Protocol of the Session on November 12, 2015

[Beifall bei der CDU]

Ich möchte die Kritik an Herrn Czaja, die eben aus der Opposition gekommen ist, noch einmal zum Anlass nehmen, um zu sagen: Wenn es einen Kollegen im Senat gab, der frühzeitig, nämlich schon im Frühjahr 2014, auf die Probleme hingewiesen hat, dann war er das.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Frühzeitig! – Uwe Doering (LINKE): So früh?]

Herr Lauer! Dass Sie schlauer waren, das ist ja klar!

[Beifall bei der CDU – Martin Delius (PIRATEN): Ja, das stimmt auch! – Weitere Zurufe von den PIRATEN]

Dass Sie schlauer sind und alles besser wissen, ist klar. Aber dass diese Situation nicht vorhersehbar war, haben

ja nun alle – selbst Herr Wolf – an dieser Stelle eingeräumt.

Es ist doch auch vieles unternommen worden. Das Beispiel Bundesallee ist eines, was Schule machen wird. Dort arbeiten gleich mehrere Behörden unter einem Dach – LAGeSo, BAMF, Ausländerbehörde, Bundesagentur für Arbeit –, und dort wird inzwischen zur Registrierung tagesgleich entschieden, und zwar über jene, die hier bleiben können, und über jene, die keinen Anspruch haben. Natürlich hat ein solches Modell Vorbildcharakter. Es ist doch ein Fortschritt, dass es heute mit der Bundesallee gelingt, am Tag rund 600 Menschen zu registrieren, wenn es vorher nur 200 waren. Diesen Fortschritt müssen wir doch auch mal zur Kenntnis nehmen, und das ist ein Erfolg des Senators Czaja.

[Beifall bei der CDU – Canan Bayram (GRÜNE): Das geht doch nicht!]

Es ist hier immer wieder die Frage der sicheren Herkunftsländer angesprochen worden. Ja, ich wünsche mir noch schnellere, tagesgleiche Verfahren auch für die Westbalkanflüchtlinge. Es ist richtig, Herr Regierender Bürgermeister, die Zahlen sind zurückgegangen – von 40 Prozent auf fünf Prozent. Aber was ist die Ursache dafür? Die Ursache dafür liegt in der Entscheidung des Bundesrats, die Länder als sichere Herkunftsstaaten einzuordnen, weil das in den entsprechenden Heimatländern eine abschreckende Wirkung hat.

[Beifall bei der CDU – Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN – Martin Delius (PIRATEN): Was für ein Quatsch! – Weitere Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN – Unruhe]

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch bei den anderen Rednern wurde zugehört.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ja, aber die haben nicht so – –]

Herr Kollege Lauer, das steht Ihnen gar nicht zu. – Herr Graf! Sie haben das Wort.

Es ist auch richtig, dass wir ein solches Zentrum für die Westbalkanflüchtlinge schaffen. Ich habe den Medien entnommen, dass in diesen Tagen dafür der frühere Abschiebegewahrsam Grünau vorbereitet wird und dass das losgehen kann. Das ist genau der richtige Schritt, denn wir müssen mit der Rückführung beginnen, und das ist auch Konsens in der Koalition. Wenn Sie Herrn Müller richtig zugehört haben, hat er auch deutlich gemacht – –

[Steffen Zillich (LINKE): In den Abschiebeknast!]

Ja, Sie hören immer nur, was Sie hören wollen. Das wissen wir doch. –

[Martin Delius (PIRATEN): Ist doch übertragen worden! – Weitere Zurufe von den PIRATEN]

Wir wissen, dass die Rückführung stattfinden muss, denn machen wir uns nichts vor: Immer mehr Länder und Kommunen geraten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. In manchen Kommunen ist sie auch überschritten. Frau Kollegin Pop! Lesen Sie mal die Leitlinien zur Flüchtlingspolitik von dem Tübinger Oberbürgermeister Herrn Palmer von den Grünen! Der sagt Ihnen dazu einiges.

