Sie gefährden dort tagtäglich wirklich viele Radfahrer, und das sind diejenigen, die irgendwann gesagt haben, sie schauen sich das nicht mehr länger an, sondern überlegen selbst, welche konkreten Maßnahmen die Situation besser machen können, welche die Situation lösen und das machen können, was Sie die ganze Zeit nicht gemacht haben. Genau darum geht es den meisten, die an diesem Radentscheid mitgewirkt haben. Die interessiert die Zukunft, die interessiert, wie man sicher von A nach B kommt, die interessiert der Radverkehr in Berlin wirklich.
Jetzt im Wahlkampf gibt Herr Verkehrssenator Geisel sogar zu, dass in der Vergangenheit für den Radverkehr zu wenig getan wurde und dass es einen gewissen Druck braucht, damit da Bewegung reinkommt. Ich hätte mir gewünscht, dass das am Anfang der Legislaturperiode passiert, denn dann hätte man im Diskurs tatsächlich überlegen können, welche konkreten Maßnahmen mit welchem Zeithorizont man tatsächlich umsetzen kann. Dann wäre es sicherlich möglich gewesen, zum Beispiel über solche Dinge wie die grüne Welle für Radfahrer zu sprechen und zu gucken, worum es eigentlich geht. Es geht gar nicht darum, dass alle Ampeln in Berlin immer für Radfahrer grün sind, sondern es geht darum, dass es gerade für Radfahrer interessant ist, möglichst einfach und entspannt, möglichst ohne anzuhalten von A nach B zu kommen. Das ist möglich, indem man zum Beispiel wie in anderen Ländern oben an Ampeln anzeigt, wie lange noch eine Grün- oder Rotphase dauert. Das sind intelligente Ideen, die möglich sind, wie auch, dass auf dem Smartphone eine Durchschnittsgeschwindigkeit angezeigt wird, die man als Radfahrer wählen kann, zum Beispiel 17 km/h, und wo einem angezeigt wird: Dann hast du bei den nächsten fünf Ampeln grün. – Das ist eine Idee zur Smart City, die wirklich einen Vorteil gebracht hätte und wo man weiterdenken kann. Viellicht geschieht das alles in der nächsten Legislaturperiode; ich würde es mir auf jeden Fall wünschen.
Grundsätzlich muss man aber sagen, dass sich das vorliegende Radverkehrsgesetz einreiht in eine ganze Reihe von Initiativen, die in der Stadtgesellschaft ihre berechtigten Interessen vertreten sehen wollen. Warum wird dieser Weg gegangen? – Weil sie mit ihren Anliegen auf anderen Wegen kein Gehör finden. Herr Gelbhaar hat es schon erwähnt: Wie kommt so ein Radverkehrsgesetz zustande? – Das fällt nicht vom Himmel, sondern es gibt dafür bestimmte Voraussetzungen. Ich würde mir wünschen, dass in der nächsten Zeit möglicherweise auch andere Zugänge in die Politik möglich sind, sodass im Diskurs miteinander überlegt werden kann, welches die besten Lösungen sind und wie man die vorhandenen Probleme am besten lösen kann.
Die Stadtgesellschaft in Berlin zeigt gerade mit dieser Initiative, dass sie der Senatspolitik inzwischen meilenweit voraus ist. So bekommen die Initiatoren ohne Infrastruktur und in der Freizeit innerhalb von Monaten das hin, was der Senat mit einer großen Verwaltung in fünf Jahren nicht zustande bekommt: konkrete Maßnahmen mit Zeithorizont zur Umsetzung, die den Radverkehr endlich sicher und teilweise überhaupt erst möglich machen. Die Debatten hier im Haus haben gezeigt: Die Opposition kritisiert, macht Vorschläge, die Koalition sagt, alles läuft. – Dass Sie als Radfahrer die Krise kriegen, wenn Sie jeden Morgen im Berufsverkehr um Ihr Leben kämpfen, ist nicht verwunderlich. Genau diese Situation gab es schon, zum Beispiel auf der Leipziger Straße, dass Sie als Radfahrer tatsächlich zusammengeschlagen werden. Das ist nichts, was man sich ausdenkt oder woran man herummäkelt, sondern das ist das, was draußen auf der Straße passiert, und das muss sich ändern.
In Zukunft muss es notwendig sein, dass solches freiwilliges, unbezahltes Engagement aus der Stadtgesellschaft nicht mehr bekämpft, sondern konstruktiv begleitet und unterstützt wird.
Was im Gesetz steht, haben wir teilweise eben schon besprochen, aber wie kommt nach dem U-Turn des Herrn Geisel von kompletter Ablehnung zu überwiegender Zustimmung in den Zielen die große Diskrepanz zwischen dem Radverkehrsgesetzentwurf und den Vorstellungen des Senats überhaupt noch zustande? – Weil das konkrete Handeln nicht mit der Realität zusammenpasst. So gibt es auf der einen Seite durchaus eine auch von den Initiatoren des Radentscheid gelobte Radverkehrsstrategie, auf der anderen Seite kommt davon kaum etwas auf der Straße an. Die Bilanz von fünf Jahren rotschwarzem Senat ist bei der Radverkehrsförderung nämlich äußerst dürftig. Nur die Hälfte der Hauptverkehrsstraßen, insgesamt 1 500 Kilometer, verfügt über Radverkehrsanlagen. In den nächsten Jahren kommen gerade mal 40 Kilometer hinzu, ein sagenhaftes Plus von zweieinhalb Prozent. Die Radverkehrsstrategie wird kaum umgesetzt. Erst zehn von 20 Fahrradhauptrouten sind fertiggestellt. Die Hälfte der angekündigten Modellprojekte wurde noch nicht einmal gestartet. Wohl auch deshalb verschiebt man einfach den Umsetzungshorizont auf 2025.
