Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt zum letzten Mal: Ich bitte, dass wir hier versuchen, so miteinander umzugehen, dass wir uns auch ein Stück gegenseitig zuhören können. Das war eben nicht mehr möglich. – Herr Buchholz, setzen Sie fort!
40 000 Menschen allein im letzten Jahr zugezogen im Saldo. In den letzten drei Jahren 130 000 Menschen, die natürlich was suchen? – Wohnraum, wenn sie hierher ziehen.
Wir alle wissen, dass dieser Wohnungsmarkt inzwischen angespannt ist. Wir reagieren darauf nicht nur damit, dass wir versuchen, die Mietbestände, die wir als Land Berlin haben, zu erhöhen.
Wir reagieren darauf mit einem Mietenbündnis mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Wir reagieren darauf, indem wir, wo immer es uns möglich ist, darauf achten, dass Mietpreise nicht so stark ansteigen. Wir hoffen natürlich sehr, dass die Mietpreisbremse in Kürze im Bund beschlossen wird, weil wir dann ein weiteres scharfes Schwert dafür haben werden. Und wir müssen neben dem Versuch, die Mieten im Bestand zu deckeln, eins tun: Wir müssen den Neubau in der Stadt voranbringen, ankurbeln und weiter verstärken.
Das gilt sowohl für die städtischen wie privaten Investoren in dieser Stadt, weil das notwendig ist.
In der letzten Woche sind zwei große, neue Bündnisse in dieser Stadt geschlossen worden, und vielleicht interessiert das die Oppositionsparteien und ihren Politikerinnen und Politiker nicht. Aber ich glaube, das interessiert die Stadt: Es gibt ein neues Bündnis mit den städtischen Wohnungsunternehmen, mit dem Verband Berlin-Brandenburgische Wohnungsunternehmen, mit dem Verband
der freien Wohnungsunternehmen in der Stadt, mit den Bauindustrieverbänden, mit der Handwerkskammer, mit der Industrie- und Handelskammer – mit all diesen bauwirtschaftlichen Verbänden und Institutionen. Dabei geht es darum, eins zu unternehmen: Wir wollen pro Jahr mindestens 10 000 neue Wohnungen in dieser Stadt errichtet sehen, und dazu müssen alle ihren Beitrag leisten. Der BBU hat für seinen Bereich, also für den eher öffentlichen Teil, mindesten 3 000 Wohnungen zugesagt. Der private Verband BFW sagt: mindestens 6 000 Wohnungen. Dazu kommen natürlich noch andere, etwa Wohnungsgenossenschaften. Das heißt: Wir wollen wirklich auf mindestens 10 000 neue Wohnungen pro Jahr kommen. Das ist eine echte Gewaltanstrengung, weil wir es nicht als Selbstverständlichkeit hinnehmen dürfen, dass gebaut wird. Wir wollen dafür sorgen, dass mit den Verbänden, mit privaten und städtischen Investoren zusammen neuer, bezahlbarer, attraktiver Wohnraum geschaffen wird. Wir hoffen dabei auf Ihre Unterstützung – hier im Parlament und in den Bezirksparlamenten, weil das keine Aufgabe ist, die von selbst läuft.
Es geht darum, attraktives und wo immer möglich bezahlbares Wohnen zu etablieren und dabei auch auf den Klimaschutz zu achten und energetische Standards zu berücksichtigen. Es geht auch immer darum, darauf zu achten, dass die soziale Mischung in den Quartieren erhalten bleibt. Wir wollen keine Gated Communities in der Stadt, wo man abends abgeschlossen vielleicht sehr sicher schläft, dann aber auch sehr abgeschottet von den Nachbarn, die direkt daneben sind. Wir alle kennen die Überschriften der letzten Tage, nach denen ein Kindergarten fünf Meter hohe Mauern bekommt, damit die Neuen, die gegenüber einziehen, nichts davon hören und sehen, was in der Nachbarschaft passiert. Ich finde es ziemlich traurig, dass wir schon so weit sind, dass wir um Kindergärten und Spielplätze fünf Meter hohe Mauern errichten. Das ist nicht das, was wir uns unter einer sozialen Stadtentwicklung vorstellen. Das ist ein schlechtes Zeichen.
Sie können ja einmal mit den Bezirksverantwortlichen reden, Herr Kollege Doering! Das steht Ihnen genauso frei wie anderen!