[Zurufe von den GRÜNEN]

Auch in Berlin werden wir täglich Zeugen dieser Belastungsgrenze. „Unsere Aufnahmemöglichkeiten sind endlich.“ Herr Wolf und Herr Müller! Das ist übrigens ein Zitat der Ikone Ihres früheren Senats, von Herrn Körting, der gestern unter diesem Titel einen Namensartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlicht hat: „Unsere Aufnahmemöglichkeiten sind endlich.“

[Zuruf von Ülker Radziwill (SPD)]

Es gibt doch Fragestellungen, die diskutiert werden. Das kann man doch nicht vom Tisch wischen: Finden wir noch ausreichend Unterkünfte zur Unterbringung, und gibt es überhaupt noch genügend seriöse Betreiber, die das tun wollen? Bringen wir künftig Flüchtlinge in Hallen oder in Wohnungen unter? Wie viele Wohnungen benötigen wir eigentlich in einer Stadt wie Berlin, wo der Wohnraum ohnehin knapp ist? Wie können wir die Menschen richtig in unsere Gesellschaft integrieren, oder wie viel Arbeitslosigkeit bei Flüchtlingen sind wir am Ende auch bereit zu akzeptieren? Was sind wir am Ende bereit, an finanziellen Mitteln für Integration zur Verfügung zu stellen?

[Wolfgang Brauer (LINKE): Das ist keine Erklärung für Ihr Amtsversagen!]

Das sind Fragestellungen, die schon die Grenzen unserer Belastung aufzeigen, unabhängig von den Zahlen, die auf der Bundesebene immer wieder diskutiert werden. Und über diese Fragestellungen müssen wir ehrlich und offen diskutieren, denn nur so können wir auch Antworten auf diese Fragestellungen geben.

[Steffen Zillich (LINKE): Wir sind in Haushaltsberatungen!]

Ja, es ist unsere Verantwortung, für die Schutzbedürftigen zu sorgen und ihnen zu helfen, es ist aber auch unsere Verantwortung, den Zuzug Nicht-Schutzbedürftiger einzudämmen. Sonst werden wir bei den Aufnahmemöglichkeiten an den Rand unserer Kapazitäten geraten.

[Beifall bei der CDU]

Und es ist unsere Aufgabe, die Schutzbedürftigen in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wie kann diese Integration gelingen? – Es liegt doch auf der Hand, dass das

vom Bund bereitgestellte Geld nicht im Ansatz ausreichen wird, denn Integration bedeutet, dass wir Wohnungen brauchen und dass wir Lehrer und Erzieher brauchen. Wir sprechen von Deutschkursen, von Integrationslotsen und von Integration in soziale Netzwerke – auch in Sportvereine.

Herr Finanzsenator! Hier übrigens habe ich eine dringende Bitte. Ich verweise auf die aktuelle Diskussion, die heute auch in einer Tageszeitung beschrieben wird, dass nämlich Sportvereinen, die zur Integration von Flüchtlingen beitragen, der Entzug der Gemeinnützigkeit droht. Lassen Sie uns gemeinsam sehen, dass wir dieses Thema klären, denn es ist für die Sportvereine, die eine wichtige Aufgabe im Bereich der Integration haben, nicht hinzunehmen, dass sie den Status der Gemeinnützigkeit einbüßen.

[Beifall bei der CDU]

Und wir sprechen von Integrationsprogrammen, bei deren Finanzierung wir den Bund auch nicht aus der Pflicht lassen. Integration heißt am Ende nicht nur Willkommensgruß und Zuflucht, sondern bedeutet, den Menschen dann auch eine dauerhafte Perspektive zu geben – das heißt Sprachunterricht genauso wie Ausbildung, von der Kita über die Schule bis zur Uni, aber vor allem Integration in den Arbeitsmarkt. Das ist es, worauf es ankommt.

Machen wir uns nichts vor! Es ist eine gewaltige Herausforderung, denn die Integration darf ja auch nicht als Einbahnstraße missverstanden werden. Wir brauchen glasklare Integrationsvereinbarungen. Das heißt, die geltenden Regeln müssen toleriert und akzeptiert werden. Die Menschen, die zu uns kommen, müssen sich daran halten – ob das die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder ob das die Freiheit von und zur Religion ist.

