Protocol of the Session on September 10, 2015

(Dr. Klaus Lederer)

Stadtentwicklungssenators. – Herr Jahnke, bitte fahren Sie fort!

Die neue Firmenzentrale von Siemens entstand am Wittelsbacher Platz und wurde ja gerade erst vor zwei Jahren in München eröffnet. Aber Berlin ist nach wie vor der größte Fertigungsstandort von Siemens weltweit, und Berlin ist Hauptstadt unseres Landes, und das ist Grund genug für den Siemens-Vorstand, hier mit einer Repräsentanz auch repräsentativ vertreten sein zu wollen. Dieses Grundstück, dieser Ort in der Stadtmitte, ist dafür sehr geeignet, und Berlin hat ein massives wirtschaftliches Interesse, dass Siemens hier stärkere Präsenz zeigt. Dazu wird dieser Standort beitragen.

Selbstverständlich muss dabei eine Abwägung stattfinden, ein Dialog zwischen dem Unternehmen und den Baugenehmigungsbehörden. Der hat auch stattgefunden. Die Bäume bleiben natürlich größtenteils erhalten. Die Fläche eines Parkplatzes, auf dem noch ein paar Müllcontainer stehen, wird bebaut. Die Maßstäbe werden von dem Nachbargebäude des Centrum Hungaricum gesprengt und nicht von der geplanten Siemensrepräsentanz, die sehr viel kleiner ausfallen wird.

Nun fordert der Antrag der Linksfraktion allen Ernstes, den Bauvorbescheid zurückzunehmen und den Rückkauf des Magnus-Hauses durch die öffentliche Hand einzuleiten.

[Katrin Lompscher (LINKE): Genau!]

Was ist das für ein Verständnis von Standortpolitik? Ich kann nicht glauben, dass das eine Fraktion ist, der auch Harald Wolf angehört, mit dem zusammen wir als SPDFraktion eine Standortpolitik gemacht haben und eine Reindustrialisierung eingeleitet haben und der hier Begriffe wie Unternehmensservice und Key-Account-Management etabliert hat, wo wir die wichtigsten 400 Unternehmen in Berlin fördern.

[Katrin Lompscher (LINKE): Ist aber so! – Dr. Klaus Lederer (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Siemens gehört da zweifellos dazu.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, diesmal von Herrn Dr. Lederer?

Stellen Sie Ihre Frage!

Bitte!

Lieber Herr Kollege! Ist Ihnen § 11 Abs. 3 des Denkmalschutzgesetzes Berlin bekannt, und sind Sie tatsächlich der Auffassung, dass man für die Wirtschaftsförderung jedes Gesetz willkürlich brechen darf, wenn es einem gerade in den Kram passt?

[Beifall bei der LINKEN]

Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht, und ein „Lex Siemens“ wird hier nicht geschehen. Das ist doch überhaupt nicht der Punkt. Ich sage nur: Dass eine Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses und somit Interessensvertreter des Landes Berlin hier eine Standortpolitik betreiben, wie sie im Grunde nur unsere Konkurrenten begrüßen können – das würde anderswo nicht passieren.

[Martin Delius (PIRATEN): Es geht nicht um Siemens, es geht um das Magnus-Haus!]

In München würde auch eine Oppositionspartei so etwas nicht fordern und würde auch nicht, wie es der Abgeordnete Otto vor wenigen Tagen tat, dieses Beihilfeproblem in den Mittelpunkt rücken, wie Sie es jetzt auch wieder getan haben, Herr Lederer. Das sind doch genau die Argumente, mit denen die Gegner im Standortwettbewerb arbeiten wollen. Es ist absurd, was Sie hier tun.

[Beifall von Karlheinz Nolte (SPD) – Zurufe von der LINKEN]

Es wird nicht Recht gebrochen, sondern es wird ein ordentliches Wettbewerbsverfahren durchgeführt.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Natürlich! Es wird Recht gebrochen!]

Es wird eine Gestaltungssatzung dabei berücksichtigt, sodass im Dialog mit dem Unternehmen genau diese Dinge berücksichtigt werden, die Sie ja hier auch einfordern. Genau das, was Sie hier einfordern, wird geschehen – das, was der baukulturellen, wissenschaftlichen und industriegeschichtlichen Bedeutung des Hauses gerecht wird.

[Katrin Lompscher (LINKE): Nichts davon!]

Das ist der Punkt, den wir hier erreichen wollen. Das ist in Ihrem Antrag ja ganz richtig formuliert, und das muss passieren. Der Denkmalschutz kann im Grunde auch dort nur am besten gewährleistet sein, wo man alte Bausubstanz sich in die sich entwickelnde Stadt einfügen lässt,

[Lachen bei den GRÜNEN und der LINKEN]

wo man also Denkmalschutz nicht als Kulissenschutz begreift, wo dann Wände und Gebäude stehenbleiben, sondern wo man sieht, dass das Denkmal ökonomisch eingebunden wird.

[Steffen Zillich (LINKE): Das Denkmal wird doch genutzt!]

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Nur dort wird es überleben. Das hat man an anderen Punkten längst erleben müssen. Ich glaube, wir werden hier bei unseren Beratungen im Ausschuss und dann bei der zweiten Lesung im Plenum noch unsere Freude mit Ihnen haben. Aber ich bleibe dabei, dass wir hier eine richtige Entscheidung für den Wirtschaftsstandort Berlin getroffen haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Siemens hat sich ja bedankt!]

