Der Senat hat also konkurrierendes Recht geschaffen. Beide Rechtsgüter stehen sich diametral gegenüber und sind unvereinbar. Entweder gelten die Mieterschutzrechte oder der Eigentümer darf das Gebäude abreißen, um Wohnungen im Luxussegment zu errichten.
Damit Sie sehen, dass der Senat in der Verantwortung seines eigenen Tuns steht und es nicht der Hysterie der Bürgerinitiative oder meiner Person entspringt, lese ich Ihnen gern die Frage und die Antwort des Senats aus dem April vor:
Frage 17: Welches Recht greift, wenn die Mieter auf Ihrem vertraglich zugesicherten Wohnrecht bestehen, wo doch die Abrissgenehmigung unbefristet erteilt worden ist?
Das ist ein krasser Vorgang mit viel Verantwortung bei der Senatsstadtentwicklungsverwaltung. Ich verstehe ganz und gar nicht, warum der Senat und die Koalition nicht alles tun, um ein eklatantes Beispiel zu verhindern, dass Mieterschutzrechte bei der Privatisierung keine Sicherheit und Verlässlichkeit für die Mieter gewährleisten.
Die Mieter sind die Leidtragenden des rechtlichen Chaos, das der Senat angerichtet hat. Wenn der Sprecher des Senators jetzt sagt, SenStadt wird dem Entmietungsantrag des Eigentümers nicht zustimmen, dann ist das erst mal gut und ein Fortschritt, aber keinesfalls ein Durchbruch oder ein Plan, wie das Problem zu lösen ist. Genau deshalb bringen wir heute diesen Antrag ein und fordern mit
unverminderter Dringlichkeit zum Handeln auf. Und wir bitten, in der folgenden Debatte – die Rednerinnen und Redner der Koalition sind da in besonderer Weise angesprochen – dem Parlament und den Mieterinnen und Mietern ihren Plan zu verraten.
Denn wenn sich der Eigentümer sein Recht auf Abriss der Wilhelmstraße 56-59 einklagt, haben die Mieter gar nichts vom verbalen Rettungsbekunden der Stadtentwicklungsverwaltung, und die Schutzrechte der Mieter, in ihren Wohnungen zu bleiben, sind dann nicht durchsetzbar. Der Senat widerspricht sich selbst, und er hat den Kampf um bezahlbares Wohnen in der Innenstadt noch gar nicht gekämpft. Das muss sich ändern, weil es um sehr viel geht.
Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD spricht die Kollegin Spranger. – Bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Frau Bluhm! Ich verlese mal eine Sache, die Sie gesagt haben, dass SenStadt hier einfach zugestimmt hat. Ich muss dazu sagen, nach Aufhebung von Teilen des B-Plans durch das Oberverwaltungsgericht musste die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dem Abrissantrag entwicklungsrechtlich zustimmen.
Nichtsdestotrotz müssen wir aber sagen, es ist wieder einmal ein Beispiel, wie Investoren versuchen, gegen den Mieterschutz vorzugehen. Das ist leider in Berlin kein Einzelfall. Das kennen alle Abgeordneten dieses Hauses aus ihren Sprechstunden, wo hilfesuchende Mieterinnen und Mieter vorstellig werden und um Hilfe bitten. Es handelt sich hier um Häuser in der Wilhelmstraße, die Plattenbauten und in der Wendezeit errichtet worden sind. Und Frau Bluhm! Sie haben völlig richtig gesagt, die Mieterinnen und Mieter haben Mietverträge, die gelten und bindend sind, auch bei einem Verkauf, was ja erfolgt ist, und deshalb kann es nicht sein, dass der Investor versucht, sich über diesen Schutz der Mieter hinwegzusetzen.
Was kann passieren nach dieser Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes? – Wahrscheinlich – davon gehen wir aus – wird sich der Eigentümer voraussichtlich an die Verwaltung wenden, um die Aufhebung der noch bestehenden Mietverhältnisse zu beantragen. Wir gehen, und das hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, und das unterstützen wir, davon aus, dass die Verwaltung die Aufhebung der Mietverhältnisse selbstverständlich ablehnen wird.
Wir raten auch der Senatsverwaltung, gegenüber dem Vermieter auf Umsetzung des Sozialplanes und einem einvernehmlichen Abschluss des Sozialplanverfahrens zu bestehen, denn uns ist bekannt – und Frau Bluhm, Sie haben ja einige Beispiele genannt, das ist uns natürlich auch bekannt –, dass der Eigentümer durch aktive Maßnahmen versucht, den Wohnwert und die Wohnverhältnisse für die Mieter untragbar zu machen, um sie in eine Aufgabe des Mietverhältnisses zu zwingen. Das werden wir nicht akzeptieren.
Wir erwarten, dass das bezirkliche Wohnaufsichtsamt den Beschwerden der Mieterinnen und Mieter, denn da gehört das hin, nachgeht und den Vermieter zur Einhaltung des Wohnstandards zwingen wird, denn das ist deren Aufgabe. Deshalb fordern wir von dieser Stelle noch mal den Investor auf: Gehen Sie auf die Mieterinnen und Mieter zu, und versuchen Sie nicht, mit unlauteren Mitteln zu handeln!