[Beifall bei der CDU]

Diese Werte sind nicht verhandelbar, und wer das nicht akzeptieren will, kann am Ende auch nicht bleiben.

[Zurufe von der SPD, der LINKEN und den PIRATEN]

Wir müssen den unberechtigten Zuzug der NichtSchutzbedürftigen eindämmen, denn sonst werden wir an die Grenzen unserer Integrationsfähigkeit gelangen.

Richtig ist auch, dass es dafür keinen Schalter gibt. Das möchte ich ausdrücklich sagen. Es gibt nicht die eine Entscheidung, die dazu führt, dass der Flüchtlingsstrom eingedämmt wird, sondern es braucht ein Bündel von Entscheidungen auf internationaler, auf europäischer und auf nationaler Ebene. Und Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat haben in den letzten Wochen doch auch richtige Entscheidungen getroffen. Und das lasse ich hier auch nicht so stehen: Jetzt tun alle so, als wären die Maßnahmen auf Bundesebene zur Verschärfung des Asylrechts, die ich für meine Fraktion ausdrücklich begrüße, nur die Diskussion der Unionsparteien. Nein, das ist ein

Kompromiss, getragen von CDU, CSU, SPD und Teilen der Grünen im Bundesrat. Das muss man auch mal deutlich sagen.

[Beifall bei der CDU]

Natürlich gehört die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer genauso dazu wie die Aufklärungskampagnen, die dort in den Westbalkanländern stattfinden. Es ist doch richtig, dass dort den Menschen keine unrealistischen Hoffnungen gemacht werden, bevor sie sich auf dem Weg hierher in die Fänge von Schleppern begeben, um dann zu erfahren, dass sie hier keinen Flüchtlingsschutz genießen. Das ist doch eine richtige Maßnahme. Herr Wolf! Ich verstehe, dass Sie das anders sehen. Das überrascht mich nicht. Aber es ist richtig, die wirtschaftlichen Fehlanreize durch die Umstellung von Bargeld auf Sachleistungen einzuschränken oder auch die Befristung von Leistungen für vollziehbar ausreisepflichtige Personen vorzunehmen.

Das ist das, was auf Bundesebene beschlossen wurde, und in der letzten Woche gab es auch einen Koalitionskompromiss, der Weiteres eingeleitet hat. Das ist die Einführung sogenannter Registrierzentren. Auch das ist ein notwendiges Signal, um für diejenigen, die keine Bleibeperspektive haben, schnell zu Entscheidungen zu kommen. Es ist im Interesse der Menschen, schnell zu wissen, ob sie bleiben können oder nicht.

Lieber Kollege Saleh! Auch die befristete Aussetzung des subsidiären Familiennachzugs für zwei Jahre haben unsere beiden Parteien letzte Woche gemeinsam vereinbart. Ich bitte darum, dann auch gemeinsam zu vertreten, was die Koalitionsparteien auf Bundesebene unterstützen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Natürlich kann man das Verhalten unserer Nachbarländer in der Europäischen Union nicht unerwähnt lassen.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Diejenigen, die sich hier einen schlanken Fuß machen, können nicht erwarten, dass drei Länder die Flüchtlingspolitik in Europa stemmen. Das muss auch bei den Gesprächen auf der europäischen Ebene deutlich werden.

Ich komme zum Schluss. Viele Menschen in unserem Land machen sich Sorgen und formulieren auch Ängste. Wir müssen diese Menschen ernst nehmen. Sie haben das Gefühl, dass die Zügel gelockert wurden. Die tagtäglichen Bilder vermitteln ihnen auch Ängste, dass die Welt an vielen Stellen aus den Angeln gehoben ist. Es ist unsere Verpflichtung und Aufgabe, ihnen diese Ängste zu nehmen und mit den Menschen zu reden.

[Zuruf von Ramona Pop (GRÜNE)]

Natürlich dürfen wir keine Intoleranz, keinen Hass und keine Gewalt gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte