Noch in der Haushaltsberatung konnte man den Eindruck gewinnen, die Regierungskoalition habe den Verstand an der Garderobe des Abgeordnetenhauses abgegeben,
als sie sich zu der Behauptung verstieg, die Opposition betreibe eine verantwortungslose Haushaltspolitik, weil sie mehr investieren und dafür weniger tilgen wolle als der Senat.
[Steffen Zillich (LINKE): Aber hallo! – Torsten Schneider (SPD): Zumindest der erste Halbsatz stimmt!]
Schön, dass Sie das jetzt zumindest mehrheitlich anders sehen und unter – wie man mitbekommen hat – heftigen internen Kämpfen eine Kurskorrektur erreicht haben. Denn eigentlich sollte unter uns Finanzpolitikern, Herr Schneider, und auch unter Ökonomen unstrittig sein, dass Tilgung und Investitionen im Hinblick auf die Vermögenslage des Landes, also auf die Nettovermögensposition, gleichrangig sind.
Stattdessen wurde hier noch vor einem Jahr über diese Frage auch in der Öffentlichkeit so heftig gestritten, dass wir – ich verhehle das nicht – manches, was da von der Senatsseite kam, als unfair und ziemlich unerfreulich empfunden haben. Deswegen bin ich heute froh, dennoch sagen zu können:
Der ganze Ärger hat sich wieder einmal gelohnt. Es zeigt sich, dass man auch aus der Opposition heraus etwas erreichen kann, wenn man die politische Auseinandersetzung auch um Fragen der Grundrichtung von Politik nur hartnäckig und entschieden genug führt.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN) und von Pavel Mayer (PIRATEN)]
Das heißt jetzt aber nicht, dass alles Gold ist und wir hier den Himmel voller Geigen haben. Wir können und wollen bei diesem Sondervermögen nicht stehenbleiben, und auch dafür gibt es gute Gründe. Sie verweisen in Ihrem
Gesetz auf die Bedürfnisse einer wachsenden Stadt. Ich weiß nicht, wie ernst Sie diese lyrische Passage im Vollzug des Gesetzes tatsächlich nehmen wollen. Aber eines ist doch klar: Die 13 Milliarden Euro Sanierungsstau in unseren Schulen, Krankenhäusern, Universitäten, Verwaltungsgebäuden und Verkehrswegen
haben nichts mit dem Thema wachsende Stadt zu tun. Dieser Sanierungsstau muss in den kommenden Jahren abgebaut werden, unabhängig davon, ob jemand nach Berlin zieht oder nicht.
Wir haben also, Herr Nußbaum – weil Sie murmeln –, neben dem Bevölkerungswachstum auch noch eine zweite Herausforderung zu bewältigen, und die besteht darin, dass uns der scheidende Finanzsenator Nußbaum als einzig relevante Sparmaßnahme seiner Amtszeit einen abgesenkten Investitionsplafonds hinterlässt, obwohl der Verfall unserer Infrastruktur nicht erst seit heute das glatte Gegenteil erfordert. Wir Grüne wollen deswegen Ihre Kürzungen der Investitionen rückgängig machen und wieder 200 Millionen Euro zusätzlich im Haushalt veranschlagen, um diesen Sanierungsstau schrittweise abzubauen. Da können und wollen wir uns nicht auf den Restposten verbleibende Überschüsse verlassen.
Mittelfristig wollen wir sogar noch einen großen Schritt weitergehen, um das Landesvermögen wirksam zu erhalten und zu schützen. Was hindert uns eigentlich daran, dieses Vermögen wie in Bayern in einem Grundstockvermögen zusammenzufassen, das von der Verfassung geschützt und deswegen weder aktiv gemindert noch schleichend dahinschwinden kann? Dann wäre Schluss damit, Privatisierungserlöse wie in der Vergangenheit auf laufende Rechnung im Haushalt zu verbraten, und es wäre gesetzlich vorgeschrieben, Investitionen mindestens in Höhe der Abschreibungen zu tätigen.
