Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt jetzt die Gewaltschutzambulanz, aber nicht in der Form, in der sie die Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus beantragt hat. Das ist schade, denn sie ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Es geht hier insbesondere um etwas, was sich anonyme Spurensicherung nennt. Ich sage es noch einmal, weil es eben so wichtig ist: Wenn Sie das Opfer einer Gewalt- oder insbesondere auch Sexualstraftat in Berlin geworden sind, dann gibt es für Sie keine Möglichkeiten, die Spuren sichern zu können, damit sie nicht von irgendeinem Wald-und-Wiesen-Anwalt vor Gericht zerschossen werden, ohne dass Sie Anzeige erstatten. Die einzige Möglichkeit, die DNA-Spuren gerichtsfest zu lagern, ist die Asservatenkammer der Berliner Polizei beim Landeskriminalamt. Und die sagen: Nein! Wir nehmen bei Delikten, bei denen wir ab Kenntnis ermitteln können, keine Spuren auf, weil Täter und Opfer unbekannt sind, denn dann haben wir im Zweifelsfall 25 Jahre eine Akte auf dem Tisch liegen.
Die anonyme Spurensicherung, die es wohlgemerkt in anderen Bundesländern gibt – in Hamburg und Nordrhein-Westfalen, selbst das Saarland kriegt das hin –, sollte im Bundesland Berlin durch diesen Antrag der Piratenfraktion ermöglicht werden. Sie ist eine Notwendigkeit.
Dafür muss man, wie so oft im Leben, Geld in die Hand nehmen. Wir haben in der Beratung Zahlen präsentiert: Sie schwanken zwischen 750 000 und 1,2 Millionen Euro. Es ist also möglich, das zu tun. Ich gehe hier nicht auf Polizeieinsätze in den letzten Tagen ein, mit denen man das einmal fünf Jahre lang, 24 Stunden sieben Tage lang hätte finanzieren können, wenn es sie nicht gegeben hätte. Da kommen wir als Haushaltsgesetzgeber tatsächlich in die Bredouille – Stichwort „Berlin wird als seriöser Haushaltsgesetzgeber wahrgenommen oder nicht“ –,
wofür wir Geld oder eben auch nicht ausgeben. Da ist diese Gewaltschutzambulanz leider eine sehr unrühmliche Angelegenheit, weil wir das Geld nicht zur Verfügung stellen, das eigentlich notwendig wäre.
Was hat die Koalition gemacht? – Es gibt einen Antrag, in dem steht, wir wollen den Opfern von häuslicher und von sexualisierter Gewalt helfen. Diesen Antrag kann man natürlich nicht einfach wegstimmen; da muss ein Änderungsantrag her. Und dieser Änderungsantrag macht es, wie so oft, leider schlimmer, weil er im Grunde genommen den Sachverhalt nicht so einordnet, wie man ihn einordnen könnte, wenn man sich mit der Materie beschäftigt, und der die Leute, denen Abhilfe verschafft werden könnte, ein Stück weit auch noch verhöhnt. Es wird nämlich davon gesprochen, dass an der Charité ein Pilotprojekt gemacht werden soll. – Ein Pilotprojekt ist so etwas wie: Oh, wir haben noch nie das mit der Fusionskraft gemacht! Lasst uns einen Fusionsreaktor bauen und mal schauen, ob wir überhaupt in der Lage sind, so etwas zum Laufen zu bekommen! – Die anonyme Spurensicherung ist, wie es so schön heißt, eine sichere und beherrschbare Technologie. Da muss man nicht ins Ausland gucken, da kann man einfach nach Hamburg und in andere Bundesländer gucken. Wir brauchen für einiges Pilotprojekte, aber mit Sicherheit nicht für eine anonyme Spurensicherung. Sie, liebe Damen und Herren von der Koalition, ändern unseren sehr sinnvollen Antrag in etwas ab, wo es darum geht, ein Pilotprojekt zu machen, und das ist leider ein bisschen zynisch.
Es ist insbesondere zynisch, weil Sie ein Pilotprojekt nehmen, das nicht mit den Mitteln ausgestattet wird, um die anonyme Spurensicherung bei Sexualstraftaten zu ermöglichen. Sie ändern eigentlich diesen Antrag, ich sehe gerade den Titel nicht – Gewaltschutzambulanz und anonyme Spurensicherung –, den ändern Sie ab in ein Pilotprojekt, in dem es keine anonyme Spurensicherung geben wird. Sie wollen eine Evaluation durch den Senat. Da war die Beratung im Rechtsausschuss auch kein Ruhmesblatt, wenn lauter weiße heterosexuelle Männer auf einmal anfangen, darüber zu philosophieren, wie eine anonyme Spurensicherung das Anzeigeverhalten von Frauen beeinflussen könnte. Und dann, vom Kollegen Straßmeir – – Ich glaube, der Kollege Behrendt hat eine Frage.
Können Sie mir mal sagen, welcher sexuellen Orientierung der rechtspolitische Sprecher der Linken und der der Grünen-Fraktion sind, wenn Sie da nur weiße heterosexuelle Männer gesehen haben wollen?
Weiß ich nicht. Ich frage die nicht. Aber wenn Sie damit andeuten sollten, dass es auch homosexuelle rechtspolitische Sprecher gibt, dann begrüße ich das ausdrücklich.
