Sie können gerne eine Kleine Anfrage stellen, was Herr Gysi an Übergangsgeld bekommen hat. Im Übrigen ist er, soweit ich weiß, zurückgetreten. Er hat seinen Rücktritt erklärt. Das ist auch so, wenn jemand meint, er könne dieses Amt nicht weiter ausüben, aus welchen Gründen auch immer; dann bittet er nicht den Regierenden Bürgermeister um Entlassung, sondern erklärt seinen Rücktritt.
Und Sie machen das jetzt auch noch mit. Und der Regierende macht es jetzt auch noch mit. Man spielt das Spiel noch mit, anstatt zu sagen: Wenn du meinst, du musst gehen, dann tritt zurück! – Dann nimmt man diese Bitte auf Entlassung auch noch an und spricht die förmliche Entlassung aus. Dann wird der Übergangsgeldanspruch fällig.
Meine liebe SPD! Wenn ihr es ernst meint, dass es so ist, dann stimmt nachher gegen unseren Antrag und erklärt der Öffentlichkeit, nein, das Übergangsgeld ist schon in Ordnung, nach zwölf Tagen dieser Art, es war kein Rücktritt, es war eine Entlassung. Erklärt danach, auch Sie, Herr Kleineidam, erklären Sie den Leuten danach, dass es leider rechtlich nicht anders geht, weil die Rechtslage so ist. Für mich ist die Rechtslage relativ übersichtlich und klar, denn entweder ist es auf eigene Veranlassung erfolgt, dann ist es ein Rücktritt – das liegt auch im Wortlaut –, oder ist es eine Entlassung, und das wird ja auch vertreten, weil der Regierende Bürgermeister aus politi
schen Erwägungen heraus einen Senator oder eine Senatorin entlässt. Dann ist das Übergangsgeld auch gerechtfertigt, dann kann die- oder derjenige überhaupt keine Disposition über die Rückkehr ins Berufsleben treffen, weil sie keine Entscheidungsmöglichkeit hatte. Das ist die einzig mögliche denkbare und vernünftige Differenzierung zwischen beiden Akten, die im Gesetz vorgesehen sind.
Sie räumen den Leuten ein Wahlrecht ein, ob sie Kohle mitnehmen wollen oder nicht. Dann ist übrigens die Empörung gerechtfertigt, lieber Herr Kleineidam. Das ist nämlich einfach Mitnehmen, was man kriegen kann. Das ist schamlose Bereicherung, wo es nur geht, zulasten des Steuerzahlers, während Sie den Leuten erklären, Berlin ist arm aber sexy. Und insbesondere den Ärmsten erklären sie bei jeder Gelegenheit, ob ÖBS oder was auch immer, die Stadt hat kein Geld. Aber hier ist das Geld plötzlich da. Tut mir leid, nicht mit mir!
Ich habe vorhin noch ein anderes Beispiel genannt, wo ich mir vorstellen kann, dass die Bitte um Entlassung gerechtfertigt ist.
Ja! – Jetzt sage ich: Ich kann mir auch Fälle vorstellen, wo sich jemand selbst für völlig unschuldig hält
und sagt, ich habe aber hier eine öffentliche Debatte, die Schaden für das Amt verursachen kann, und so jemand aus seiner subjektiven Sicht sagt, ich trete nicht zurück, weil ich mir nichts vorzuwerfen habe.
Das kann ich mir vorstellen. Dann geht es da nicht vordergründig darum, ob ich Geld bekomme oder nicht, sondern darum, ob ich unter Umständen ein Schuldeingeständnis mache oder nicht. Wie das hier im konkreten Fall war, kann ich nicht beurteilen. Ich verfüge nicht über Fähigkeiten der Hellseherei. Das mag bei den Linken und bei den Grünen anders sein.
Ich habe abzustellen auf die konkreten Vorgänge. Wir haben die Sachverhalte, die diskutiert wurden, auch im Rechtsausschuss nicht abschließend klären können. Da haben viele Leute ihre Bilder, wie es gewesen sein kann, wie es gewesen sein mag. Eine abschließende Klärung haben wir nicht. Ich kann mir durchaus auch vorstellen, dass jemand sagt, ich befürchte Schaden für das Amt, und deshalb möchte ich meine Amtszeit beenden, aber ich will kein Schuldeingeständnis machen. Das kann völlig in Ordnung sein.
Nur zu unterstellen, es gehe darum, Übergangsgeld zu bekommen, ja oder nein, und das alles auf diese Frage zu reduzieren, erscheint mir nicht angemessen.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Dr. Klaus Lederer (LINKE): Es geht hier um diesen konkreten Antrag!]
Meine Damen und Herren! Es ist hier ein erheblicher Geräuschpegel. Ich bitte, die Privatgespräche einzustellen. Es ist auch für den Redner sehr nervig, gegen eine solche Kulisse anreden zu müssen. – Es hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Dr. Behrendt das Wort. – Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab: Herr Kleineidam! Ich hoffe, ich habe Sie jetzt nicht so verstanden, dass Sie den Kollegen Braun hier reinwaschen wollen,
denn das ist nicht mehr nötig. Er ist zurückgetreten. Und es gab Gründe für diesen Rücktritt. Daran muss man vielleicht nach Ihrem Redebeitrag erinnern.
