Protocol of the Session on October 16, 2014

Da hilft es dann auch nicht, wenn der Finanzsenator in einem großen Interview in der „Morgenpost“ sagt, die Bezirksbürgermeister machen ihre Arbeit nicht. Die einzigen, die ihre Arbeit nicht machen, sind die Senatoren und ihre Verwaltungen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN - Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Frau Flesch! Sie haben sich gestern gefreut, dass die Kritik der Opposition sehr ähnlich ist wie Ihre. Ja, das ist schön, aber es gibt unterschiedliche Rollen. Die Rolle der Opposition ist es, zu kritisieren und konstruktive Vorschläge zu machen. So weit, so gut! Ihre Rolle müsste es sein zu verändern, und das schaffen Sie seit Jahren nicht. Ich teile Ihre Erkenntnis, dass Sie die Oppositionsrolle

vielleicht besser ausfüllen würden als die Regierungsrolle, sage aber: Dann sollten Sie daraus auch die notwendigen Konsequenzen ziehen und den Bürgerinnen und Bürgern die Chance geben, diese – wie sagte Frau Bentele vorhin – Politik des Vakuums endlich zu beenden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN - Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Schruoffeneger! – Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Goiny. – Bitte!

[Joachim Esser (GRÜNE): Jetzt kommt der, der das alles ernst nimmt!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den einführenden Worten des Kollegen Esser freue ich mich, zu dem Thema zu Ihnen sprechen zu dürfen. – Es ist in der Tat so: Berlin hat seit der Wiedervereinigung die Zahl der Stellen im öffentlichen Dienst halbiert. Das ist in der Bundesrepublik Deutschland beispiellos. Wir haben – Kollegin Flesch hat schon darauf hingewiesen – damit natürlich auch so etwas wie einen Generationenwechsel in der Berliner Verwaltung. Diesen Stellenabbau haben wir bewerkstelligt, indem wir kaum oder wenige neue Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter eingestellt haben.

Man kann vielleicht, das betrifft mehrere Politikfelder, sagen, dass ungefähr seit 2006 in dieser Stadt eine Veränderung bemerkbar war. Das haben wir beim Anstieg der Mieten, bei der Wohnungssituation, bei der Liegenschaftspolitik und vielen anderen Faktoren und natürlich auch beim Zuzug der Bevölkerung gemerkt. Ich finde es dann schon bemerkenswert, Frau Kollegin Bluhm! Wenn Sie als ehemalige Senatorin, die in Ihrer Amtszeit diese ganze Diskussion auch offensichtlich völlig verschlafen hat, sich jetzt hier hinstellen und sagen: Es ist ja unerhört, dass die große Koalition das in drei Jahren noch nicht auf den Weg gebracht hat. – Und diese 100 000 ist nun auch, darf ich an dieser Stelle einmal sagen, keine Erfindung der jetzigen großen Koalition, sondern eine Zielzahl, die fortgeschrieben worden ist.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Bluhm?

Ich würde vielleicht erst einmal etwas sagen, und Sie können gerne eine Kurzintervention machen.

Zwischenfrage ist Zwischenfrage. Ja oder nein?

Nein, Herr Präsident!

[Zurufe von der LINKEN]

Sie können danach gerne eine Kurzintervention machen. Dann können wir uns über Ihren Einwand noch einmal austauschen, sollte er nach meinen Ausführungen noch von Relevanz sein.

Wir haben die Situation, dass wir auf zwei Ebenen ein Problem haben. Wir müssen auf der einen Seite den Personalbestand, der altersbedingt ausscheidet, ersetzen, wir wollen, und das ist keine neue Politik, auch aufgabenkritisch an die Berliner Verwaltung herangehen, und wir müssen den Herausforderungen einer wachsenden Metropole gerecht werden.

Es ist interessant, dass, nachdem wir hier schon zwei Jahre im Parlament diskutieren, auch von der Linksfraktion ein paar Anträge auf den Tisch des Hauses kommen, die teilweise bei der Koalition, teilweise aber auch bei der öffentlichen Diskussion abgeschrieben worden sind, wohingegen die große Koalition bereits vor einem Jahr entsprechende Anträge auf den Weg gebracht und beschlossen hat.

