Protocol of the Session on July 3, 2014

Mindestlohn wird die Lohnstrukturen vieler Branchen tiefgreifend verändern. Dieser Transformationsprozess benötigt Zeit. Zudem soll ab 2018 eine Kommission der Bundesregierung alle zwei Jahre einen Vorschlag unterbreiten, ob und wie der gesetzliche Mindestlohn verändert werden soll.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Kein einziges Argument!]

Warten Sie mal ab, Herr Lauer, kommt schon! – Wichtige Ausnahmen betreffen Langzeitarbeitslose und Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Langzeitarbeitslose, die wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren, erhalten in den ersten sechs Monaten nicht den gesetzlichen Mindestlohn.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Warum nicht?]

Langzeitarbeitslose werden nach sechs Monaten wieder auf die Straße gesetzt, heißt es dazu noch im Ursprungsantrag der Linken, bevor er kastriert worden ist zu diesem Oppositionsgesamtantrag. Das Gegenteil ist richtig. Die befristete Ausnahme des Mindestlohns für Langzeitarbeitslose ist eine Chance, in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden. So können viele Arbeitslose diese Chance erhalten. Und mit Sicherheit wird der Arbeitgeber einen qualifizierten und dann bereits auch bewährten Mitarbeiter nach Ablauf der sechs Monate dann auch für 8,50 Euro die Stunde weiterbeschäftigen.

[Zurufe von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Die geringere Entlohnung ist für die Unternehmen ein Anreiz, Langzeitarbeitslose erst einmal einzustellen und an die Herausforderungen des Arbeitsmarkts zu gewöhnen. – Haben Sie wieder Ihre Pillen nicht genommen, Herr Lauer? Bitte!

Herr Dr. Korte! Solche Anspielungen können Sie bitte unterlassen! – Ich möchte allerdings insgesamt darum bitten: Es gibt einen Unterschied zwischen einem Zwischenruf und einer allgemeinen Hintergrundreinbrüllerei. Bitte, wirklich!

[Beifall bei der CDU]

Die Einführung des Mindestlohns darf nicht zulasten des Betriebsklimas gehen. So gelingt der Abbau der Arbeitslosigkeit hier bei uns durch Berlin-Arbeit. Und der Bundestag hat richtig entschieden, wenn er diese Integrationschance nicht durch sofort geltenden Mindestlohn für Langzeitarbeitslose verbaut. – Was die jungen Arbeitslosen angeht: Ihnen soll eben nicht der Anreiz genommen werden, sich um einen Ausbildungsplatz zu bemühen.

Hier in Berlin haben wir nach den Zahlen dieser Woche nur noch knapp 16 000 Arbeitslose unter 25 Jahren. Das

ist ein historischer Tiefstand. Unmittelbar vor der Abwahl der linken Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftssenatoren von Rot-Rot waren es fast 24 000.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Sie haben doch damit gar nichts zu tun!]

Nach zweieinhalb Jahren dieser Koalition, auch als Erfolg von Berlin-Arbeit, ist es heute ein Drittel weniger. Und diesen Erfolg lassen wir uns nicht kaputtmachen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Der beste Schlüssel für die Integration junger Langzeitarbeitsloser ist eben Qualifikation, und am allerbesten die duale Berufsausbildung. Ein Mindestlohn für ungelernte Tätigkeiten junger Menschen setzt die falschen Anreize, weg von Ausbildung und damit viel zu oft hin zu lebenslang prekärer Beschäftigung. Das darf nicht sein! Die jungen Berlinerinnen und Berliner in Arbeitslosigkeit brauchen mehr Anreiz für Ausbildung und Qualifikation, nicht weniger. Auch diese befristete Ausnahme vom Mindestlohn ist wichtig und richtig. Diese Diskussion sollten wir dann aber bitte mit besseren inhaltlichen Argumenten von Ihrer Seite im Ausschuss für Arbeit fortsetzen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dr. Korte! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Spies. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Dr. Korte! Ja, es stimmt, wir haben schon hier oft darüber geredet. Ich habe dann immer das Vergnügen, nach Ihnen zu reden. Und ich kann sagen: Es wird von Mal zu Mal immer absurder.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Wir wissen ja, dass mehr als zwei Drittel der Bevölkerung für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn sind. Wir wissen, dass auch mehr als zwei Drittel der hier im Hause vor mir sitzenden Abgeordneten wenigstens im Wahlkampf der Bevölkerung versprochen haben, dass sie einen solchen Mindestlohn einführen wollen. Was haben wir erlebt? – Bei allen Initiativen, die erwähnt worden sind, hat Berlin im Bundesrat gegen einen Mindestlohn gestimmt. Wir haben zwar dann das Landesmindestlohngesetz als Placebo bekommen – ich hatte das in meiner Rede ja auch schon gesagt –, aber es dauerte nun etwas, bis die Bundesregierung so weit war, ein solches Gesetz vorzulegen.