Genauso gibt es Begebenheiten im politischen Geschäft, die zu Recht Anstoß erregen und die leider die sehr verbreitete Verdrossenheit über das politische Geschäft und die politische Klasse weiter verstärken. Hierzu gehört die berechtigterweise als überhöht wahrgenommene Zahlung von Übergangsgeld von rund 50 000 Euro für eine sehr kurze Amtszeit von wenigen Tagen, eine Amtszeit, die auch noch im Wesentlichen darin bestand, keine Akzente im Justizbereich zu setzen, sondern von allen Dingen hier eine hilflose Selbstverteidigung zu organisieren. Für diese Übergangszahlung fehlt jedenfalls jegliche sachliche und moralische Rechtfertigung.
Kollege Lederer hat völlig recht, dass er diese Zahlungen als schamlos bezeichnet hat. Ich kann das nur verbinden mit der Hoffnung, dass das nicht stilbildend wird für diesen neuen Senat und nicht Schule macht bei dem neuen Senat.
Gucken wir uns einmal an, was die vergleichbare Parallele im Arbeitsleben wäre. Ein Arbeitnehmer möchte seine Arbeitsstelle verlassen und weiß, wenn er von sich aus kündigt, dann wird er gesperrt, kriegt er drei Monate kein Arbeitslosengeld I, sondern geht hin zum Arbeitgeber und sagt: Komm lass uns hier einmal eine schöne Geschichte machen. Wir wollen mal eine Verabredung treffen. Ich verzichte auf meine Kündigung, du entlässt mich, dann werde ich nicht gesperrt. Und dann ist der Arbeitgeber in diesem Fall auch noch Sanktionen von der Behörde ausgesetzt. Wenn man das hier vergleicht, dann kann man nur sagen: Das reale Leben ist sehr anders als das politische Geschäft. Wenn man sich diese Parallele anguckt, dann kann man nur sagen: Es ist völlig berechtigt auf Kritik gestoßen, dass hier in dieser Art und Weise vorgegangen wurde, dass diese formal angeblich bestehende Rechtsposition ausgenutzt wurde, um sich dieses Übergangsgeld zu verdienen.
Ich habe vorhin bereits in der Fragestunde den Senator Henkel gefragt, ob er sich einmal die Rechtsgeschichte angeguckt hat, wie diese Vorschriften entstanden sind. Herr Henkel hat ja vorhin gesagt, der Anspruch folge aus der Verfassung. Dem ist natürlich nicht so. Der Anspruch folgt aus dem Senatorengesetz. Und da wird es interessant, wenn man hineinschaut. Der Anspruch in dieser Form, wie er jetzt im Senatorengesetz steht, § 16, ist im Jahr 2000 so ins Gesetz gekommen. Und die Möglichkeit für den Regierenden Bürgermeister, einen Senator zu entlassen – auch das muss man Ihnen entgegenhalten, Herr Kleineidam, Sie sagen, man müsste da die Möglichkeit der Entlassung schaffen, wenn jemand krank ist –, ist überhaupt im Land Berlin erst im Jahr 2006 geschaffen worden, erst seitdem ernennt der Regierende Bürgermeister die Senatoren und kann sie auch entlassen. Vorher gab es überhaupt keine Möglichkeit der Entlassung. Die äl
teren Kollegen werden sich daran erinnern. Man konnte nur aus dem Amt scheiden durch Rücktritt – das haben die Kollegen Strieder und andere gemacht – oder aber als Ergebnis eines konstruktiven Misstrauensvotums sein Amt verlieren. Aber es gab überhaupt keine Möglichkeit der Entlassung aus dem Amt bis zum Jahr 2006. Seitdem besteht diese Möglichkeit überhaupt, dass der Regierende Bürgermeister entlässt.
Und dann müssen wir uns noch fragen: Kann der Gesetzgeber, also wir oder unsere Vorvorgänger im Jahr 2000, diese Möglichkeit mit dem Senatorengesetz geschaffen haben wollen, wenn es dort die Entlassung durch den Regierenden Bürgermeister überhaupt noch nicht gegeben hat? Und da wird man sagen, wenn man sich die Rechtsgeschichte anschaut: Das kann er nicht gewollt haben, das kann er nicht vor Augen gehabt haben, diese Möglichkeit. Deswegen kann das in diesem Fall nicht so funktionieren, dass man sich ein Übergangsgeld erarbeitet. Neben der Wortlautauslegung, die der Kollege Lederer schon deutlich in den Vordergrund gestellt hat, ist diese Bitte als Rücktritt aufzufassen, und es kann nicht sein, dass das Senatorengesetz aus 2000 für einen Vorgang gilt, der überhaupt erst seit 2006 besteht, ohne dass das Senatorengesetz damals an dieser Stelle geändert oder angepasst worden wäre, dass man hier dieses Geld verdient.