Nun kann man in der Tat der Meinung sein, wir seien hier noch nicht am Ende des Prozesses. Auf der anderen Seite will ich Ihnen aber auch einmal sagen, dass wir eine Reihe von Entscheidungen in dieser großen Koalition bereits getroffen haben, die dem entsprechenden veränderten Personalbedarf in der Berliner Verwaltung Rechnung tragen. Das betrifft Bereiche der inneren Sicherheit, Polizei, Feuerwehr, Staatsanwaltschaft. Wir haben im Lehrerbereich zusätzliches Personal eingestellt. Wir haben im Bereich der Finanzämter und in einigen anderen Verwaltungsbereichen dafür gesorgt, dass mehr Personal zur Verfügung gestellt wird. Übrigens, Herr Kollege Schruoffeneger, auch bei den Bezirken. Insofern haben wir längst Strukturentscheidungen getroffen. Wir haben Entscheidungen getroffen zur Ausbildung und Übernahme neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Berliner Verwaltung, und wir haben mit unseren Anträgen, die wir beschlossen haben, eine Reihe von Initiativen eingefordert, wie wir hier künftig mit der Berliner Verwaltung auch eine moderne Verwaltung weiter sicherstellen wollen.

Dass wir mit diesem Prozess noch nicht zufrieden und noch nicht am Ende sind, hat die Kollegin Flesch auch noch einmal deutlich gemacht. Das ist sicherlich auch eine Herausforderung in einer Zeit, in der wir nach wie vor nicht aus dem Vollen schöpfen können, sondern eine finanzpolitische Verantwortung für diese Stadt haben.

(Oliver Schruoffeneger)

Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion schon weiter, als die Opposition hier glauben machen will.

[Udo Wolf (LINKE): Sie haben die Mitteilung – zur Kenntnisnahme – nicht gelesen, Herr Kollege! Kann das sein? Ich habe sie gelesen!]

Wer hier was nicht gelesen hat, Herr Kollege, das wollen wir noch einmal am Ende des Tages offen lassen. – Wir haben diese Thematik vor über einem Jahr doch aufgegriffen. Sie bringen Anträge zu dem Thema ein und diskutieren aber gleichzeitig Vorlagen im Parlament, die Sie nur haben, weil sie Ihnen aufgrund von Beschlüssen der Koalitionsfraktionen vorgelegt worden sind. Das ist doch nicht Ihr Werk, sondern das ist das Handeln der Regierung, das wir hier diskutieren.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von der LINKEN – Torsten Schneider (SPD): Die Linken rennen hinterher!]

Da hat der Kollege Schruoffeneger recht: Es ist Ihr gutes Recht und Ihre Aufgabe, das zu kritisieren. Der Regierende Bürgermeister hat bereits beim letzten Mal deutlich gemacht, dass Sie aus Sicht der Regierung eine gute Opposition sind.

Ich will abschließend nur sagen, Herr Kollege Schruoffeneger, vielleicht sollten Sie auch das eine oder andere Mal wieder die Diskussion im Hauptausschuss verfolgen, denn auch der Umgang der Koalition mit den Bezirken ist inzwischen ein anderer. Eine Reihe von Bezirken, die große personelle Aufgaben noch vor sich haben, was den Personalabbau anbetrifft, hat bis 2020 Zeit. Auch hier haben wir inzwischen längere Zeiträume eingeräumt.

Und was wir natürlich auch wollen, und das ist die Herausforderung, vor der wir auch den Senat sehen, ist, zu definieren: Wo können wir Aufgaben optimieren? Wo kann im Bereich des Personalbedarfes neu justiert werden? – und dann daraus abzuleiten: Wo brauchen wir einen personellen Aufwuchs in dieser Stadt? Wir machen das aber nicht mit der Gießkanne. Wir erwarten von jeder Senatsverwaltung entsprechende Analysen und Aufarbeitungen. Das werden wir auch im Hauptausschuss und im Unterausschuss weiterdiskutieren, z. B. noch im November in entsprechenden Sitzungen. Da sind Sie dann eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen. Vielleicht haben Sie bis dahin auch den Diskussionsstand der Koalitionsfraktionen erreicht, und dann freuen wir uns auf den Austausch. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Goiny! – Frau Kollegin Bluhm hat um eine Kurzintervention gebeten. – Ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte schön!