Und jetzt das mit dem Tandem, ich meine, ich weiß nicht, wer, welche höhere Kraft die SPD-Fraktion gezwungen hat, Tandem zu fahren.

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN) und Carsten Schatz (LINKE)]

Es gibt auch andere Fortbewegungsmöglichkeiten, auch in der Politik und auch im Bundestag. Aber gut, es ist nun so. Und jetzt sagen Sie, liebe Kollegin Monteiro, dass Sie ja mit allen Mitteln gekämpft haben für den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn und sich gegen die Ausnahmen ausgesprochen haben. Na, dann zeigen Sie es eben und stimmen Sie unserem Antrag zu, damit das im Bundesrat noch korrigiert werden kann!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Aber ich weiß schon, das ist ja vergebene Liebesmühe. Und wenn man sich diese Ausnahmen genauer ansieht, liegen die genau in dem Trend der unsozialen Hartz-IVPolitik, die ja von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, auch gewollt wird. Ich meine, das ist alles blödes Gerede, dass man Ausnahmen braucht, denn auch wenn man diese Ausnahmen nicht hätte, gäbe es genügend kreative Ideen in der Wirtschaft, wie man Mindestlohn umgehen kann dort, wo das gewollt wird. Mit diesen Ausnahmen fördert man diese Kreativität, auch noch mit Unterstützung der Jobcenter, mit der Unterstützung der Arbeitsagentur.

Was haben wir denn heute schon? – Es werden die sogenannten Langzeitarbeitslosen durch das Jobcenter gezwungen, Minijobs anzunehmen. Beim Minijob kann man schon mal gar nicht kontrollieren, ob ein Mindestlohn eingehalten wird, und wenn Sie dann noch Ausnahmen machen, dann geht das von Minijob zu Minijob. Wir wissen ja, wie das mit den Begrenzungen ist. Wir kennen das bei der Zeitarbeit. Wir hatten neulich einen Fall, wo eine Postangestellte 18 Jahre lang befristet beschäftigt war. Das geht doch eigentlich gar nicht. Gut, aber dann macht man nach sechs Monaten eine Pause von zwei Monaten. Dann geht das weiter. Genauso wird das mit dieser Ausnahme sein. Diejenigen, die den Mindestlohn am nötigsten hätten, werden davon ausgeschlossen, und sie werden von geringfügiger Beschäftigung zu geringfügiger Beschäftigung gehen, bis irgendwann einmal diesem Wahnsinn ein Ende gemacht wird.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Das ist genau dieses Problem, denn wir sagen jetzt: Mindestlohn ist das Mindeste, was jeder verdienen muss. Das sind 1 400 Euro brutto im Monat. Wissen Sie eigentlich, wie viel das ist? Wie viel da übrigbleibt? Davon kann man keine Wohnung, keine Familie bezahlen. Das ist etwas, was man nur machen kann, wenn man noch andere Einkommensmöglichkeiten hat, und das ist eigentlich unwürdig.

(Dr. Niels Korte)

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

In diesem Sinne werden wir auch weiterhin dafür kämpfen, dass ein Mindestlohn für alle in diesem Land gelten wird. In zwei Dritteln der Länder der Europäischen Union gibt es den schon, in Deutschland jetzt so lala, na fast. Wollen wir mal sehen, wie das weitergeht, und vor allem sind 8,50 Euro da auch noch zu wenig. Wir haben mindestens 9,80 Euro gefordert, 10 Euro. Wir werden sehen, wie das dann 2018 weitergeht. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag haben die Antragsteller die sofortige Abstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen jedoch die Überweisung an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen. Hierüber lasse ich zuerst abstimmen. Wer der Überweisung des Antrags zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Das sind die Piratenfraktion, die Grünen und die Linkspartei. Ersteres war die Mehrheit, damit ist das überwiesen.

Ich komme nun zur

lfd Nr. 3 A

Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 16. Juni 2014 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 2. Juli 2014 Drucksache 17/1754

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1529

Zweite Lesung

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die zweite Lesung zur Gesetzesvorlage und schlage vor, die Einzelberatung der vier Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis IV – Drucksache 17/1754. Eine Beratung ist nicht vorgesehen.

Zu der Vorlage auf Drucksache 17/1529 empfehlen die Ausschüsse einstimmig – bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen – die Annahme. Wer der Vorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Bei Piraten, Grüne und der Linkspartei. – Danke schön! Damit ist das Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften so beschlossen.

Ich komme zur

lfd. Nr. 4:

Kein Verfassungsschutz an Berliner Schulen – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für das Land Berlin (Schulgesetz Berlin – SchulG Berlin) und des Gesetzes über den Verfassungsschutz in Berlin (Verfassungsschutzgesetz Berlin – VSG Berlin)

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1741

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und mitberatend an den Ausschuss für Verfassungsschutz empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich komme nun gemäß § 59 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung, abweichend der Tagesordnung, im Konsens zur