Vielen Dank, Herr Jahnke! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Otto. – Ich weise noch mal kurz darauf hin, dass pro Redebeitrag laut Geschäftsordnung zwei Zwischenfragen gestellt werden können. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Jahnke! Dass die Entwicklung des Standortes Berlin in Industrie und Wirtschaft am Kupfergraben in einem Kleingarten stattfinden soll, das ist wohl ein Witz.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Im 18. Jahrhundert war das so!]

Hier ist ja darüber nachgedacht worden, welcher Senator oder welche Senatsbehörden zuständig sind. Ich hätte hier den Finanzsenator und vor allem den Rechnungshof erwartet, denn das ist eine Geldverschwendung, die nicht hätte stattfinden dürfen.

Wir haben es hier mit drei Fragen zu tun: Das ist zum einen ein Grundstücksverkauf höchstwahrscheinlich weit unter Wert. Und da gibt es diese Beihilfethematik. Herr Jahnke! Sie haben das eben selber richtig angesprochen. Jetzt kann man sich darüber Gedanken machen: Das war im Jahr 2001, da ging es Berlin nicht so gut, und da muss man vielleicht auch Unternehmen anlocken oder denen etwas bieten. Aber dass ein Weltkonzern, der möglicherweise 2001 ziemlich gut dastand, für ein Grundstück in dieser Lage nicht mehr bezahlt – weil er ein Weltkonzern ist –, sondern zwei Drittel geschenkt bekommt, lieber Herr Jahnke, das geht wohl nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wenn die gesagt hätten: Wir legen etwas drauf, wir zahlen das Doppelte, weil uns dieser Standort so wichtig ist, dann hätte man darüber vielleicht nachdenken können. Aber dass man diese Liegenschaft einfach verschenkt hat, das ist nicht in Ordnung, und das ist ein Skandal.

Diesen Vertrag haben wir noch nicht gesehen. Der muss mal offengelegt werden. Jetzt ist eine interessante Frage dabei: Enthält der eigentlich eine Wertsteigerungsklausel? Ist dieses Grundstück mit einem Bauvorbescheid jetzt vielleicht nicht mehr 10 Millionen, sondern 20 Millionen Euro wert, und zahlen die uns jetzt diese 10 oder im besten Fall 17 Millionen Euro nach? Hat sich der Finanzsenator darüber schon Gedanken gemacht? – Das hätte ich ihn gerne gefragt, aber er ist leider gerade nicht im Raum.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jahnke?

Aber gerne, wenn Sie die Uhr für meine Redezeit anhalten!

Bitte, Herr Jahnke!

Ihre Formulierung eben war interessant. Wenn Siemens das Doppelte vom Verkehrswert geboten hätte, hätte man darüber nachdenken können, sagten Sie sinngemäß. Wir sind doch kein kleiner Koofmich,

[Steffen Zillich (LINKE): Nein, ein kleiner Verschenk-mich!]

der versucht, einen billigen Schnitt zu machen, sondern wir wollen Standortpolitik betreiben. Wie sieht denn die Wirtschaftsförderungsstrategie der Grünen aus? Wie wollen wir denn Unternehmen in Berlin halten oder nach Berlin holen?

[Zurufe von der LINKEN]

Mit der Liegenschaftspolitik, und in der Liegenschaftspolitik beklagen wir seit Langem, dass immer versteigert wird, dass immer nach dem Höchstgebot vergeben wird. In diesem interessanten Fall hat man das nicht gemacht. Warum hat man das nicht gemacht? Weil Siemens zu wenig Geld hatte, oder weil man denen etwas Gutes tun wollte? – Mir erschließt sich das nicht.

Mir erschließt sich auch das Folgende nicht: Sie haben gesagt, dass die dort so eine kleine Repräsentanz bauen. Gucken Sie sich das doch mal an! Will denn Siemens ernsthaft seine Repräsentanz bei der Bundesregierung, in dieser Stadt, bei dem deutschen Parlament in einem Hinterhof aufstellen? – Das ist doch eine komische Idee. Die haben sich verkalkuliert. Die dachten, sie kommen ins

(Frank Jahnke)

Vorderhaus rein. Wäre ja auch eine Variante gewesen. Das hat nicht funktioniert, und jetzt gibt es diese Hilfsvariante. Der sauberste Weg wäre, dass man mit Siemens spricht und mit denen zusammen überlegt, wo ein angemessener Platz für ihre Repräsentanz ist. Das wäre der richtige Weg, und das wäre von Ihnen als Wirtschaftspartei zu erwarten.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Die zweite Frage: Darf man in diesem Garten etwas bauen? – Das ist ja die architektonische, die städtebauliche Frage. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein. Sie sind der Meinung, dass das, was die da machen wollen, in Ordnung ist. Andere sagen: Oh, ganz schwierig! – Ich finde, dass wir uns da noch mal Folgendes zu Gemüte führen müssen: Wenn das in der Tat – ich glaube das mal den Denkmalschützern – der letzte Barockgarten aus dem 18. Jahrhundert in dieser Stadt, in diesem Stadtzentrum ist, dann würde ich es nicht machen. Wenn das so ein Kleinod ist, wo ich wahrscheinlich im Jahr 200 000 amerikanische Touristen hinbekommen könnte, weil das ein Barockgarten aus dem 18. Jahrhundert ist und die so etwas dort nicht haben, würde ich mir überlegen: Wie komme ich an das Ding, und wie mache ich das öffentlich zugänglich und öffentlich nutzbar? – Weil es ein wichtiges Element der historischen Entwicklung dieser Stadt Berlin ist! Und das wäre auch von Ihnen als Wirtschaftsfachmann zu erwarten gewesen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]