Die Rechte der Mieterinnen und Mieter bestehen weiterhin aus den bestehenden Mietverhältnissen, in denen besondere Kündigungsrechte und das Mietminderungsrecht enthalten sind. Wir werden uns zum einen natürlich darum bemühen, dass das bezirkliche Wohnaufsichtsamt entsprechend handelt und selbstverständlich auch die Senatsverwaltung, denn da gehört das hin.
Vielen Dank! – Frau Spranger! Sie sagten einmal, dass Sie regieren und keine Anträge brauchen. Wie sehen denn konkret Ihre Unterstützung und Ihr Handeln aus? Sie sagten eben, Sie fordern auf, aber passiert darüber hinaus noch etwas, und wenn ja, was?
Es ist Folgendes, ich habe es vorhin schon gesagt. Mit Sicherheit wird, wenn die Senatsverwaltung sagt, dass sie nicht der Aufhebung der Mietverhältnisse zustimmen wird, die Senatsverwaltung mit Sicherheit verklagt werden. Und diese Klage sollte die Senatsverwaltung auch durchführen. Das werden wir nicht als Parlament machen können. Und dann wird es entscheidend sein, dass selbstverständlich die Sozialpläne eingehalten werden, und darüber können wir hier im Parlament selbstverständlich auch jederzeit den Antrag wieder aufrufen und diskutieren.
Wir wollen, verehrte Damen, verehrte Herren, selbstverständlich Investoren in unserer Stadt haben, aber Mieterinnen und Mieter müssen ihre Rechte behalten, und das ist uns sehr, sehr wichtig, deshalb wird es heute mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein, weil wir noch rechtliche Schritte zu erwarten haben. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst mal zunächst Frau Spranger! Ich möchte Sie mal darauf hinweisen, die Bauaufsicht war schon vor Ort, also das jetzt wieder so ein bisschen an den Bezirk
abzuschieben, das funktioniert nicht, das Spielchen, und es ist so, dass wirklich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung für diesen Bereich zuständig ist, und deswegen ist es schon richtig, dass es diesen Antrag heute gibt. Es ist nur die Frage, ob der Inhalt so der richtige ist.
Es ist sicherlich zutreffend und vollkommen nachvollziehbar, dass die Bewohnerinnen und Bewohner der Wilhelmstraße seit Jahren unter großer Anspannung stehen und auch berechtigte Sorgen haben, soll doch ihr Lebensmittelpunkt den Profitinteressen eines Investors geopfert werden. Es fing an mit Ferienwohnungen, mit unterlassenen Instandhaltungen, das Leerziehen, und leider wird es auch irgendwann einen Abriss des Hauses und somit auch die Vernichtung des Wohnraumes geben.
Klar ist allerdings auch, dass das Land Berlin hier wieder einmal eine unrühmliche Rolle spielt, hat es doch dem damaligen Eigentümer über einen städtebaulichen Vertrag den Abriss der Wohnungen überhaupt erst zugebilligt.
Die konkrete Gefahr besteht mindestens seit 2008 mit der Genehmigung des Bauvorhabens zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage. Diese Genehmigung ist unbefristet und umfasst den Abbruch des Bestandsgebäudes. Es steht also seit wenigstens sieben Jahren fest, dass das Haus abgerissen wird.
So, und jetzt sollten wir uns vielleicht mal daran erinnern, wer damals in Berlin die Regierung gestellt hat. Richtig: SPD und Linke!
Und auch in den kommenden drei Jahren, die Ihnen noch bis zur Wahl damals 2011 blieben, wurde nichts Hilfreiches in die Wege geleitet, das verhindert hätte, dass uns heute ein Trümmerhaufen in der Wilhelmstraße droht.
Der Bebauungsplan aus dem Jahr 2005 wurde dem Senat im November 2007 vom Oberverwaltungsgericht in Teilen um die Ohren gehauen. Anfang 2008 hieß es dann, der Senat werde den B-Plan nachbessern und erneut zur Beschlussfassung bringen. Der damals verkündete Termin gegenüber dem Bezirk Mitte war Juni 2009. So, das ist nun genau sechs Jahre her, und damit hätte der Plan eigentlich aufgehen müssen, aber was ist jetzt mit einem rechtssicheren B-Plan? – Nein, haben wir nicht. Wir haben dafür einen städtebaulichen Vertrag des Landes Berlin, der dem Eigentümer den Abriss der Wohnungen auch noch zugebilligt hat. Vielen Dank!
Wurden seit der besagten Gerichtspleite von 2007 in den vergangenen acht Jahren die Voraussetzungen zum Erlass einer städtebaulichen Erhaltungssatzung geprüft, was effektiv wäre, wie es zum Beispiel auch die BVV Mitte vorschlägt? – Nein, ist nicht passiert! Und deshalb bleibt unterm Strich leider zu konstatieren, Rot-Rot und Rot-Schwarz haben auf ganzer Strecker versagt, und die