Protocol of the Session on January 29, 2015

Haben Sie den Fehler bemerkt? – Die Rechtsprechung kann diesem Auftrag überhaupt nicht nachkommen, denn ein eiserner Grundsatz des Rechtswesens lautet: Nemo iudex sine actore – niemand ist Richter ohne Kläger. Kläger kann im Verwaltungsrecht nur sein, wer selbst in eigenen Rechten verletzt ist. Es gilt grundsätzlich das System des Individualrechtsschutzes. Dass Tieren im Verwaltungsrecht keine Klagebefugnisse zuteilwerden, brauche ich vermutlich nicht zu erwähnen. Sie nehmen an der Rechtsordnung nur als Objekt teil. Es gibt also keinen Kläger, folglich keine Rechtsprechung, folglich auch keine Umsetzung dieses Verfassungsauftrags.

Eine Klagebefugnis für Vereine, die damit gegen Tierschutzverstöße vorgehen können, um diesen Fehler im System unseres Staates zu heilen, gibt es landesrechtlich bereits in Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. In Berlin wurde eine Regelung auf Landesebene bisher abgelehnt, und zwar im Jahr 2006, im Jahr 2009 und auch im Jahr 2013.

[Philipp Magalski (PIRATEN): Unter fadenscheinigen Gründen!]

An die letzte Debatte dazu erinnere ich mich ja noch sehr lebhaft. Die Koalition wies dabei vor allem darauf hin, dass eine bundesrechtliche Regelung sinnvoller sei als 16 verschiedene in den Bundesländern. Der Kollege Kohlmeier erläuterte, dass verschiedene Fraktionen im Bundestag, namentlich die SPD, die Grünen und die Linksfraktion, ein Verbandsklagerecht im Tierschutz befürworten würden.

[Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Und mit einer anderen Bundesregierung werde dieses auch schon kommen. Jetzt haben wir eine andere Bundesregierung, an der die SPD sogar beteiligt ist, und können trotzdem keine Verbesserung erwarten, nicht vom Bundestag und auch nicht von der Bundesregierung. Der Bundesrat hingegen könnte einen solchen Gesetzentwurf durchaus beschließen. Dort hat Rot-Rot-Grün nämlich momentan die Mehrheit.

Und sie haben auch rechtssystematisch recht, schließlich ist das Verbandsklagerecht für Naturschutzverbände auch seit 2002 im Bundesnaturschutzgesetz verbindlich geregelt, nachdem es zuvor Gegenstand der Landesgesetzgebungen war. 2006 kam das Umweltrechtsbehelfsgesetz

hinzu, das die Klagegegenstände auf Industrieanlagen und Infrastrukturprojekte ausgedehnt hat. Dieses Gesetz wurde unter der großen Koalition im Bund beschlossen, nicht unter der aktuellen, sondern unter der davor, und hat, liebe CDU, Sie sind da manchmal ein bisschen ängstlich, nicht dazu geführt, dass neue Industrieanlagen oder Verkehrsprojekte völlig unmöglich wurden. Es hat nur zu einem angemesseneren Interessenausgleich geführt.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Auch die Verbandsklagebefugnis bei Verstößen gegen das Behindertengleichstellungsgesetz oder den lauteren Wettbewerb sind bundesrechtlich geregelt. Wir sind uns also hier einig. Wir wollen das Verbandsklagerecht auf Bundesebene, und mit diesem Antrag geben wir Ihnen die Chance, das zu beschließen.

Inhaltlich bleibe ich bei meinen Ausführungen vom vorletzten Jahr. Momentan gibt es ein deutliches Rechtsungleichgewicht. Gegen einschränkende Verwaltungsakte können die Tierausnutzer klagen. Wenn aber das einschlägige Tierschutzrecht nicht ausreichend gewürdigt wird, gibt es ohne Verbandsklagerecht keinen aussichtsreichen Rechtsweg.

