Generalstaatsanwaltschaft Berlin in die Prüfung des LKA NRW eingebunden, die verdichteten Erkenntnisse zu Amri bei einer zuständigen Staatsanwaltschaft vorzulegen, um ein Strafverfahren wegen gewerbsmäßigem Betruges und fortgesetzter mittelbarer Falschbeurkundung einzuleiten (Chronologie des „Behördenhandelns um die Person des Attentäters vom Breitscheidplatz Anis AMRI“ mit Stand Februar 2017 – Bundeschronologie: 13.04.2016)?

14. Wurde eine solche Bündelung zu einem anderen Zeitraum erwogen und aus welchen Gründen kam es zu keiner Bündelung bei einer Staatsanwaltschaft?

Gewährleistung von Operativmaßnahmen durch das LKA Berlin

15. Aus welchem Grund hat das LKA Berlin ab dem 15.06.2016 Operativmaßnahmen in bisherigem Umfang nicht mehr gewährleistet (Bundeschronologie: 15.06.2016)?

16. Welcher Umfang wurde bis dahin und welcher danach gewährleistet und wer hat den neuen Umfang der Operativmaßnahmen nach welchen Kriterien entschieden und wer ist wann durch wen darüber informiert worden?

17. Wann und in welchen Zeiträumen wurde mit welchem Ergebnis die Kommunikation des Amri überwacht? Wie viele Protokolle sind darüber gefertigt worden? Wann erfolgte jeweils die Auswertung im LKA und

ggf. die Weitergabe an die Staatsanwaltschaft oder andere Behörden?

18. Wer traf wann aus welchen Beweggründen die Entscheidung, Amri nach dem 15.06.2016 nicht mehr zu observieren? Wer war an dieser Entscheidung beteiligt?

19. Aus welchem Grund wurden nach Einstellung der Observation am 15.06.2016 beim Amtsgericht Tiergarten weitere Observationsbeschlüsse gegen Anis Amri bis zum 21.10.2016 erwirkt? Welche Anhaltspunkte bzw. welche Gefährlichkeitsprognose lag neuerlichen Observationsbeschlüssen zugrunde? Wer veranlasste die Anregungen für weitere Observationsbeschlüsse?

20. Welche Erkenntnisse über weitere mögliche Straftaten des Amri erbrachten die Operativmaßnahmen bis zum 21.09.2016? Wie wurde ggf. mit diesen Erkenntnissen umgegangen und wann wurden sie ggf. an die Staatsanwaltschaft übermittelt?

Beteiligung des Amri an einer gefährlichen Körperverletzung in einem Neuköllner Lokal und Ausreiseversuch im Juli 2016

21. Welche gegebenenfalls auch verfassungs- und staatsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen über die Beteiligten an einer gefährlichen Körperverletzung in einem Neuköllner Lokal im Juli 2016 vor und auf Grund welcher Erwägungen wurde von wem entschieden, dass keine Anklage gegen Amri erhoben wird?

22. Gegen welche anderen Personen wurde ggf. ermittelt und mit welchem Ergebnis?

23. Welche Erkenntnisse liegen bei Berliner Behörden darüber vor, dass Amri Ende Juli 2016 über Italien in sein Heimatland Tunesien ausreisen wollte (Bundeschronologie: 04.04.2016 – 21.09.2016) und warum die Bundespolizei den Versuch Amris, nach Zürich zu reisen, vor dem Grenzübertritt verhindert hat (Bundeschronik 29.07.2016 – 01.08.2016)?

Beendigung der Überwachungsmaßnahmen am 21. September 2016

24. Welche Erkenntnisse und Erwägungen lagen der Entscheidung zu Grunde, die

Überwachungsmaßnahmen gegen Amri am 21.09.2016 zu beenden und lagen den Beteiligten alle bis dahin bei deutschen Behörden vorliegenden Erkenntnisse über Amri vor?

25. Von wem wurde diese Entscheidung getroffen und wer war an dieser Entscheidung beteiligt?

26. Welche Prioritätenentscheidung des LKA hat dazu geführt, dass die Observation von Amri zu Gunsten anderer Maßnahmen beendet wurde?

27. Trifft es zu, dass der Berliner Verfassungsschutz keine Kenntnis von den auslaufenden Überwachungsmaßnahmen erhielt (Inhaltsprotokoll VerfSch 18/1, 8.02.2017)?

28. Hat es – und wenn ja, wann, wie viele und mit welchem Inhalt – polizeiliche Feststellungs- und Beobachtungsberichte zu Amri bei der Berliner Polizei gegeben?

C. Die Abläufe vom 22. September 2016 bis zum Anschlag am 19. Dezember 2016

Erfassung des Amri als „Foreign Fighter“, Mitteilungen aus Marokko, Erkenntnisse über Mobilfunknummern des Amri und Aufenthalt in Berlin

29. Erhielten das LKA Berlin und der Berliner Verfassungsschutz Kenntnis von der Erfassung des Amri als „Foreign Fighter“ im INPOL-System durch das BKA (Bundeschronologie: 13.10.2016) und ggf. wann?