[Beifall und Heiterkeit bei den PIRATEN – Beifall und Lachen von Dr. Klaus Lederer – Lachen bei den GRÜNEN]
Ich wollte damit veranschaulichen, dass ich es ein unwürdiges Spektakel finde, wenn zum Beispiel der Kollege Straßmeir, der ja nun gar kein rechtspolitischer Sprecher ist, sondern Staatssekretär, anfängt darüber zu philosophieren, ob möglicherweise in einem Prozess die Nutzung der anonymen Spurensicherung durch eine Frau dahingehend von der Gegenseite, also einem Strafverteidiger – – Ich wusste nicht, dass das Thema so lustig ist, Frau Kofbinger! Wenn Sie noch einen Schwank aus Ihrem Leben erzählen wollen, können Sie auch gerne meine Redezeit dafür nutzen, oder stellen Sie mir einfach eine Frage!
Frau Kofbinger war übrigens super. Nachdem wir unseren Antrag mit der anonymen Spurensicherung gestellt haben, war das auf einmal auch ein ganz interessantes Thema für Bündnis 90/Die Grünen. Ich kultiviere hier also das, was Herr Lux am Montag blanken Grünen-Hass genannt hat, das kultiviere ich hier in diesem Parlament gerne.
Es ist leider etwas unwürdig, wenn dann darüber philosophiert wird, wie das Anzeigeverhalten dort beeinflusst wird, denn das ist nicht unsere Aufgabe.
Meine Herrschaften! Darf ich jetzt noch mal um etwas Konzentration bitten. Es herrscht hier wieder ein Geräuschpegel! Wir sind bald fertig, und dann steht noch ein Get-together an, da können Sie sich alle miteinander austauschen. Jetzt hören wir bitte dem Kollegen Lauer zu!
Die Äußerung von Herrn Korte von vorhin geht auch ganz gut über Twitter ab. Also alles gar kein Problem, ich mache das hier gerne.
Es geht darum, dass wir hier als Gesetzgeber einfach Rahmenbedingungen schaffen müssen. Durch Ihren Änderungsantrag, liebe Koalition, ist es halt leider ein Etikettenschwindel.
Das Einzige, worauf der Justizsenator – ist aber eine gute Frage, ob er dann noch Justizsenator ist, aber ich rede ja hier vom Amt, nicht über die Person –, worauf wir bei den nächsten Haushaltsberatungen auf jeden Fall achten müssen, das ist, dass wir tatsächlich die notwendigen Mittel dafür einstellen, um in dieser Stadt eine 24 Stunden-, Sieben-Tage-die-Woche-Versorgung und eine anonyme Spurensicherung bei Gewaltstraftaten, aber auch bei Sexualstraftaten sicherzustellen. Das Zynische in diesem Bundesland ist noch immer: Wenn Sie als Frau – oder auch als Mann – vergewaltigt werden und Sie der Meinung sind, Sie wollen auf eine anonyme Spurensicherung zurückgreifen, dann machen Sie was? – Sie setzen sich in den ICE nach Hamburg, dürfen sich aber vorher natürlich nicht duschen oder sonst irgendwas, weil die ganzen Spuren dann verlorengehen. Sie sehen an meinem Extrembeispiel: So richtig umsetzbar ist das nicht.
Das heißt, wir müssen bei den nächsten Haushaltsverhandlungen dafür sorgen, dass die Mittel dafür zur Verfügung gestellt werden. Unsere Fraktion wird sich zu Ihrem Änderungsantrag dementsprechend enthalten. So richtig schön ist das hier nicht. Wir hätten mit diesem Antrag und durch die Annahme – – Ich habe ja vorher versucht, die Rechtspolitiker, die Haushaltspolitiker und die Gesundheitspolitiker insbesondere der Koalitionsfraktion von der Sinnhaftigkeit unseres Unterfangens zu überzeugen und habe gesagt: Lasst uns diesen Antrag bitte jetzt nicht auf dem Altar des Parteienproporzes opfern, dafür ist es zu wichtig.
Hat leider alles nicht funktioniert. – Herr Dietmann! Ich höre Sie gerne dazwischenrufen. Ich würde Sie auch gerne öfter hier vorne sehen. Machen Sie sich mal Gedanken darüber, dass Ihre Fraktion Sie nicht so oft sprechen lässt
und Sie das dann mit Zwischenrufen kompensieren müssen. Die Leute lachen nicht mit Ihnen, sondern über Sie.
Vielen lieben Dank! Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Sommerpause, und dann haben wir ja noch genug Gelegenheit, uns hier beim Ringelpiez mit Alkohol und so auf der Wiese auszutauschen. – Vielen lieben Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zugegeben, Kollege Lauer: Für YouTube hat die Rede höchstwahrscheinlich hervorragend gereicht.
Sie können Sie ja gleich mit der Rede vom letzten Bundesparteitag der Piraten zusammenschneiden. In der Sache selber, glaube ich, haben Sie dem Ursprungsantrag und auch der Gewaltschutzambulanz heute ganz, ganz wenig geholfen.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Christopher Lauer (PIRATEN): Das ist zynisch!]
Vor gut vier Wochen stellte Jörg Ziercke vom Bundeskriminalamt zusammen mit Rainer Becker vom Deutschen Kinderschutzbund die Kriminalstatistik der kindlichen Gewaltopfer für 2013 vor.
Nein! Herr Delius kann sich ja gerne im Anschluss melden. – Ich denke, der Kollege Lauer hat doch eben gerade alles gesagt für Ihre Fraktion. – 153 – –
Ich bin beim zweiten Satz, und Sie haben eine Zwischenfrage! Ich frage mich, was Sie schon alles gehört haben wollen, was ich noch nicht gesagt habe, lieber Kollege Delius.
[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU – Martin Delius (PIRATEN): Das ist eine Frechheit, was Sie machen!]