Dazu werden wir Ihnen einen Vorschlag vorlegen und das Gespräch suchen. Abschließend: Wir werden in der Beratung im Ausschuss sicherlich die eine oder andere technische Frage – das Gesetz ist doch mit heißer Nadel gestrickt – klären müssen. Ich sehe aber noch einen wichtigen Punkt und kündige Ihnen an: Sie möchten dieses Sondervermögen in seinen Ausgaben haushaltsfern, außerhalb des Budgetrechts abwickeln.
So steht es in dem Gesetz. Dort steht nicht wie in anderen Bundesländern, dass Entnahmen aus dem Sondervermögen im Haushalt zu veranschlagen sind. Das ist die übliche Formulierung in anderen Bundesländern. Wir werden sehr genau prüfen, ob das Gesetz nicht die Rechte des Abgeordnetenhauses und insbesondere die individuellen Budgetrechte jedes Abgeordneten, der nicht in diesem Hauptausschuss sitzt, von Verfassung wegen verletzt. Wir werden das prüfen und wir werden das klären. Das ist dann vielleicht die einzige Frage, an der unsere Zustimmung zu diesem Gesetz hier in der Tat noch scheitern könnte.
Vielen Dank, Herr Kollege Esser! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Goiny das Wort. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Esser! Um mit dem letzten Punkt zu beginnen: Die Ausgaben werden über den Haushalt laufen und die Einnahmen über das, was wir hier im Gesetz haben. Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.
Doch! Wenn man es liest, findet man es auch. Aber vielleicht ist es nicht mit heißer Nadel gestrickt, sondern mit flüchtigem Blick gelesen. Das sei der Opposition bei dringlicher Einbringung zugestanden.
[Joachim Esser (GRÜNE): Als Tischvorlage! – Steffen Zillich (LINKE): Das ist aber frech bei der Genese!]
Natürlich, lieber Herr Esser, wenn Sie das für Ihre Fraktion brauchen, bin ich auch gern bereit, hier vor Zeugen zu attestieren, dass Sie Ihre Rolle als konstruktiver Oppositionsabgeordneter ernst nehmen und voll ausfüllen. Manchmal würde das allerdings mit der halben Redezeit funktionieren.
Nein, aber zur Sache selbst: Es ist tatsächlich so, dass das kein Schnellschuss ist, sondern eine konsequente Weiterentwicklung der Haushaltspolitik der großen Koalition. Wir haben es geschafft, in dieser Wahlperiode keine
neuen Schulden zu machen. Wir haben im Übrigen bisher auch Schwerpunkte in die Investitionen gelegt mit entsprechender Erhöhung der Ansätze für Schul- und Sportanlagensanierung, für Straßenunterhaltung, für Kitaausbau, für Bädersanierung.
ich muss sonst gleich meine Aussage zu Ihrer Oppositionsrolle als Haushälter zurücknehmen. Aber es ist ja tatsächlich so, dass wir – das habe ich übrigens zu Beginn des Jahres schon gesagt, als wir den Bericht des Rechnungshofs hier diskutiert haben – den Auftrag haben, und das ist auch richtig, und das macht diese Koalition auch, den Haushalt in Ordnung zu bringen. Das heißt, wir wollen keine neuen Schulden machen. Wir wollten Schulden tilgen. Das machen wir auch. Übrigens hat auch das einen Effekt. In diesem Doppelhaushalt sparen wir 50 Millionen Euro an Zinsen, weil wir mehrere Hundert Millionen Euro Schulden getilgt haben. Das ist also kein Selbstzweck, sondern das ist auch eine erfolgreiche Haushaltspolitik, die wir machen.
Wir wollen – auch das fordert der Rechnungshof zu Recht ein, auch das ist Politik der großen Koalition – investieren. Beim Thema Investieren ist es doch nicht damit getan, dass wir uns hier gegenseitig in der Erhöhung von Investitionstiteln überbieten. Die große Koalition ist seit Beginn dieser Wahlperiode unterwegs, dafür zu sorgen, dass investive Mittel ordentlich ausgegeben werden und vor allem auch abgerufen werden.
Unser Problem ist doch, dass die Investitionstitel, die wir pro Jahr im Haushalt haben, gar nicht abfließen.