Nehmen Sie an, Sie seien Amtstierärztin. Durch den permanenten Sparzwang arbeiten Sie weit hinter Ihrer Kapazitätsgrenze. Und nun wissen Sie bei jedem Antrag genau, dass eine Ablehnung zu einer Klage führen kann und sehr wahrscheinlich wird, also mehr Arbeit bedeutet, eine Genehmigung aber keine Folgen haben kann. Neuerdings erschießen Landwirtinnen Amtsveterinärinnen gerne mal, wenn sie mit einer Beschlagnahmeverfügung nicht einverstanden sind, mit der Schrotflinte. Hätten Sie den Eindruck, vor dem Hintergrund Ihrer Expertise und Gesetzeskenntnis, in dieser Situation sinnvolle Entscheidungen treffen zu können? Glauben Sie, dass Sie in dieser Situation Ihrer Aufgabe, den Tierschutz gegenüber Tierhalterinnen und Tierhaltern durchsetzen, nachkommen können? Darüber können Sie ein bisschen nachdenken, bis der Antrag im Ausschuss aufgerufen wird.

Ich freue mich wieder einmal auf die konstruktive Diskussion. Immerhin teilt ein Großteil dieses Hauses das Ziel, das Verbandsklagerecht endlich zu ermöglichen. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Kohlmeier das Wort.

[Daniel Buchholz (SPD): Herr Kohlmeier heißt jetzt Buchholz!]

(Simon Kowalewski)

Hier steht das. – Herr Kollege Buchholz! Sehen Sie es mir nach. Dann Herr Buchholz, aber er kann das auch. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Ich habe auch schon mit Herrn Kohlmeier darüber gesprochen. Keine Angst, es gibt da keine Differenz, was die Inhalte angeht.

Herr Kowalewski! Ihr Antrag, grundsätzlich, dass es auf der Bundesebene ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände geben soll, ist richtig. Wir unterstützen das, und wir haben das in mehreren Besprechungen auch schon in den letzten Jahren, ich will fast sagen – Sie haben es aufgeführt – Jahrzehnten, im Parlament immer wieder angesprochen, auch schon bevor die Piratenpartei hier im Abgeordnetenhaus saß.

Es ist vernünftig, dass Tiere, die natürlicherweise nicht selbst klagen können, vertreten werden sollen. Wir haben das an vielen Punkten in Berlin abgewogen. Es wäre sinnvoll, das mit einem Landesgesetz zu regeln oder zumindest als Verbandsklagerecht zu regeln oder es auf Bundesebene zu tun. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass Berlin seit vielen Jahren mit der Tierschutzkommission, die wir haben, mit anerkannten Tierethikern, die dort extra, und zwar anders als in anderen Bundesländern, vertreten sind, überhaupt mit der ganzen Aufteilung, die wir dort haben in der Tierversuchskommission, vorbildlich für andere Bundesländer sind. Ich bitte das immer zu berücksichtigen, wenn es heißt: Warum macht Berlin hier keine Sonderregelung wie andere Bundesländer? – Wir haben einen guten Grund, warum wir das tun.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zillich?

Bitte schön!

Meine Frage ist, wie Sie es bewerten, dass der Senat – Herr Heilmann kommt gerade – bis eben sozusagen bei dieser wichtigen Debatte überhaupt nicht vertreten war.

[Bürgermeister Frank Henkel: Ich bin hier!]

Der Innensenator war die ganze Zeit anwesend. Herr Heilmann war im Raum und hat sich gerade hingesetzt. Herr Zillich! Ich glaube, da könnten Sie mal ein bisschen

großzügiger sein, wenn die Senatoren da sind und alle, die dazu gehören.

[Beifall bei der CDU]

Dann kann man sagen: Jawohl, das ist gut so.

[Zuruf von Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Herr Gelbhaar! Sie können Herrn Henkel so leicht übersehen? Das ist eine neue Meldung, dass man Herrn Henkel so leicht übersehen kann. Aber wir lernen nicht aus.

Zurück zu den Inhalten: Wir haben die Tierversuchskommission in Berlin, die vorbildlich arbeitet und besetzt ist, und wir haben ein gutes Instrumentarium als Land Berlin. Ich möchte auf eines hinweisen: Wenn ich mir den gemeinsamen Antrag der drei Oppositionsfraktionen zur Vereinbarung des Verbandsklagerechts für anerkannte Tierschutzverbände auf Bundesebene als Vorschlag für den Bundesrat anschaue, dann bin ich ein bisschen irritiert. – Herr Kollege Gelbhaar! Sie plauschen gerade in die andere Richtung. Ich wollte Sie kurz ansprechen. – Ich habe mir Herrn Kohlmeier darüber gesprochen. In anderen Ausschüssen, wenn wir Anträge für Bundesratsinitiativen bringen, haben Sie sich beschwert, dass die zu detailliert seien, dass es gar nicht gut sei, wenn man Bundesratsinitiativen macht.

