Protocol of the Session on January 29, 2015

Aber, und das ist ein weiterer Punkt, der darin enthalten ist: Sie wollen eine Evaluierung der Auswirkungen des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes hinsichtlich der Zielerreichung und der Handhabung im Baubereich. Genau das ist Inhalt des Berichtes, den wir von Ihnen fordern. Den fordern wir schon seit einem halben Jahr, solange ist dieser Bericht überfällig. Legen Sie ihn endlich vor!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Um noch mal den Ring zum Beginn des heutigen Tages zu schließen und die Verbindung zu unserer heutigen Priorität aufzunehmen: Das Hindernis für das Berliner Handwerk ist das Handeln bzw. das Nichthandeln dieses Senats – zum Beispiel bei der VLB. Das Ziel, die Berliner Wirtschaft zu stärken, ist für uns alle ein wichtiges Thema. Wir unterstützen Sie dabei auch gerne. Hier ist aber festgelegt, dass Sie einen Bericht schreiben müssen. Tun Sie das endlich! Auf Grundlage dessen können wir dann im Parlament diskutieren.

Bislang wissen wir noch zu wenig. Leider scheint es so, als wüssten auch Sie nicht, wie viele Vergabestellen es in diesem Land gibt, wie die Vergabe bei all diesen Stellen eigentlich läuft und wie das Gesetz umgesetzt wird. Gibt es da Defizite? Ist es überreguliert? Wer profitiert von der Vergabe? Sind es die Berliner Unternehmen – was allseits unser Interesse in diesem Hause ist –, oder geht alles jenseits der Landesgrenzen? – Das alles könnten wir dem Vergabebericht entnehmen.

Ich fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nehmen wir uns ernst! Wir können dieses Gesetz nicht anfassen, bevor ein Bericht vorgelegt worden ist. Deshalb sollte das Parlament beschließen, dass der Vergabebericht endlich vorgelegt werden muss. Das sollten wir nicht in den Ausschuss verschieben. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion folgt der Kollege Jahnke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die öffentliche Auftragsvergabe ist ein vielschichtiges Thema mit zum Teil durchaus gegensätzlichen Zielstellungen und Zielkonflikten – ein bisschen klang das in der Rede des Kollegen auch an.

In erster Linie geht es natürlich um die Beschaffung, darum, dass die öffentlichen Bedarfsträger die Güter und die Dienstleistungen, die sie brauchen, im Rahmen der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln günstig beschaffen. Hierfür ist eine möglichst weite Ausschreibung gut, ist es gut, einen großen Markt von Anbietern zu nutzen, um zu einem günstigen Preis zu kommen. Doch ist das günstigste Angebot auch das wirtschaftlichste, wie es ja im Gesetz gefordert wird? – Oft genug nicht. Aspekte wie Haltbarkeit der Produkte, der Service – all das spielt eine Rolle. Auch ethische Kriterien wie ILOKernarbeitsnormen, die ökologische Beschaffung sind für einen öffentlichen Auftraggeber von besonderer Bedeutung.

Wirtschaftspolitisch, da haben Sie, Herr Olalowo, sicherlich auch recht, spielt der Effekt der öffentlichen Beschaffung für die Unternehmen der Region eine wichtige Rolle, das ist nicht zu bestreiten. Hierfür wäre wiederum eine freihändige Vergabe oder beschränkte Ausschreibung zielführender. Andererseits darf es nicht zu einem Hoflieferantentum kommen, bei dem die immer gleichen Anbieter beauftragt werden, die die Preise diktieren und bei dem neue, innovative Unternehmen auf der Strecke bleiben.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Hä?]

In diesem Spannungsfeld versucht das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz gewiss manchmal die Quadratur des Kreises. Ich höre vonseiten der mittelständischen Wirtschaft, aber auch seitens der öffentlichen Auftraggeber gelegentlich Forderungen nach einer Überarbeitung des Gesetzes, um die Auftragsvergabe unbürokratischer und einfacher zu gestalten. Doch ich sage immer wieder: Hierzu muss man nicht zwangsläufig an das Gesetz heran. Ein Großteil der Verbesserungen lässt sich bereits in der Verwaltungspraxis erreichen.