Es ist vor allem wichtig – und jetzt kommen wir einmal zur Verantwortung aller Fraktionen, die hier im Parlament und in den Bezirksverordnetenversammlungen sitzen –, über neue Wohnungen nicht nur abstrakt zu reden. Es geht darum, konkrete Baufelder dafür zu benennen. Das geht mit der Flächennutzungsplanung des Landes Berlin los – da haben wir als Landesparlament die Verantwortung. Dann geht es vor allem darum, konkrete Bebauungspläne zu unterschreiben. Da frage ich einmal die Fraktion der Grünen: Wie vielen Bebauungspläne in den Bezirken und in diesem Parlament haben Sie eigent
lich zugestimmt, wenn es darum geht, neue Wohnbauflächen in Berlin auszuweisen? – Da machen Sie sich einen ganz schlanken Fuß, weil es Ihnen immer wichtiger ist, dass alles so bleibt, wie es ist!
Überall sollen neue, bezahlbare Wohnungen entstehen – aber nicht bei uns direkt vor der Haustür; doch bitte nicht neben dem Bestandsgebäude; bitte nicht hier, wo schon jemand wohnt. Nein! Da sind ja auch U- und S-Bahn und eine tolle Verkehrsanbindung; das ist zwar theoretisch eine schöne Sache, aber diese Brache muss eine Brache bleiben! – Michael Lux! Sie lächeln so. Da sind wir uns ja einmal einig, dass das bei der Grünen-Fraktion nicht ganz einheitlich ist, ob sie für Wohnungsneubau ist. Bei allem, was wir vom Volksentscheid gelernt haben – wir haben eins gelernt: Die Grünen wollten eine Randbebauung, haben aber dann den Bürgerinnen und Bürgern beim Volksentscheid etwas ganz anderes erzählt. – Das ist eine Doppelzüngigkeit, die Sie sich in der Praxis, wenn es um echten Wohnungsneubau geht, hier nicht länger leisten können! Das muss man einmal ganz klar sagen.
Doppelzüngigkeit im Parlament und in den Bezirksverordnetenversammlungen – das merken die Bürgerinnen und Bürger!
Mensch, Herr Schäfer! Dass wir aus dem Volksentscheid etwas gelernt und auch eine Klatsche bekommen haben, ist völlig unbestritten!
Trotzdem werden Sie die Frage nicht unbeantwortet lassen können: Wo sollen in Berlin konkret neue Wohnungen entstehen? Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist gut, dass dieser Senat und dieser Stadtentwicklungssenator nicht nur ein Bündnis mit den bau- und wohnungswirtschaftlichen Verbänden geschlossen hat, sondern auch mit allen zwölf Bezirken. Auch das ist ein neues Wohnungsneubaubündnis.
Zum Thema Doppelzüngigkeit und Wohnbauflächen: Sie wissen schon, welche Auseinandersetzungen und Diskussion gerade im Unterausschuss Vermögen laufen und was Ihre Fraktion dort vertritt, nicht wahr?
Das ist mir sehr wohl bekannt, Herr Kollege Zillich! Aber wir können ja einmal über die gesamte Stadt Berlin aufsummieren, wie viele Bebauungspläne Sie und Ihre Fraktion in den Bezirksverordnetenversammlungen unterstützen und wie viele davon von der SPD und der CDU unterstützt werden! Das sollten wir einmal ganz konkret anschauen, und dann können wir weiterreden.
Ich war gerade dabei, auszuführen – und das dürfte einige außerhalb des Parlaments interessieren, auch wenn es Sie von der Opposition nicht interessiert –, dass wir ein Neubaubündnis nicht nur mit den Verbänden, sondern auch mit allen zwölf Bezirken haben. Das Schöne daran ist: Die entsprechenden Bezirksstadträtinnen und -räte haben alle Parteifarben außer den Piraten, die keinen Stadtrat in Berlin stellen. Alle haben das mit Blut unterschrieben. Auch die Bezirke unterstützen diese Neubaupolitik, und das ist sehr gut so, weil wir die Verantwortung hier im Parlament und in allen Bezirken wahrnehmen müssen. Ich glaube, dass wir es schaffen können, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass in den nächsten zehn Jahren noch einmal 200 000, vielleicht 250 000 neue Menschen nach Berlin ziehen – weil diese Stadt so sexy und attraktiv ist. Dann müssen wir zusammen die Verantwortung dafür übernehmen, diese Stadt zukunftsfähig zu machen und den Menschen, die zuziehen, attraktive und bezahlbare Wohnungen zu ermöglichen – mit den Verbänden, mit möglichst allen Fraktionen, mit den Bezirken und den Bezirksstadträtinnen und -räten. Das ist eine gewaltige Aufgabe, und ich bitte Sie – ich kann Sie nicht auffordern, nur herzlich bitten: Gestalten Sie diesen wichtigen Meilenstein für Berlin mit! Es geht um die Zukunft dieser Stadt! – Herzlichen Dank!
Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Otto das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Buchholz! Sie führen die Auseinandersetzung genauso wie vor dem Tempelhofentscheid weiter: Sie wollen uns zu Boden werfen und dann sagen, wir könnten ja mitspielen. – Das ist der falsche Weg; so wird Berlin nicht vorankommen!
Die Lehre aus Tempelhof muss doch sein: Wir müssen gemeinsam vorangehen und gemeinsam überlegen, wo, wie, mit welchen Kosten und wie ökologisch und sozial in Berlin gebaut werden kann. Darum geht es! Aber das machen Sie nicht, indem Sie uns vorwerfen, wir hätten einmal irgendwo nicht zugestimmt. Das ist Unfug und überhaupt nicht sachgerecht!
Wir haben eine Aktuelle Stunde zum Thema „Kein Konzept, dafür viele Ankündigungen – Olympiabewerbung als Ablenkungsmanöver von der Koalitionskrise“ angemeldet. Sehr geehrter Herr Wowereit! Sehr geehrte Koalitionsabgeordnete! Mit Brot und Spielen lässt sich Berlin nicht täuschen. Wir haben Probleme, die zu lösen sind.
Sie haben uns in den letzten Wochen ein wirtschafts- und finanzpolitisches Schauspiel ohnegleichen geboten: Nicht nur, dass die nächste Milliarde im Flughafen versenkt werden soll; nicht nur, dass die CDU die Gasnetzvergabe verschlafen hat – nein, die Senatoren schicken sich jetzt nach den Senatssitzungen auch noch Unterlassungserklärungen zu! – Das ist das Bild der Koalition, und das ist kein gutes Bild für diese Stadt Berlin!
Die Wohnungspolitik, um die es jetzt gehen muss, ist mehr als Neubau. Auch das sei noch einmal gesagt, Herr Buchholz, die ist mehr als Neubau. In Berlin existieren bereits 1,9 Millionen Wohnungen. Wenn wir darüber sprechen, dass 5 000 oder 10 000 im Jahr neu errichtet werden sollen, dann ist das ein kleiner Aufschlag. Zuallererst aber, und das gehört dann auch in so eine Aktuelle Stunde, in so eine aktuelle Debatte, an den Anfang, zuerst geht es um den Bestand. Es geht darum, dass es trotz der Entwicklung, so positiv sie auch ist, Menschen gibt, für die es auch Nachteile gibt, die ihre Miete vielleicht nicht mehr bezahlen können, die vielleicht keine Wohnung mehr finden. Um die muss es auch gehen, und da ist noch einiges offen.
Wir haben Ihnen 2011, gleich nach der Wahl, ein wohnungspolitisches Vollprogramm vorgelegt. Ich war Ihnen nicht böse, dass Sie das abgelehnt haben. Dass Sie als Koalition – und auch der Senat, auch Herr Müller – davon aber so wenig umgesetzt haben, das finde ich traurig. Da müssen Sie mehr tun! Wir sind gerne bereit, Ihnen dabei zu helfen, es muss aber noch mehr kommen!
Ich nenne mal ein paar Stichworte, wo es noch hängt: Denken Sie an die Liegenschaftspolitik – das kam schon bei Herrn Zillich vorhin vor. Wie ist es denn mit den Grundstücken? Seit fünf Jahren diskutieren wir über Konzeptverfahren, über Grundstücke für landeseigene
Gesellschaften in der Erwartung, dass es bei Grundstücken, die uns als Land gehören, einfacher sein müsste, irgendwas zu beginnen. Da müsste es einfacher sein, eine Planung zu machen und zu bauen. Warum geht das nicht? Warum hängt das seit zweieinhalb Jahren? In der Mitte der Legislatur ist an der Stelle nichts erreicht. Das ist schade, das wollen wir anders!
Ein anderes Stichwort ist der soziale Wohnungsbau der Vergangenheit. Warum ist es bisher nicht gelungen, eine größere Zahl von Wohnungen in den Mietspiegel zu überführen? Warum gibt es immer noch so viele Wohnungen zu überhöhten Preisen, mit überhöhten Baukosten aus den Achtziger- und Neunzigerjahren? Da ist nichts passiert! Da steht eine große Aufgabe vor Ihnen. Jedes Jahr fallen ungefähr 10 000 Sozialwohnungen weg. Wenn die danach auch noch so überteuert sind, dann sind sie für die soziale Wohnraumversorgung Berlins verloren. Um das zu kompensieren, müssten Sie zusätzlich 10 000 Wohnungen bauen. Das schaffen Sie mit den bisherigen Zahlen nicht. Da muss einfach mehr geschehen!