Der Regierende Bürgermeister muss sich fragen lassen – ich weiß gar nicht, ob er noch irgendwo in den Reihen hier sitzt –, warum er bei diesem Deal – dort ist er nicht auf seinem Platz, sondern in der Staatssekretärsbank – eigentlich mitgemacht hat. Es wäre an Ihnen gewesen, die Bitte um Entlassung als Rücktritt aufzufassen. Sie hätten die Ausstellung der Entlassungsurkunde verweigern müssen, mit dem Grund Entlassung auf eigenen Wunsch. Sie hätten hineinschreiben müssen: Rücktritt. Dann wäre das hier nicht verdient worden. Und man muss sagen, das ist ein teurer Kotau, den Sie aus Koalitionsraison gemacht haben. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Besoldung und Versorgung von Senatoren, Staatssekretären und Abgeordneten kann man immer diskutieren und prüfen, ob geltende Regeln sachlich zu rechtfertigen oder besser zu überarbeiten sind. Die Union hat konkret zu der Frage von Übergangsgeldern bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert. Wahrscheinlich liegt es aber an der Schwierigkeit und auch Vielschichtigkeit der Materie,
dass die Linken heute nicht Änderungsvorstellungen für das Senatorengesetz präsentieren, ja sogar in ihrer Antragsbegründung schreiben, eine Änderung des Senatorengesetzes sei gar nicht nötig.
Stattdessen formulieren die Linken die Aufforderung, bestehendes Recht, das sie offenbar nicht für änderungswürdig erachten, einfach nicht anzuwenden. Herr Lederer bemüht hier in seinem Antrag eine Auslegung gegen den Wortlaut der Vorschrift, von der er weiß – da bin ich mir sicher –, dass dies grundsätzlich unzulässig ist.
Ein Rücktritt ist freiwillig. Bei einer Bitte auf Entlassung entscheidet der die Senatoren ernennende und mit Richtlinienkompetenz ausgestattete Regierende Bürgermeister über den Verbleib im Amt – er hätte hier auch anders entscheiden können –, während ein Rücktritt einseitig gestaltend durch den Erklärenden wirkt.
Sie schreiben in Ihrem Antrag von einem goldenen Handschlag in Höhe von ca. 50 000 Euro. Da ich bei Ihnen, Herr Kollege Lederer, keinen Zweifel habe, dass Sie geltendes Recht kennen, muss ich Ihnen vorwerfen, hier unsauber, ja sogar populistisch zu argumentieren. Zum einen ist Ihnen bekannt, dass sich die Abgeordnetenbezüge des Kollegen Braun durch die Gewährung des Übergangsgelds um 50 Prozent reduzieren. Sie haben ja dank des Wahlausgangs auch genug Betroffene in Ihren Reihen, die können Sie da informieren. Zum anderen ist Ihnen auch bekannt, dass weitere Einkünfte aus Berufstätigkeit voll angerechnet werden. Von daher wird Herr Braun im Saldo niemals einen Mittelzufluss in Höhe von 50 000 Euro erhalten. – Auch Sie, Herr Kollege Behrendt, wissen das. – Dieser Mittelzufluss wird deutlich geringer sein. Er kann auch gegen null gehen, das werden wir in einigen Monaten wissen können. Sie können dann auch eine Kleine Anfrage stellen, so wie Sie es in Bezug auf Herrn Gysi auch vorgeschlagen haben. Im Übrigen wünsche ich dem Kollegen Braun von Herzen, dass dieser Mittelzufluss deutlich geringer ist. Ich wünsche ihm, dass er gegen null geht, denn das würde dann belegen, dass auch eine fortgesetzte Rufmordkampagne eine bürgerliche Existenz nicht ganz vernichten kann.
Im Kern geht es hier um etwas anderes. Herr Lederer hat bereits im Rechtsausschuss sinngemäß gesagt – korrigieren Sie mich, wenn ich Sie falsch wiedergebe –, Sie können keine rechtlichen Verstöße im Amtshandeln des Notars Braun feststellen, aber nicht alles, was legal sei, sei auch legitim. – Diese Feststellung ist sicher richtig, aber sie ist eben auch gefährlich. Legalität orientiert sich an dem geschriebenen Recht und ist von daher nachprüfbar. Legitimität orientiert sich maßgeblich an Moralvorstellungen. Nun wird es hoffentlich so sein, dass Herrn Lederer und mich noch ein gewisser Grundkonsens verbindet. Sicher werden wir aber nicht bei allen moralischen Bewertungen einer Meinung sein. Sie wollen aber
entgegen dem Wortlaut einer Vorschrift allein auf der Grundlage von eigenen Moralvorstellungen richten. Dann darf ich Sie fragen: Halten Sie es für gerechtfertigt, für legitim, dass beispielsweise der Exsenator Wolf Übergangsgeld erhält, der zuvor als Aufsichtsratsvorsitzender der BSR den Vertrag für den Finanzvorstand verlängert hat, der unterdessen wegen Korruptionsverdacht unter Anklage steht?