[Ramona Pop (GRÜNE): Wir?]

Ja, fragen Sie mal nach. Herr Kollege Kohlmeier kann Ihnen das eins zu eins berichten.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Ich würde Herrn Kohlmeier nicht vertrauen!]

Herr Gelbhaar war es. Sie können ja mal fraktionsintern darüber sprechen, Herr Lux. Vielleicht gibt es dann mal Gesprächsbedarf. Also, da wurde kritisiert, dass die Vorschläge für Bundesratsinitiativen von uns, von der Koalition zu detailliert seien, weil sie damit weniger Chancen auf der Bundesebene hätten. Jetzt haben Sie aber hier bei dem Vorschlag extrem detailliert aufgeschrieben, was Sie sich wo und wie vorstellen. Das ist fast ein kleines Rechtsseminar, was Sie in diesen Antrag eingebaut haben. Ich glaube, darüber sollten wir noch einmal in den Fachausschüssen – in diesem Falle ist es ja nur einer –, im Rechtsausschuss reden, ob das so sinnvoll und notwendig ist. Grundsätzlich unterstützt die SPD-Fraktion dieses Anliegen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Hämmerling! – Bitte schön!

(Präsident Ralf Wieland)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Buchholz! Ihre Tierversuchskommission ist ein ganz zahnloser Tiger, weil diese Tierversuchskommission zwar verschiedene Tierversuche abgelehnt hat, aber dennoch alle genehmigt worden sind. Lesen Sie einfach einmal meine Kleinen Anfragen zu dem Thema.

[Heiko Herberg (PIRATEN): Gibt es nicht mehr!]

Außerdem, wie der Name Tierversuchskommission schon sagt, sind sie zuständig für Tierversuche, und es gibt andere Tierrechts- oder Tierschutzverletzungen, die nicht durch diese Kommission abgedeckt sind und für die man auch Regelungsbedarf hat.

Wir haben in der Vergangenheit drei Anträge für ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände in dieses Haus eingebracht. Sie haben abgelehnt. Heute versuchen wir es das vierte Mal als gemeinsamen Antrag der Opposition. Sie sagten es schon, Herr Kowalewski: Seit 13 Jahren steht der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz, und die Situation für Tiere hat sich überhaupt nicht verbessert – im Gegenteil. Ich will Ihnen ein Beispiel geben, warum wir ein solches Gesetz brauchen.

Sie alle kennen die Filme oder das Grauen von Bildern von Tieren in der Massentierhaltung. Ich weiß, die meisten Leute machen bei solchen Beiträgen einfach den Fernseher aus oder stellen um. Ich verstehe es auch, man kann solche Bilder von geschundenen Tieren, Bilder von Tieren, die noch leben, während sie aufgeschnitten und zersägt werden, einfach nicht ertragen. Wir sind aber Politiker und tragen dementsprechend die Verantwortung für diese Zustände, denn von alleine ändern die sich nicht. Wir tragen die Verantwortung für die Tierquälerei, und wenn wir die Bilder nicht ertragen wollen, dann müssen wir diese Zustände ändern, und dazu müssen wir die richtigen Gesetze machen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]

Wir können und wir müssen handeln.

Regelmäßig wird überall, aber vor allem in der industriellen Tierhaltung, auf Schlachthöfen gegen die ohnehin laxen Tierschutzgesetze verstoßen, und genauso regelmäßig versagt die Behördenaufsicht. Es gibt bis heute keine Möglichkeit, den Tierschutz einzuklagen. Tiere selbst sind nicht in der Lage dazu, und die Menschen haben nicht das Recht. Wir sagen, damit muss Schluss sein. Es ist allerhöchste Zeit für ein Verbandsklagerecht.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Herr Herrmann von der CDU! Sie haben unsere Initiative für ein Verbandsklagerecht seinerzeit mit der Begründung abgelehnt, dass Sie die Feststellungsklage für nicht ausreichend erachtet haben und weil Sie negative Auswirkungen für den Forschungsstandort Berlin befürchte

ten. Diese Sorge können wir Ihnen mit dem jetzigen Gesetzentwurf nehmen. Ein Bundesgesetz führt nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung, und unser Gesetzentwurf enthält auch mehr als die Feststellungsklage.

[Beifall von Philipp Magalski (PIRATEN)]