Wenn eine Koalition die vertrauensvolle Zusammenarbeit auf verlässlicher Grundlage hervorheben möchte, zitiert sie häufig den gemeinsamen Koalitionsvertrag. Herr Melzer tut dies beispielsweise gerne in Bezug auf Stadtwerkspläne. Und ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir zur öffentlichen Auftragsvergabe vernünftige Dinge vereinbart haben. Die Erstellung eines Vergabeberichts gehört dazu. Auf dessen Grundlage wird man auch

(Ajibola Olalowo)

Schlussfolgerungen zu möglicherweise sinnvollen Änderungen in der Vergabepraxis kommen, ohne das Gesetz ändern zu müssen. Der Senat – insbesondere die Wirtschaftssenatorin – ist gerade dabei, hierzu Vorschläge zu erarbeiten. Wir werden hoffentlich eine Kontrollgruppe in der Realität haben, nicht nur als Forderung des Gesetzes. Und darauf werden wir dringen, dass sie auch funktioniert, dass auch diese Gruppe effektiv arbeiten kann und vernünftig angesiedelt und ausgestattet ist. Einen GrünenAntrag in der Form, wie Sie ihn gerade gestellt haben, brauchen wir hierzu nicht, sondern, wie gesagt, dieser Bericht ist in der Erarbeitung.

[Ajibola Olalowo (GRÜNE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage. – Dieser Bericht ist in der Erarbeitung,

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Ist ein halbes Jahr überfällig!]

wir werden aber gerne Ihren Antrag im Ausschuss diskutieren. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Für Die Linke jetzt Herr Kollege Zillich!

Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat: Wir haben ein gutes Vergabegesetz, und ein ernsthafter Umgang damit wäre angezeigt. Dem Antrag kann man nur zustimmen. Der Vergabebericht, den dieses Vergabegesetz vorsieht, ist seit dem Sommer letzten Jahres fällig. Ich tue mich, ehrlich gesagt, ein bisschen schwer, hier eine inhaltliche Debatte zu führen, für die dieser Vergabebericht, der aussteht, die Grundlage bilden soll.

[Beifall von Ajibola Olalowo (GRÜNE)]

Da reicht es mir auch nicht, wenn Sie sagen, Sie diskutieren in der Koalition – offensichtlich über einen Bericht, der Ihnen vorliegt oder Ihnen auch nicht vorliegt. Nein, er muss diesem Parlament vorgelegt werden, dann kann man darüber eine öffentliche Debatte führen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Es ist im September von den Grünen schon einmal gefragt worden, wie es denn so sei mit dem Vergabebericht

und wo er denn bleibe. Damals, im September letzten Jahres, hatte die Wirtschaftssenatorin hier geantwortet,

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Ich weiß auch nicht!]

ich zitiere:

Wie Sie selbst dargelegt haben, ist der Vergabebericht innerhalb von zwei Jahren vorzulegen. Insofern sind wir noch voll im Plan, zumal dieser Bericht gerade auf dem Wege der Ressortabstimmung ist.

Im September letzten Jahres war er gerade auf dem Wege der Ressortabstimmung. Insofern sind die im Antrag der Grünen angemahnten Berichtsinhalte ein bisschen hinter den Zug geworfen, sollte die Aussage der Wirtschaftssenatorin – und davon gehe ich selbstverständlich aus – stimmen. Aber sei es drum! Aber ich halte einmal fest: Nach Aussage der Senatorin Yzer ist der Vergabebericht seit fünf Monaten in der Mitzeichnung.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Das kennen wir! – Ajibola Olalowo (GRÜNE): Mit Mehltau überzogen!]

