Protocol of the Session on January 12, 2012

Wir wollen Berlin zu einer starken und menschlichen Metropole entwickeln. Die Richtlinien der Regierungspolitik setzen einen klaren Akzent – für eine starke Wirtschaft, für gute Arbeit und vor allen Dingen auch für den sozialen Zusammenhalt in Berlin. Für diesen Dreiklang steht der Senat. Das ist unsere Vision einer modernen Metropole im 21. Jahrhundert. Eine Metropole, die auf leistungsfähige und dynamische Unternehmen setzt. Eine Metropole, in der es fair und gerecht zugeht. Eine weltoffene Metropole, in der alle eine Chance haben – unabhängig von ihrer Herkunft, von ihrem Aussehen, ihrer Religion oder Lebensweise. Eine menschliche Metropole. Das ist das Berlin, für das sich dieser Senat einsetzt, mit großer Freude am Gestalten und mit aller Kraft. Wir werben dafür um Unterstützung bei Ihnen und bei der Bevölkerung.

Berlin ist eine der spannendsten Metropolen der Welt. Es lohnt sich, für diese Metropole zu arbeiten. Wir wollen uns anstrengen und uns dafür einsetzen, dass es noch besser wird. Die Richtlinien der Regierungspolitik haben wir Ihnen vorgelegt; sie bilden den Rahmen für diese Legislaturperiode. Es ist aber natürlich klar, dass sich im Laufe der Legislaturperiode neue Dinge ergeben werden. Am Anfang der Legislaturperiode bilden sie die Richtlinien der Regierungspolitik für die nächsten fünf Jahre.

Der Senat stellt ein großes Thema in den Mittelpunkt: weiteren wirtschaftlicher Aufschwung und damit mehr und bessere Arbeitsplätze für die Stadt. Das ist die zentrale Aufgabe, der wir uns stellen, und wir werden alles tun, um diese Aufgabe zu erfüllen.

Berlin hat in den letzen Jahren wirtschaftlich aufgeholt. Über 120 000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wurden geschaffen. Berlin ist in der Erfolgsspur. Die Ost-West-Spaltung ist weitestgehend überwunden. Darauf können die Menschen in dieser Stadt stolz sein, dass sie es innerhalb dieser – in historischen Dimensionen – kurzen Zeit geschafft haben, diese Stadt zu einer Stadt zu machen, zu einer Stadt für Menschen aus ehemals Ost und ehemals West. Heute sind die Unterschiede kaum noch zu spüren, und das ist eine Lebensleistung der Berlinerinnen und Berliner, auf die wir gemeinsam stolz sind.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

Trotz dieser – gerade in wirtschaftlicher Hinsicht – positiven Entwicklung, wissen wir, dass es Berlin im Vergleich zu anderen Metropolen immer noch schwerer hat und des noch einen Nachholbedarf gibt: Der Abstand ist aber kleiner geworden, und der Senat setzt alles daran, ihn weiter zu verringern. Unser Ziel ist, dass Berlin auch ökonomisch wieder ins vorderste Feld rückt.

Berlin ist eine attraktive Metropole für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt, aber auch für immer mehr Menschen, die aus allen Teilen der Welt zu uns nach Berlin kommen. Die Millionen von Touristen, die die Stadt für eine bestimmte Zeit entdecken, die Menschen, die für Jahre oder auch dauerhaft nach Berlin kommen und diese Stadt zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht haben. Diese gewachsene Attraktivität ist auch ein Ergebnis der Politik des vergangenen Jahrzehnts. Diese Stärken weiter stärken, Wachstum und Wohlstand sichern, Berlins Erfolgsweg fortsetzen – auch in unsicheren Zeiten –, das ist unsere Verpflichtung.