Ich würde mich freuen, wenn Berlin in Zukunft fahrradfreundlicher wird, dass es verbindliche Zielzahlen gibt, ausreichende Finanzmittel und ein verbindliches Umsetzungskonzept unter Beteiligung aller Akteure, so, wie es das Radverkehrsgesetz fordert. Der Senat hatte viel Zeit, sich auf die Initiative zuzubewegen und damit eine zukunftsfähige Verkehrspolitik zumindest teilweise einzuleiten. Nicht ohne Grund hat der Radentscheid zuletzt die Auszeichnung „EUROBIKE Award 2016“ in der Kategorie „Konzepte und Dienstleistungen" gewonnen. Berlin
hat gute Chancen, beim Thema Radverkehr vom Schlusslicht zum Spitzenreiter zu werden, sie müssen nur genutzt werden. Ich hoffe, das gelingt in der nächsten Legislaturperiode besser als in der jetzigen. Berlin würde es Ihnen danken. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Kollege Baum! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Bei der Drucksache 17/3048 wird die Überweisung des Gesetzantrags an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Bei der Drucksache 17/3124 wurde von der antragstellenden Fraktion die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen jedoch die Überweisung an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr und an den Hauptausschuss.
Hierüber lasse ich nun zuerst abstimmen. Wer also der Ausschussüberweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – Das sind Linke, Grüne und Piraten. Gibt es Enthaltungen? –
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung 6. Juni 2016 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 22. Juni 2016 Drucksache 17/3076
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung 6. Juni 2016 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 22. Juni 2016 Drucksache 17/3077
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung 6. Juni 2016 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 22. Juni 2016 Drucksache 17/3078
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung 6. Juni 2016 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 22. Juni 2016 Drucksache 17/3079
e) Personalentwicklung im Land Berlin (V) – Anreizsysteme zur Erhöhung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes schaffen
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung 6. Juni 2016 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 22. Juni 2016 Drucksache 17/3080
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung 6. Juni 2016 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 22. Juni 2016 Drucksache 17/3081
In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke, und die Kollegin Bluhm erhält das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gute Nachricht zuerst: In diesem Jahr hat der Senat es geschafft, 10 Millionen Euro mehr aus dem SIWA-Topf auszugeben. Das sind 14 Millionen Euro an Investitionen für die wachsende Stadt. Die schlechte Nachricht allerdings: 650 Millionen Euro sind übrig. Das ist ein eindrucksvolles Bekenntnis schlechter Arbeit der Regierenden. Der aktuelle City-Bürgermeister von Mitte erzählt
allen, in seinem Bezirk sei Geld kein Problem, er hätte allerdings kein Personal, um das Geld auszugeben.
Ja, das Thema ist angekommen – das muss ich Ihnen, die Sie aus dem Wahlkampfmodus kommend hier im Plenarsaal sitzen, nicht erzählen –, in der Straße, auf den Wahlpodien, in den Medien und auch bei der Runde der Spitzenkandidaten. Eigentlich sind sich aktuell alle einig: Es fehlt fast überall an Personal im öffentlichen Dienst. Die Servicequalität ist schlechter geworden, die Wartezeiten sind zu lang und die Qualität der Leistungserbringung ist gefährdet. Das Arbeiten unter diesem Druck und mit dieser permanenten Überforderung macht keinen Spaß und ist immens belastend.
Der Berliner liest von Überschüssen bei den Finanzen und findet die Personalausstattung der Verwaltung und die Infrastruktur der Stadt in schlechtem Zustand. Diese Wahrnehmung ist richtig, denn allein in den Bezirken sind mehr als 650 Vollzeitäquivalente ausfinanziert, aber nicht besetzt. Es sind also noch mehr Stellen. Auch in der Hauptverwaltung und in anderen Bereichen ist das der Fall, aber allein in den Bezirken sind mehr als 650 Vollzeitäquivalente nicht besetzt. Es handelt sich dabei für mich um eine singuläre politische Erfahrung: Ein solches Potenzial für ein besseres Gemeinwesen, für die Möglichkeit, so viele neue Jobs im öffentlichen Dienst und in der Stadt anzubieten und die Belastungssituation der aktuell Beschäftigten deutlich zu reduzieren nicht nutzen und die Investitionen, die damit möglich wären, nicht tätigen zu können, und das im Wahljahr, das ist eine besondere Erfahrung im Jahr 2016 und mit dieser Regierung.
Bei so viel Destruktion darf man schon mal nach den Gründen fragen. Es war eine krasse Fehlentscheidung bei der Haushaltsplanaufstellung für den aktuellen Haushalt, also für 2016/2017, die Zielvereinbarung zum Personalabbauprozess in den Bezirken weiterlaufen zu lassen.
Stattdessen hätten Neueinstellungen nicht über die KLR bestraft, sondern mit Boni belegt werden müssen. Das Gesamtthema hätte aus einer Hand und mit völlig veränderter Kultur und Durchsetzungskraft besetzt werden müssen, als Chefsache halt. Und in der Koalition: Die Realität, die wir vorgefunden haben – Michael Müller hat heute, zehn Tage vor der Wahl, erstaunlicherweise etwas dazu gesagt –, dass sich eine Verwaltung bei der Opposition über die andere Verwaltung beschwert, was sie mit der jeweils anderen Verwaltung beim Thema Personal nicht durchsetzen konnte und wie unzufrieden sie damit ist – das der Opposition und dem Rest der Stadt mitzuteilen, halte ich in Anbetracht der Größe des Problems und der damit vertanen Chancen für ziemlich insuffizient.