[Torsten Schneider (SPD): Ja, sehr schön! Sie können erklären, dass Sie aus dem Mustopf kommen!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es nicht so unelegant dastehen lassen, dass Sie mich ansprechen und dann gar keine Zwischenfrage von mir zulassen. So entsteht ja keine Kommunikation.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich möchte auch, dass wir über Tatsachen reden. Wir sitzen beide im Hauptausschuss. Deshalb, denke ich, können Sie auch Zahlen interpretieren. Als wir im Jahre 2001/2002 mit in die Regierung gekommen sind, waren die Zahlen, was die Personalkosten und ihre Höhe betrifft, ziemlich eindeutig. Ich erinnere mich, glaube ich, richtig, dass Sie damals die Verantwortung getragen haben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Weil Sie nämlich keine einzige Strukturentscheidung aus dem Zusammengehen einer Doppelstadt gewagt haben, waren die Personalkosten des Landes Berlin, Herr Goiny, annähernd so hoch wie die eigenen Steuereinnahmen des Landes.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und was haben Sie getan? Wie haben Sie sich auf diese Situation in Ihrer Regierungszeit eingestellt? – Das haben Sie, nachdem Sie abgewählt wurden, Rot-Rot überlassen, was übrigens mit der SPD, die immer dabei war, nicht ganz einfach war.

[Beifall bei der LINKEN]

Deshalb war es damals ein wesentlicher Bestandteil und auch ein sehr schmerzlicher Bestandteil der Konsolidierung, das Konzept von Umverteilung von Arbeit und Einkommen mit einer riesen Anforderung an die Beschäftigten, und zwar an alle Beschäftigten des Landes zu stellen und zu sagen: Wenn ihr nicht einen relevanten Anteil leistet, wird die Konsolidierung nicht gelingen. – Das war ein Anteil von 2 Milliarden Euro, also darüber muss man reden. Die CDU übrigens – noch einmal zu ihrem Reformwillen und der Schnelligkeit ihrer Entscheidung – war immer dagegen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Und dann ist die Konsolidierung, so hart wie sie auch war, mit so vielen Fehlentscheidungen sie auch verbunden war, gelungen. Ich sage ganz offen, ja, man hätte 2010 beginnen müssen, zu sagen: Konsolidierung gelingt. Man muss den Beschäftigten, und zwar den aktuellen und auch den zukünftigen Beschäftigten, so man sie haben möchte, etwas von dieser Konsolidierungsleistung abgeben. Und wieder versagen Sie. Seit 2012 gibt es relevante Haushaltsüberschüsse, und Sie diskutieren es noch nicht einmal.

(Christian Goiny)

[Beifall bei der LINKEN]

Sagen Sie doch der Stadt, dass Sie den Beschäftigten nichts abgeben wollen, dass Sie sich damit zufrieden geben, dass 3 000 Stellen unbesetzt sind, die übrigens ausfinanziert sind! Dann stellen Sie sich der Debatte. Aber Sie sagen einfach: Nein, wir machen das alles, und das kommt schon usw. Die Leute erleben etwas anderes. Und da erinnern Sie mich an meine Vergangenheit. Na, also, herzlichen Glückwunsch!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Danke schön! – Der Kollege Goiny möchte gerne antworten. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte schön!

[Wolfgang Brauer (LINKE): Der Mann ohne Geschichte!]

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war doch gut, dass Sie nach vorne gekommen sind, weil Ihnen das auch einmal die Gelegenheit gegeben hat, sich zu Ihrer Regierungszeit zu bekennen. Die Beispiele, die Sie aus dem Bereich Gesundheit und Soziales dem Gesundheitssenator angetragen haben, sind ein Stück Erblast aus Ihrer Regierungszeit, seit Sie das hier entsprechend übernommen haben.

[Zurufe von der LINKEN – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Haben Sie wieder nicht zugehört? Von 2002 war die Rede!]

Herr Albers! Entschuldigen Sie, dass ich Sie in Ihrem Redebeitrag unterbreche, aber ich wollte noch einmal darauf hinweisen, dass es doch nicht meine Kritik am Personalabbau war, den auch Sie gemacht haben, weil – das habe ich eingangs auch gesagt – er natürlich auch sein musste. Aber sich jetzt hier hinzustellen und so zu tun, als hätten Sie damals alles richtig gemacht,

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Warum haben Sie denn nichts gemacht in den Neunzigerjahren?]