Aber: Der Wandel einer Metropole bedeutet immer auch neue, schwierige Herausforderungen. Diese Herausforderungen kann man nicht leugnen, die sollte man auch nicht ignorieren, man muss sich ihnen stellen. Es kann nicht die Alternative sein, dass aus Angst vor Herausforderungen kein Wandel stattfindet, dass wir alles konservieren, was bislang der Fall ist. Dies wird keine zukunftsfähige Antwort für die Entwicklung Berlins sein können. Man sieht dies auch an anderen Metropolen in der ganzen Welt.

Dieser Senat wird sich den Herausforderungen stellen. Natürlich gibt es Verwerfungen in bestimmten Bereichen. Auch in Berlin gibt es zunehmend Unterschiede in der Lebensrealität der Menschen, in der Einkommenssituation der Menschen. Es gibt sehr viele, denen es sehr viel besser als in den vergangenen Jahren geht. Wir müssen aber auch konstatieren, dass es Menschen gibt, die in ihrer Einkommensentwicklung abgekoppelt sind, denen es real schlechter geht. Es gibt steigende Mieten, das ist ein Ergebnis auch von – –

[Oh! von den GRÜNEN – Was? von Uwe Doering (LINKE)]

Ja, stellen Sie sich das mal vor! Im Vergleich zu den Grünen sagen wir ganz deutlich: Man kann nicht für Wohlstand, für eine Entwicklung der Stadt plädieren, und sich anschließend wunderen, dass eine ökonomische Stärke dieser Stadt auch Folgerungen hat, die man sich nicht immer aussuchen kann. Man muss sie zur Kenntnis nehmen, wir können sie nicht einfach ignorieren. Ja, es gibt steigende Mieten, das ist aber auch ein Ergebnis der Prosperität dieser Stadt, und wir werden weiter an einer steigenden Prosperität arbeiten!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von den GRÜNEN]

Es gibt diese zwei Seiten der Entwicklung: die Vorteile, aber es gibt eben auch Nachteile. Wer immer nur sagt: Wir müssen daran arbeiten, dass es keine Nachteile gibt – ja, das ist die Aufgabe, die wir haben,

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

aber – wie gesagt – Voraussetzung ist wirtschaftliche Entwicklung, und dies bedeutet, dass wir alles dafür tun werden, dass Menschen, die bislang keinen Arbeitsplatz

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

gefunden haben, an dieser wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben können, dass sie Chancen haben, einen neuen Arbeitsplatz zu bekommen, dass wir mehr Arbeitsplätze schaffen.

[Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN): Qualität!]

Deshalb liegt der absolute Schwerpunkt dieser Regierung auf der Förderung der Wirtschaft und der sozialen Gerechtigkeit, was zusammengehört.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Es gibt natürlich politische Programme oder Parteien, die sagen: Das muss man alles dem freien Spiel der Märkte und der Kräfte überlassen. – Das sagt diese Regierung nicht, im Gegenteil. Wir werden intervenieren, wo es Verwerfungen gibt.

[Zurufe von Wolfgang Brauer (LINKE) und Evrim Sommer (LINKE)]

Wir werden intervenieren, wo es Schwierigkeiten gibt, und deshalb ist der Berliner Weg ein anderer. Dieser Senat stellt sich seiner sozialen Verantwortung für alle Menschen.

[Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Berlin will eine Stadt sein, nicht nur die Summe seiner Teile oder Schichten. An diesem Berlin des sozialen Zusammenhalts werden wir arbeiten.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Berlin ist Heimat für mittlerweile über 3,45 Millionen Menschen, und dieser Senat wird alles tun, damit es eine lebenswerte Metropole bleibt, die Spaltung nicht hinnimmt, sondern den Zusammenhalt sucht zwischen alten und neuen Berlinern, zwischen Jung und Alt, zwischen Erfolgreichen und denen, die vielleicht eine zweite, ja manchmal sogar eine dritte Chance brauchen. Es geht um eine neue Qualität des sozialen Zusammenhalts, und den braucht eine erfolgreiche Wirtschaft.

Wir wollen eine Stadt sein, in der die Menschen zusammenhalten, wo die Bürgerinnen und Bürger sicher leben können, und wo die soziale Mischung auch im Innenstadtbereich erhalten bleibt. Nur so wird Berlin langfristig lebenswert und wirtschaftlich erfolgreich sein.

Wir alle wissen: Die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in Europa ist unsicher und schwer kalkulierbar. Wir erleben eine Krise, in der hemmungslose Finanzaktionen und Profitgier ganze Staaten in den Bankrott zu treiben drohen, und allmählich trüben sich die wirtschaftlichen Erwartungen ein, in Deutschland, aber auch in Berlin. So erwartet die Investitionsbank Berlin für das Jahr 2012 nur noch ein Wachstum von 1,5 Prozent für Berlin, und wir können zufrieden sein, wenn am Ende des Jahres dieses Wachstum tatsächlich erreicht werden konnte. Natürlich macht uns das Sorge, aber es zeigt auch: Nur mit harter Arbeit und einem klaren Kurs können wir Stabilität und Wohlstand sichern. Die europäischen Staaten sollten aber

auch alles tun, um den Finanzspekulanten das Handwerk zu legen, auch wenn es nicht die direkte Kompetenz des Landes Berlin ist. Instrumente wie die Finanztransaktionssteuer sind längst überfällig und sollten auch von deutscher Seite nicht länger boykottiert werden. Wir müssen gemeinsam etwas aktiv tun. Wir dürfen uns nicht einfach den finanzpolitischen Spekulationen hingeben und so tun, als ob wir nichts machen können.

[Zuruf von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Deutschland ist aufgefordert, einen aktiven Beitrag zu leisten, und Berlin wird die Bundesregierung und den Bundestag dabei unterstützen.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Beifall von Martina Michels (LINKE)]

Berlin hat die letzte Krise, die von 2008 und 2009, vergleichsweise gut überstanden. Wir haben weiter aufgeholt und den Abstand zum Rest der Republik verkleinert. Das sind die Botschaften, die wir bei allen Schwierigkeiten ausgesandt haben. Wir sind nicht mehr abgekoppelt von Erfolgen der gesamten Republik, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Deshalb bin ich sicher: Auch die sich anbahnende Abkühlung der Konjunktur im Jahr 2012 werden wir gut überstehen, denn Berlin hat die Kraft, den Aufholprozess weiter fortzusetzen und neue Wirtschaftskraft zu entfalten.

Dabei dürfen wir uns nicht in kleinmütigen Debatten verzetteln. Vor zehn, fünfzehn Jahren haben wir uns nach wirtschaftlichem Fortschritt gesehnt, und wir wollten dieses Wachstum haben. Jetzt haben wir ihn Gott sei Dank, und jetzt sind wir nicht mehr von den anderen abgekoppelt. Darüber sollten wir uns freuen und beherzt die Probleme angehen, die ein solcher Aufschwung mit sich bringt, zum Beispiel neuen Bedarf an Verkehrsinfrastruktur oder das Ansteigen von Mieten, und die entsprechenden Antworten dafür finden. Das sind Probleme, die mit dem Erfolg kommen. Die kann man sich nicht aussuchen, sondern die müssen aktiv behandelt werden. Wir stellen uns diesen Herausforderungen mit wirtschaftlicher Vernunft und sozialem Augenmaß.

Nicht verzetteln heißt: Wir setzen klare Schwerpunkte, um Berlin zur zukunftsfähigen Metropole in der Mitte Europas zu machen, die Metropole, die modellhaft wirtschaftliche Leistungskraft, sozialen Zusammenhalt und ökologische Nachhaltigkeit miteinander verbindet.

Millionen Besucherinnen und Besucher lieben das internationale Flair Berlins, die Weltoffenheit der Stadt, die Kreativität, die Schönheit und auch Wildheit, die wir in dieser Kombination nicht noch einmal auf dieser Welt finden.