Das nenne ich wahrhaft olympisches Tempo.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Anja Kofbinger (GRÜNE): Wird wohl mit der Hand geschrieben!]

Wenn es so viel Weile hat, dann muss wirklich ein „dolles Ding“ draus werden, aber daran sind Zweifel durchaus angebracht, denn erstens hat der Bericht einen Geburtsfehler, der darin liegt: Er kommt vom Senat selbst. Wir hatten seinerzeit gefordert, dass ein unabhängiger Bericht erstellt wird. Hier evaluiert der Senat sich selbst.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Denn dieser Bericht soll zur Evaluation dienen, wie Sie selbst immer wieder betonen.

Zum Zweiten ist es so, dass wir wissen, dass dieses Thema in der Koalition politisch hochumstritten ist. Insofern ist der Bericht der Lackmustest dafür, wie die Koalition und wie der Senat mit diesem Vergabegesetz umgehen. Das Interesse der CDU hat der Kollege Melzer seinerzeit schon bei der Debatte über die Gesetzesnovelle beschrieben, als er in Bezug auf einen künftigen Bericht meinte, ich zitiere:

Die Frage muss erlaubt sein: Wirken die Regelungen beispielsweise zur ökologischen Beschaffung und zu den ILO-Kernarbeitsnormen tatsächlich, oder schaffen sie nur als Placebo zusätzlichen Verwaltungs- und administrativen Aufwand?

Also Prüfungsziel oder Prüfungsinteresse ist hier, die Berechtigung des Vergabegesetzes insgesamt infrage zu stellen. Sollte es also bei der Verzögerung darum gehen, dass eine solche Intention nicht allzu schnell durchgeht, dann könnte das eine gute Nachricht sein, aber Blockade ist nun keine Lösung.

(Frank Jahnke)

In der Tat: Wir wollen tatsächlich wissen, wie das Vergabegesetz wirkt. Wir wollen wissen, wie die Vergabestellen mit den Vorgaben des Gesetzes umgehen. Wir wollen wissen, wie die Kriterien im Vergabegesetz in der Praxis der Wirtschaft wirken. Und wir wollen vor allen Dingen wissen, wie die Kontrollgruppe mit ihren drei Stellen in der Lage ist, die Umsetzung dieses Gesetzes zu kontrollieren. Deshalb muss der Bericht endlich vorgelegt werden. Das muss auch nicht erst breit im Ausschuss abgewogen werden. Was soll denn dabei herauskommen? Dass der Bericht nicht vorgelegt werden soll oder was? – Nein, das kann man sofort abstimmen. Wir können sofort hier sagen: Der Vergabebericht muss endlich vorgelegt werden. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion jetzt Herr Schultze-Berndt. – Herr Kollege, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zillich! Sie haben den gleichen Fehler gemacht wie ich. Sie haben gedacht, in dem Antrag geht es darum, dass der Vergabebericht vorgelegt werden soll, der seit Juli letzten Jahres in der Mitzeichnung zwischen den Senatsverwaltungen ist.

[Steffen Zillich (LINKE): Er liegt jedenfalls nicht vor!]

Ich habe es schlauer gemacht, ich habe den Antrag nämlich gelesen, da es im Antrag gar nicht mehr um das geht, was in der Überschrift steht. Es geht gar nicht mehr darum, dass der Bericht vorgelegt werden soll, sondern darum, dass eben mal 23 zusätzliche Kriterien definiert werden sollen, die in den Bericht mit aufzunehmen sind,

[Christopher Lauer (PIRATEN): Aha!]

eben mal, während der Bericht in der redaktionellen Feinabstimmung ist, sollen 23 zusätzliche Kriterien aufgelegt werden. Das ist ganz durchsichtiges Oppositionsgebaren, jetzt neue Kriterien anzulegen, und wenn der Bericht veröffentlicht wird, zu sagen, ha, steht ja gar nicht drin, was wir gefordert haben.

[Joachim Esser (GRÜNE): Eben!]