Und warum diese hektische Eile? – Weil der GrothGruppe vertraglich zugesagt wurde, das Verfahren bis zum 30. November abgeschlossen zu haben, und weil man sich die Debatte um diesen fragwürdigen B-Plan und die komplett unterlassene Abwägung der Einwendungen aus der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und aus der öffentlichen Auslegung sparen wollte! Das gesamte Planungsverfahren ist im Grunde eine Farce, weil das Ergebnis seit Jahren feststand.
Herr Brauner! Da kann ich Ihnen mal ein bisschen auf die Sprünge helfen: An dem Bebauungsplan wird nicht seit 20 Jahren gearbeitet. Das wird jetzt seit knapp drei Jahren getan. Alles andere, nämlich all das, was Eingang in die planerischen Festsetzungen des Bebauungsplans gefunden hat, wurde vorher in einem Vertrag mit Herrn Groth und seinem Vorgänger, der CA Immo, über den Mauerpark vereinbart. Groth war verbindlich vertraglich zugesagt worden, wie viel er da bauen darf. Der Senat hat sogar Ausgleichszahlungen für jeden Quadratmeter in Aussicht gestellt, der weniger verwertbar ist als die
vereinbarte Nutzfläche in dem Vertrag – als Renditeausgleich. Der Senat räumt in seiner Planbegründung selbst ein, dass vertragliche Lösungen hinsichtlich Klima, Lärmschutz und Nachbarschaftsbelastungen nicht möglich waren, weil das die angestrebte bauliche Auslastung eingeschränkt hätte.
Damit haben Sie gleich zwei wesentliche Planungsgrundsätze verletzt: Erstens – das Entwicklungsgebot! Dieser Plan widerspricht dem Flächennutzungsplan. Das ist ein gravierender Rechtsverstoß. Das entsprechende Gutachten können Sie sich bei meiner Fraktion abholen. Im Flächennutzungsplan ist das Grün- und Erholungsfläche.
Zweitens – das Koppelungsverbot! Das Ergebnis des Verfahrens war nicht nur hinsichtlich der generellen Planungsziele, sondern auch hinsichtlich des Maßes und der Art der Nutzung durch Verträge mit Groth längst festgelegt. Sie hätten den B-Plan auch viel schneller erarbeiten können, denn es stand ja schon alles in den Verträgen, und abgewogen werden musste nicht mehr. Sowohl bei der frühzeitigen Bürgerbeteiligung – bei der übrigens ein ganz anderer B-Plan Grundlage der Auslegung war – als auch bei der Auslegung zu Beginn des Jahres 2015 war die Beteiligung so groß wie noch nie bei einem solchen Verfahren in Berlin. Und was macht der Senat? – Alle, wirklich alle Einwendungen und Anregungen sind zu 100 Prozent in der Tonne gelandet. Ich finde das unfassbar.
Die Verwertungsinteressen von Groth sind eben das Wichtigste. Dafür wird dann auch mal ein bereits eingereichtes Bürgerbegehren ausgehebelt, und Einwendungen und Bedenken werden kurzerhand weggewogen. Der Sinn des Bebauungsplans ist es, einen Interessensausgleich zwischen privaten und Gemeinwohlinteressen zu schaffen. Diesen Zweck kann ein B-Plan natürlich nur erfüllen, wenn noch irgendwas abgewogen wird, aber nicht, wenn man einfach nur das, was man vorher Herrn Groth in einem privatrechtlichen Vertrag zugesagt hat, eins zu eins in den Bebauungsplan einspeist. Das ist keine planerische Abwägung, die im Baurecht gefordert ist.
Dann die Einwände in der Sache, wo mit vielen Mythen hantiert wird! Wir haben ja eben das zweifelhafte Vergnügen gehabt, von der Kollegin aus der SPD-Fraktion, deren Namen mir – entschuldigen Sie – gerade nicht einfällt, wieder dieselben Mythen gehört zu haben.
Genau! – Erstens: Berlin braucht Wohnungen. Abgesehen davon, dass die Baudichte und Gründefizite im dortigen Quartier überdurchschnittlich sind, sind die geplanten Luxuswohnungen nichts als die Befriedigung kaufkräftiger Nachfrager auf dem Markt. Und das Einzige, was passiert ist: Sie erhöhen den Aufwertungsdruck auf das
Brunnenviertel. Diese Wohnanlage wird keinen Beitrag zur Verringerung des sozialen Wohnungsproblems leisten.
Zweitens: Berlin hat kein Geld. Das stimmt. Gerade deswegen ist es für mich so unverständlich. Die Grundsätze der angemessenen Beteiligung des Vorhabenträgers an den Kosten der durch die Entwicklung entstehenden neuen Bedarfe an sozialer und kultureller Infrastruktur und an notwendigen Erschließungsaufwendungen der technischen und verkehrlichen Infrastruktur werden hier grob missachtet. Über die normale Beteiligung in Höhe der üblichen Erschließungsbeiträge hinaus muss Groth keinen einzigen Cent leisten. Schon die Kosten für den erforderlichen Umbau der Gleimstraße trägt das Land Berlin komplett allein. Ebenso darf Groth Teile der denkmalgeschützten Anlage Gleimtunnel demolieren, ohne sich mit einem Cent an dessen erforderlicher Sanierung zu beteiligen. Die Grünzugplanung des Landes wird geopfert, eine Verschlechterung des Stadtklimas, eine unverträgliche Bebauungsdichte, die fast vollständige Versiegelung, eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange der Bodennutzung und öffentlicher Infrastruktur, ein fahrlässiger Umgang mit einer erheblichen und teilweise ungelösten Lärmbelastung von Wohngebäuden, der Abriss von Teilen des Denkmals Gleimtunnel, eine mangelhafte und gefährliche Verkehrserschließung, eine Verschlechterung der Wohnsituation in kommunalen Sozialwohnungsbeständen und anderes mehr werden hingenommen, damit die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens von Groth gesichert bleibt.
Groth darf bauen, und die Folgekosten trägt das Land. Ob es sich um den Umbau der Gleimstraße handelt oder die Sanierung des Denkmals Gleimtunnel, ob um die verkehrliche Anbindung an die soziale Infrastruktur – das Land ermöglicht Groth exorbitante Wertsteigerungen seines Grundstücks, aber nichts davon wird abgeschöpft. Selbst die Kosten für den Anteil von 120 Sozialwohnungen, die Sie eben hervorgehoben haben, die Groth schlüsselfertig als Lärmschutzwand an den Rand stellen soll, die 7,68 Millionen Euro – das ist ein tilgungsfreies Darlehen des Landes Berlin. Groth zahlt keinen Cent und subventioniert die Sozialwohnungen mit keinem Cent. Das sind Kosten, die das Land Berlin trägt.
Die Kita, von der Sie gesprochen haben, die erhält nicht das Land. Ich weiß nicht, was Sie gelesen haben. Groth baut die Kita, sie bleibt sein Eigentum. Er muss sie zehn Jahre nutzen, und danach kann er das Grundstück verkaufen. Das Land kriegt hier nichts, Frau Spranger!
[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Martin Delius (PIRATEN)]
Weil Sie vorhin gestöhnt haben, als ich gesagt habe, es wurden nicht alle unsere Fragen beantwortet: Der Senat konnte uns bis heute nicht sagen, welche Summen noch auf den Haushalt zukommen, wir sollen aber heute über
Zur Erfüllung von Pflichten des Landes aus dem Jahr 1994 gegenüber der Allianz-Stiftung greift das Land die 6,5 Hektar für die Mauerparkerweiterung von Groth ab. Das ist das, was der Kollege der CDU-Fraktion hier so gelobt hat. Dafür schenkt das Land ihm das Baurecht, und zwar mit voller Baumasse. Abstandsflächen – alles egal. So etwas sieht das deutsche Planungsrecht nicht vor, Frau Spranger. Es geht hier auch nicht um Ausgleichsmaßnahmen für die erheblichen Eingriffe Groths in Natur und Umwelt.
Dass nun ausgerechnet die Groth Gruppe der Partner bei diesem unzulässigen und fragwürdigen Koppelgeschäft ist, kann man nur unter Berliner Verhältnisse und der Hauptstadt von Korruption und Filz verbuchen.
Er saß schon 2012 mit am Tisch, als der MauerparkVertrag verhandelt wurde, die Grundlage für diesen Deal. Meine Damen und Herren! Das Ganze stinkt zum Himmel! Und da wir uns an einem denkwürdigen Tiefpunkt der Berliner Stadtplanungskultur befinden, haben wir eine namentliche Abstimmung beantragt. Sie haben recht, Frau Spranger: Alle Abgeordneten mögen sich ganz individuell zu diesem zweifelhaften Deal verhalten. Nicht, dass in ein paar Jahren wieder alle sagen: Ach, wie konnte denn das passieren! – Heute übernehmen Sie alle Ihre konkrete Verantwortung für den Vorgang.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu der Vorlage Drucksache 17/2456 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – und der Hauptausschuss mehrheitlich – gegen Linke und Piraten bei Enthaltung der Grünen – die Annahme.
Zu diesem Tagesordnungspunkt ist von der Fraktion Die Linke die namentliche Abstimmung beantragt worden. Dazu folgende Hinweise: Ich bitte den Saaldienst, die vorgesehenen Tische an den Seiten des Stenografentisches aufzustellen. Dann bitte ich die Beisitzerinnen und Beisitzer nach vorne. Eine namentliche Abstimmung ist gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses mit Namensaufruf durchzuführen. Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die Namen aufzurufen. Die Stimmkarten werden Ihnen durch Präsidiumsmitglieder ausgegeben. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Namensaufruf mög
lich ist. Zuvor werden die Urnenschlitze durch Präsidiumsmitglieder abgedeckt. Nur so ist ein reibungsloser und geordneter Wahlgang möglich. Sie finden Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind – eine Urne für die JaStimmen, eine Urne für die Nein-Stimmen, eine Urne für die Enthaltungen sowie die nicht benötigten restlichen Karten und Umschläge.
Ich eröffne nun die Abstimmung über die Vorlage und wiederhole: Der Fachausschuss hat mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten –, der Hauptausschuss hat mehrheitlich – gegen Linke und Piraten bei Enthaltung der Grünen – die Annahme empfohlen. – Ich bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen.
Das Präsidium hat auch gewählt. Ich frage noch einmal: Hatten alle Mitglieder des Hauses die Möglichkeit abzustimmen? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Präsidiumsmitglieder, die Auszählung vorzunehmen. Für die Dauer der Auszählung wird die Sitzung unterbrochen.
Ich teile Ihnen das Ergebnis mit. Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/2456: Abgegebene Stimmen 135, davon eine ungültig. Mit Ja stimmten 79, mit Nein 34, 21 Enthaltungen. Damit ist der Bebauungsplan beschlossen.
Meine Damen und Herren! Das war die heutige Tagesordnung. Die nächste, die 71. Sitzung findet am Donnerstag, dem 12. November 2015 um 11 Uhr statt.