[Zuruf von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

In den kommenden fünf Jahren müssen wir alles daransetzen, aus dieser Anziehungskraft Kapital zu erzielen. Wir wollen Fachkräfte nach Berlin holen, wir wollen gut

(Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit)

qualifizierten und kreativen Nachwuchs für innovative Technologieunternehmen gewinnen, um mehr Wertschöpfung zu generieren. Daran werden wir gemessen werden, und daran lassen wir uns auch messen.

Dieser Senat nimmt sich zur Aufgabe, soziale Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, durch gute Bildung, die eine Chance für jedes Kind dieser Stadt bereithält, und auch die zweite oder dritte Chance. Bildung sichert soziale Integration und dies gilt für alle Kinder, egal, ob nichtdeutscher oder deutscher Herkunft. Wir müssen allen ein Angebot machen, und es ist oft eine soziale Frage, die die Menschen von Teilhabe trennt, und nicht ihre Herkunft.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Beifall von Wolfram Prieß (PIRATEN)]

Wir schaffen soziale Sicherheit, indem wir dämpfend auf die Mietentwicklung Einfluss nehmen, auch in der Innenstadt. Die steigenden Mieten machen den Berlinerinnen und Berlinern große Sorgen.

[Uwe Doering (LINKE): Ach!]

Der Senat steht daher für eine solidarische Wohnungs- und Liegenschaftspolitik. Wir werden dem mit konkreten Maßnahmen im Rahmen der Möglichkeiten und gesetzlichen Voraussetzungen entgegenwirken, die in einem im Prinzip marktwirtschaftlich orientierten Mietsituationsbereich für eine Stadt ergeben. Wir werden durch den Neubau von 30 000 Wohnungen mehr Wohnraum zur Entspannung des Wohnungsmarktes schaffen. Es werden nicht nur soziale Mieten sein, die dort erzielt werden, aber sie werden insgesamt den Wohnungsmarkt entlasten.

[Heiko Thomas (GRÜNE): Was denn nun?]

Darüber hinaus werden wir den Anteil der Wohnungen der öffentlichen Wohnungsunternehmen um 30 000 auf 300 000 erhöhen und damit im Zusammenhang mit den Genossenschaftswohnungen über ein Viertel des Wohnungsbestandes, der nicht gewinnorientiert ist, zur Verfügung haben. Dieses Instrument muss genutzt werden. Wir werden uns besonders um die Bezahlbarkeit von kleinen Wohnungen kümmern, gerade für Geringverdiener, für Rentnerinnen und Rentner oder für Studentinnen und Studenten, für Menschen, die wenig Einkommen haben, denn sie werden als Erste von Mietsteigerungen betroffen, und sie haben teilweise 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete zu zahlen. Dies ist für die Menschen nicht hinnehmbar und von ihnen nicht verkraftbar.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir haben bereits Gesetzesinitiativen ergriffen, um Umlagefähigkeiten bei der Modernisierung zu verringern. Wir haben eigene Maßnahmen getroffen, um beispielsweise die Kündigungsmöglichkeiten bei Eigenbedarf hinauszuschieben. All das sind Dinge, die das Land Berlin machen kann. Andere sind in der Bundesratsinitiative. Da werden wir auch weitermachen.

Wir werden vor allen Dingen das Instrument – deshalb bekennen wir uns zum öffentlichen Eigentum an Wohnungsbaugesellschaften – der eigenen Wohnung verstärkt einsetzen, um bei der Gestaltung des gesamten Mietspiegels dämpfend zu wirken. Deshalb ist es richtig, dass der Senat den eigenen Wohnungsbaugesellschaften gerade jüngst gesagt hat: Nein, ihr könnt nicht mehr so wie bislang weiterverfahren, eure Miete im Rahmen der zulässigen Mieterhöhung zu erhöhen, sondern wir erwarten von euch ein Konzept – und der Senat wird das selbst mit den Wohnungsbaugesellschaften erarbeiten –, wo differenziert vorgegangen wird. Einige werden Mieterhöhungen verkraften können, und sie werden auch Mieterhöhungen hinnehmen müssen, aber nicht alle, und diese Differenziertheit wird der Senat sicherstellen.